Der Regisseur Jeymes Samuel hat in einem Interview mit dem „Hollywood Reporter“ gesagt, er habe die alten Sandalen-Filme immer geliebt, und nun habe er selbst einen drehen wollen. Vor drei Jahren brachte der Brite bereits einen Film aus einem anderen Genre, das traditionell fest in der Hand von Weißen war, nur mit schwarzen Darstellern auf die Leinwand: einen Western mit dem Titel „The Harder They Fall“. Nun erobert Samuel ein weiteres typisch „weißes“ Genre für Schwarze: den Sandalen- oder Jesus-Film. Darin kamen Schwarze bislang allenfalls als Sklaven in Ketten vor. „The Book of Clarence“ handelt von einem jungen schwarzen Mann namens Clarence, der zur selben Zeit wie Jesus in Jerusalem lebt. Doch hier sind nur die bösen römischen Besatzer Weiße.
Es ist das Jahr 33 nach Christus. Clarence ist ein kleiner Dieb, der sich über die Runden hält und beim reichen Dealer Jedadiah Geldschulden hat. Ihm bleiben nur wenige Tage Zeit, um das Geld aufzutreiben, um nicht von Jedadiah getötet zu werden. Um an Geld zu kommen, will er an Jesus heran. Vielleicht kann er ja dessen 13. Apostel werden? Davon verspricht sich Clarence Ruhm und Einfluss. Als sei dieser Plot noch nicht dumm genug, stolpert Clarence bei seinen Versuchen, an Geld zu kommen, in immer neue Missgeschicke. Und er kreuzt dabei immer wieder den Weg von Jesus und seinen Jüngern, die in der Stadt als die wirklich Coolen bekannt sind.
Doch mit dem Frommsein will es bei Clarence nicht klappen. Schon die obligatorische Taufe geht schief. Und eigentlich ist Clarence ja Atheist. Anstatt sein Geld abzubezahlen, gibt er es für Drogen aus. Im Rausch kommt er auf eine Idee: Warum nicht selbst Messias werden und Geld absahnen? Er will bei Jesu Mutter Maria die „Tricks“ lernen, die ihr Sohn draufhat. Die findet die Idee nicht lustig und schickt ihn wieder weg. Dann führt Clarence mit einem Freund kleine einstudierte Trick-Shows auf der Straße auf, vermeintliche Heilungswunder und Totenerweckungen. (Erstaunlich: warum werfen Passanten für die Heilung eines fremden Lahmen Geld in einen Hut?) Erst als Clarence von den Römern festgenommen wird, leugnet er, der Messias zu sein. Er will zeigen, dass seine angeblichen Wunder nur Fake sind und er eigentlich harmlos ist, doch gerade da beginnen seine Wunder plötzlich wirklich zu funktionieren…. Will Gott ihn strafen?
Benedict Cumberbatch als komödiantisches Highlight
Zunächst wirkt „The Book of Clarence“ wie eine etwas überflüssige, atheistische Comedy-Version eines Jesus-Films. Clarence „predigt“ die Aufklärung, gibt einige atheistische Weisheiten von sich. Sehr tiefgründig wird es hier nicht. „Wissen ist stärker als Glauben!“, lautet seine Kernbotschaft. Wirklich witzig wird es wider Erwarten in diesem Film nicht. Humor unter Schwarzen wird ausgekostet, was ein „Bruder“ ebenso zum anderen sagt, oder die Tatsache, dass nur Schwarze untereinander einigermaßen legitim das N-Wort benutzen dürfen. Auch Blackfacing ist in solch einem All-Blacks-Film wohl ausnahmsweise erlaubt.
Erstaunlicherweise wirken die wenigen weißen Schauspieler am witzigsten – es ist schon lustig, die Rollen einmal vertauscht zu sehen: Die Weißen in der Minderheit und auf Nebenrollen als trottelige römische Legionäre reduziert, die restlichen Darsteller sind die coolen schwarzen Helden. Unter den schwarzen Stars sind Omar Sy („Ziemlich beste Freunde“), Marianne Jean-Baptiste („Lügen und Geheimnisse“) und David Oyelowo („Selma“) – hier als Johannes der Täufer. James McAvoy („Der letzte König von Schottland“) ist als Pontius Pilatus aber auch sehr sehenswert. Ein komödiantischer Höhepunkt des Films ist der kurze Auftritt von Benedict Cumberbatch („Sherlock“), der an dieser Stelle nicht gespoilert werden soll.
Dem Film hätte es gutgetan, wenn sich Regisseur Jeymes Samuel entschieden hätte: Entweder einen ernsthaften Film über Jesus zu machen, oder aber eine bissige Komödie über den Glauben. „The Book of Clarence“ will irgendwie beides sein, und das funktioniert nicht gut. Streckenweise wirkt der Film wie ein langweiliger Drogentrip.
Auch in deutschen Kinos
Jesus kommt zwar vor, er wird aber – trotz aller Religionskritik – nicht durch den Kakao gezogen. Am Ende darf der echte Jesus – ganz ohne Klamauk oder Ironie – sagen: „Ich bin die Auferstehung und das Leben. Wer an mich glaubt, wird leben, auch wenn er stirbt.“ (Johannes 11,25) Und Clarence erwidert: „Mein Herr!“ Eine erstaunliche Wendung für einen Film, der als Religionskritik begann.
Gedreht wurde in Matera in Süditalien. Wahrscheinlich kreuzen sich die Bewohner Materas mittlerweile die Tage im Kalender an, an denen gerade kein Jesus-Film in ihrer Stadt gedreht wird. Hier drehte 1964 Paolo Pasolini „Das 1. Evangelium – Matthäus“, es folgte 1985 „König David“ mit Richard Gere, 2016 wurde „Der junge Messias“ gedreht, 2004 war Mel Gibson für „Die Passion Christi“ dort, „Es begab sich aber zu der Zeit…“ mit Oscar Isaac folgte 2006, „Ben Hur“ 2016, „Maria Magdalena“ 2018, Milo Rau nahm hier 2019 „Das Neue Evangelium“ auf.
Musikfreunde kommen auf ihre Kosten: Regisseur Samuel komponierte die gute Filmmusik selbst. Clarence wird verkörpert von LaKeith Stanfield, einem amerikanischen Rapper, der für seine Nebenrolle im Film „Judas and the Black Messiah“ über den Bürgerrechtsaktivisten Fred Hampton 2021 für einen Oscar nominiert wurde. Der Rapper Jay-Z hat den Film mitproduziert.
Der Film lief am 12. Januar 2024 in den USA an und spielte 6 Millionen US-Dollar ein. Inzwischen ist er im amerikanischen Internet auch im Stream zu sehen auf den Portalen Apple TV, Prime Video, Vudu und Youtube. Der Kinostart in Deutschland ist für April 2024 geplant.