Kassenärzte-Chef wegen „Eugenik“ unter Druck

Der Chef der Kassenärztlichen Vereinigung Sachsen steht unter Druck: In einem Mitteilungsblatt des Verbandes hatte er den historisch belasteten Begriff der „Eugenik“ verwendet. Dafür wird er massiv kritisiert.
Von Norbert Schäfer

Der Vorstandsvorsitzende der Kassenärztlichen Vereinigung Sachsen ist wegen Äußerungen zur Humangenetik unter Druck geraten. Klaus Heckemann hatte in einem Mitteilungsblatt des Verbandes über Kosten von Gentests zur Erkennung von Erbkrankheiten sinniert und dabei den Begriff der „Eugenik“ gebraucht.

Der Begriff „Eugenik“ ist historisch schwer belastet und steht für die Lehre der vermeintlich guten Erbanlagen. „Eugenik“ wurde in der Zeit des Nationalsozialismus gleichbedeutend mit dem Begriff der nationalsozialistischen „Rassenhygiene“ gebraucht. Die Nationalsozialisten verübten unter dem Deckmantel der „Eugenik“ massenhaft Morde an behinderten, physisch und psychisch kranken Menschen.

„Gesellschaftliche und ethische Diskussion“

Heckemann hatte in dem Beitrag festgestellt, dass bei Eltern, bei deren Kindern eine hohe Wahrscheinlichkeit für die Ausbildung einer Erbkrankheit besteht, durch „In-vitro-Fertilisation und Präimplantationsdiagnostik“ „das Risiko der Geburt eines schwerstkranken Kindes“ ausgeschlossen werden könne. Weiter schreibt Heckemann, dass die Nutzung einer solchen „Chance“ zweifellos „Eugenik“ sei, „allerdings in ihrem besten und humansten Sinn“. Nach eigenem Bekunden wollte Heckemann mit seinem Editorial eine „gesellschaftliche und ethische Diskussion“ anstoßen.

Das ist dem KV-Chef offenbar gelungen. Denn Berichten zufolge war Heckemann bereits im Vorfeld der Veröffentlichung KV-intern gewarnt worden. Die KV Sachsen teilte mit, dass es sich um eine persönliche Meinung des Autors handle, die nicht der der KV Sachsen entspreche. Nach der Veröffentlichung des Textes ist nun massive Kritik lautgeworden.

Wegen der Äußerungen hatte sich in der vergangenen Woche unter anderem die sächsische Landesärztekammer von Heckemann distanziert. Der Vorstandsvorsitzende der Kassenärztlichen Vereinigung Sachsen wecke mit seinen Äußerungen „automatisch Erinnerungen an die deutsche Vergangenheit“, monierte die Ärztekammer. Dies sei „mit dem ärztlichen Ethos unvereinbar“.

Forderungen nach Rücktritt

Auch die Dresdner Hochschulmedizin kritisierte in einem offenen Brief Heckemanns Äußerungen. Die „ethisch abstoßenden Äußerungen“ Heckemanns seien „schockierend und unverständlich“ und sie widersprächen der Unantastbarkeit der Menschenwürde.

Der Bundesverband Mukoviszidose und die Allianz Chronischer Seltener Erkrankungen (ACHSE) forderten den Rücktritt Heckemanns. Auch Sozialministerin Petra Köpping (SPD) distanzierte sich von den Äußerungen Heckemanns und schloss sich der Kritik der Verbände an. „Aus meiner Sicht werden die Einlassungen seiner Funktion und Verantwortung als Vorstandsvorsitzender der KVS nicht gerecht“, zitiert der MDR die sächsische Sozialministerin.

Nach Informationen der „Freien Presse“ will die Vertreterversammlung der Kassenärztlichen Vereinigung am Mittwoch über die berufliche Zukunft Heckemanns beraten.

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