Kein Licht im Unrechtsstaat

Die Verfilmung des Generationenromans „In Zeiten des abnehmenden Lichts“ zeigt, wie die DDR die Leben einer ganzen Familie zerstört. Regisseur Matti Geschonneck schafft damit ein dringend benötigtes Stück Erinnerungskultur. Eine Filmkritik von Anna Lutz
Von Anna Lutz
Noch stehen Charlotte (in weiß) und Wilhelm (Mitte) vor dem gedeckten Geburtstagstisch. Er wird bald in Trümmern liegen, wie die DDR auch

„Zeiten des abnehmenden Lichts“, so nennen russische Erntehelfer den Frühherbst, wenn die Tage kürzer werden. 1989 sind auch die Tage der DDR gezählt. Das Regime steht vor dem Kollaps, nur die letzten Fahnentreuen tun noch so, als sei die sozialistische Welt in Ordnung.

In diesem Setting spielt Matti Geschonnecks auf der gleichnamigen Buchvorlage basierender Film, den die Berlinale am Donnerstag erstmalig zeigte. Mittelpunkt ist die Familie Powileit/Umnitzer: Vier Generationen, die den sozialistischen Staat alle auf ihre Weise erleben.

Käse zum Dank

Da ist das Ehepaar Wilhelm und Charlotte Powileit (Bruno Ganz, Hildegard Schmahl), er feiert seinen 90. Geburtstag, sie erträgt den gealterten Stalinisten nur noch mit Mühe. Charlotte träumt von ihrer gemeinsamen Zeit in Mexiko, wo das Paar jungverheiratet ins Exil geschickt wurde, als der Nationalsozialismus in Deutschland herrschte. „Ich bin seit 70 Jahren in der Partei! Wie lange bist du in der Partei?“, wirft Wilhelm seiner Frau an einer Stelle vor. Geburtstagsgäste, deren 15-jähriger Sohn gerade aus der Republik zu fliehen versuchte, verweist er mit den Worten des Hauses: „Ich will euch nicht!“ Für solche Treue bedankt sich die SED mit einer eigens nach Powileit benannten Brigade, deren Aufgabe es ist, Ostkäse herzustellen, der wie französischer Brie schmeckt.

Fahrt gewinnt die Handlung, als Kurt und Irina Umnitzer (Sylvester Groth, Evgenia Dodina) in versammelter Runde beichten, dass der eigene Sohn Sascha (Alexander Fehling) aus der DDR geflohen ist und deshalb nicht am Fest zu Ehren des Großvaters Wilhelm teilnehmen wird. Die Fronten sind eröffnet. In der Folge schimpft Wilhelm auf Kurt, die russischstämmige Irina beklagt den Verlust ihres Sohnes, Charlotte versucht, ihren Ehemann zu vergiften und Irinas gealterte Mutter erinnert sich an vergangene Zeiten in der Sowjetunion: „Als sie anfingen, die Kirchen abzureißen, das war eine Sünde.“

Der Traum von einem anderen Leben

Die Stimmungslage der Protagonisten fasst am besten Charlotte zusammen, als sie sagt: „Ich hätte gerne ein anderes Leben gehabt.“ Denn wie sich zeigt, ist niemand im Hause Powileit/Umnitzer so richtig glücklich. Kurt ist zwar angesehener Historiker, hasst die DDR aber, weil er zehn Jahre in russischer Lagerhaft verbringen musste und sein Bruder dort starb. Irina säuft und vermisst die Liebe. Wilhelm wünscht sich mehr Anerkennung durch seine geliebte Partei, stattdessen speist diese ihn mit symbolischen Gesten ab. Sascha hinterlässt bei seiner Flucht Frau und Kind. So wird klar: Der Sozialismus hat diese Familie von Grund auf zerstört. Auf lange Sicht ohne Aussicht auf Heilung.

Regisseur Geschonneck hat sich mit der Romanvorlage an eine Generationengeschichte gewagt, die derart umfangreich ist, dass eine Verfilmung zunächst schwierig erscheint. Dennoch ist ihm das Kunstwerk geglückt, glaubhafte Charaktere zu schaffen, die in Erinnerung bleiben. Dazu tragen die großartigen Schauspieler, allen voran Bruno Ganz und Hildegard Schmahl als Ehepaar Powileit, bei. „In Zeiten des abnehmenden Lichts“ verwandelt sich von einer Komödie zum Drama und zeigt mit aller Wucht, was für ein Unrechtsstaat die DDR tatsächlich war.

Man könnte meinen, das Thema sei seit „Good Bye Lenin“ oder „Sonnenallee“ bereits ausreichend im Film gewürdigt worden. Doch so lange in Berlin Touristen an jeder Straßenecke russische Gasmasken kaufen können und am Brandenburger Tor Sowjet-Stempel in Pseudopässe gedrückt werden, braucht es diese Art von Erinnerungskultur, die zeigt: Es war nichts gut in der DDR. (pro)

Von: al

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