Die Päpstliche Akademie für das Leben fordert in einem „Weißbuch“ einen Ausbau der weltweiten Palliativversorgung. Für die Veröffentlichung haben Katholiken und internationale Experten verschiedener Weltanschauungen strategische Empfehlungen für den Umgang mit Todkranken erarbeitet. Bei der Vorstellung am Donnerstag in Berlin warnte der Osnabrücker Bischof Franz-Josef Bode, Selbsttötung werde von vielen als ein Grundrecht verstanden und Sterbehilfe als Dienstleistung: „Da wird die Unantastbarkeit der Menschenwürde aufgegeben.“ Der Glaube an einen Schöpfergott aber führe zu der Erkenntnis, dass das Leben nicht verfügbar sei. Es mangele an einem Bewusstsein dafür, dass menschenwürdiges Sterben auch für Schwerkranke möglich sei.
Der Palliativmediziner Thomas Sitte sagte, er werde regelmäßig von Angehörigen Sterbender auf Sterbehilfe angesprochen. Dabei könnten Ärzte in 99,9 Prozent der Fälle dafür sorgen, dass Sterbende nicht über ein eträgliches Maß hinaus leiden müssten. Das aber sei nicht bekannt. „Nichtwissen macht Angst“, sagte Sitte, der sich klar „gegen lebensverkürzende Maßnahmen“ positioniert. In der Öffentlichkeit werde diese Angst von Lobbygruppen geschürt, die für eine liberale Sterbehilferegelung eintreten. Sitte nannte Vereine wie „Sterbehilfe Deutschland“ oder „Dignitas“: „Hier wird Lobbyarbeit dafür gemacht, dass Sterbehilfe in Deutschland doch wieder erlaubt werden soll.“
Sterbehilfegesetz vor dem Bundesverfassungsgericht
Das Bundesverfassungsgericht hat jüngst mehrere Klagen gegen das Verbot organisierter Sterbehilfe aus dem Jahr 2015 behandelt. Verfassungsbeschwerde hatten mehrere Ärzte, Sterbehilfevereine sowie schwerkranke Patienten eingelegt. Eine Entscheidung wird noch in diesem Jahr erwartet. Kritiker des derzeit gültigen Sterbehilfegesetzes beklagen unter anderem eine Rechtsunsicherheit von Ärzten. Sitte war nach eigenen Angaben an beiden Verhandlungstagen anwesend. Er ist überzeugt: Das Gesetz schütze Patienten vor voreiligen Schritten und gebe Ärzten Sicherheit für die Behandlung. In seinen Augen sind diejenigen, die darin Defizite sehen, deutlich in der Minderheit.
Ebenso wie die Deutsche Bischofskonferenz hofft er, dass das Bundesverfassungsgericht das Sterbehilfegesetz aufrecht erhält. Er wünscht sich gemeinsam mit den Katholiken mehr Unterstützung für Ärzte, die palliativmedizinisch tätig sind, und eine bessere Wissensvermittlung dazu in ambulanten Diensten. Derzeit würden nur rund zehn Prozent der 800.000 in Deutschland jährlich Sterbenden palliativ versorgt. Dabei bräuchten in seinen Augen 30 Prozent von ihnen die schmerzlindernden Maßnahmen.
Erzbischof Vincenzo Paglia von der Päpstlichen Akademie erklärte, in der Palliativversorgung zeige sich ein zutiefst religiöses und auch überzeugendes Menschenbild. Eine „palliative Kultur“ wirke dem gesellschaftlichen Ruf nach Sterbehilfe entgegen und fördere einen sorgenden Umgang und eine liebevolle Begleitung Sterbender bis zum Tod. „Die Medizin scheitert nicht, wenn sie nicht heilen kann“, sagte Paglia. Stattdessen müsse sie ihre eigenen Grenzen kennen und nicht über „ein vernünftiges Maß“ hinausgehen und etwa lebensverlängernde Maßnahmen ergreifen, die nur das Leid eines Kranken verlängerten. Auch da, wo keine Heilung möglich sei, könnten Schmerz und Leid gelindert werden.
Die Päpstliche Akademie für das Leben ist eine akademische Einrichtung des Vatikans, die sich mit Fragen der biomedizinischen Ethik beschäftigt. Papst Johannes Paul II. gründete sie 1994. Ihre 70 Mitglieder werden vom Papst ernannt. Unter anderem beschäftigt sie sich mit den ethischen Aspekten der Fragen rund um Anfang und Ende des Lebens: Sterbehilfe, Abtreibung oder Reproduktionsmedizin.
Von: Anna Lutz