Eigentlich gehört er zu den Großen des Internets. Er hat zwar nicht "Google" erfunden, aber eine Software, mit der unzählige Webseiten erstellt werden. Der 35-Jährige Kasper Skårhøj erfand das Content-Management-System TYPO3. Allerdings verlangt er dafür kein Geld, sondern stellt es unter der "General Public License" zur freien Verfügung. Das bedeutet, dass sie jeder Programmierer bei Bedarf selbst abändern darf. Sogar eine kommerzielle Nutzung ist erlaubt. Große deutsche Firmen wie DHL, Volkswagen, 3M, Europcar oder Lufthansa nutzen TYPO3. Vor allem die Deutschen lieben das System und seinen Entwickler aus Dänemark, in seinem Heimatland ist der Internet-Pionier weitaus weniger bekannt.
Warum stellte Skårhøj TYPO3 gratis ins Netz? Auf seiner Webseite erklärt er: "Mein christlicher Glaube sagt mir zwei Dinge: 1. Materialismus hat keinen bleibenden Wert. 2. Alles, was meine Kreativität hervorbringen kann, hat zum Ziel, Gott zu verherrlichen, denn er hat mir mein Talent gegeben. Für mich bedeutet das, dass ich mein Bestes der Welt in Form von ‚TYPO3‘ gebe." Nicht nur auf der Webseite typo3.org findet sich ein eindeutiges Bekenntnis des Erfinders zum Glauben an Jesus Christus, auch in der Software selbst hat er es versteckt: Das Master-Passwort zum Freischalten ist eine Bibelstelle: Johannes 3,16. Auf seinen christlichen Text habe er auch schon einige Reaktionen bekommen: "Drei negative E-Mails, und 500 mehr oder weniger positive."
Ein Workaholic kriegt die Kurve
Von baptistisch-christlichen Eltern erzogen, ging Kasper als Kind regelmäßig in die Kirche. Mit 13 wurde er getauft. Dennoch war der christliche Glaube für ihn viele Jahre nicht wirklich wichtig. Mit 22 zog er nach Kopenhagen und studierte Elektro-Ingenieurwesen. Allerdings nur ein Semester, denn das Internet verhieß allerhand neue Möglichkeiten zum Geldverdienen. Irgendwann bastelte Skårhøj an über 20 Webseiten, ein Content- Management-System (CMS) musste her, mit dem das Programmieren vereinfacht werden sollte. Dies wiederum sollte verkauft werden. "Wir wollten mit dem CMS Geld verdienen und reich und berühmt werden, wie alle damals", erinnert er sich. Doch der Preis dafür waren viele Nächte Arbeit, Wochen ohne nennenswerten Schlaf, Vernachlässigung der eigenen Körpersignale, der Seele, Gottes und der Familie. "Das war es nicht wert. Das kann man nicht in toten Euro-Scheinen aufwiegen."
Kasper verließ seine Firma. "Ich brauchte irgendwie mehr. Auch wenn ich meine Arbeit liebte, aber das konnte nicht alles sein." Er sagte sich: "Wenn mir Christsein wirklich etwas bedeutet, dann ist es eigentlich ärgerlich, dass ich abends sofort einschlafe, anstatt zu beten. Der Glaube hat völlig an Bedeutung verloren in meinem Leben." Er begann wieder in der Bibel zu lesen, ging wieder in die Gottesdienste. "Ich kannte Jesus zwar aus meiner Kindheit, aber dann lernte ich ihn ganz neu kennen." Ein Jesus-Wort sprach ihn in seiner Situation besonders an: "Wir sollen uns keine Schätze hier auf der Erde ansammeln, sondern im Himmel. Ich verstand, was das heißt: Wenn jemand die Welt gewinnen möchte, wird er sich selbst verlieren. Darum geht es nämlich nicht im Leben. Aber ich war gerade dabei, zu versuchen die Welt zu gewinnen." Jesus Christus war nicht mehr irgendeine Philosophie, sondern ein konkreter Weg in den Himmel. "Man kann sagen, dass ich eine zweite Bekehrung erlebte, da war ich 25 Jahre alt." In der Gemeinde, die zur evangelisch-lutherischen Staatskirche Dänemarks gehört, lernte er auch seine spätere Frau Rie kennen, beide haben inzwischen eine Tochter, Amelie.
Als Kind habe er immer geglaubt, der einzige Weg, um Gott zu dienen, sei, Pastor oder Evangelist zu werden. Doch damals sei ihm klar geworden, dass jeder dienen kann. Wie ein Geiger auf seinem Instrument schöne Musik hervorbringen kann, so erfreut sich Gott an den Talenten seiner Kinder, ist Kasper überzeugt. Sein Talent war das Programmieren. "Mein größter Wunsch wurde, dass TYPO3 der Kirche nützlich sein würde. Oder Leuten, die kein Geld für ein kommerzielles System haben. Deswegen sollte es gratis sein."
Manchmal bereue er es schon, TYPO3 kostenlos bereitgestellt zu haben, gibt er zu. "Dann sage ich zu den anderen TYPO3-Entwicklern: Seht mal, wie viel Geld andere Leute mit unserer Software machen! Wenn wir nur ein kleines bisschen davon abhaben könnten… Aber dann geht mir auf, dass es eine Falle ist, so zu denken. Manchmal meinen wir, wir würden im Leben unfair behandelt, oder wir müssten mehr verdienen. Solche Gedanken schiebe ich von mir. TYPO3 ist ein Segen für so viele Menschen geworden, und das ist um Vieles wichtiger als mein Neid. Für mich ist es weiterhin nicht wichtig, reich zu werden." Hätte er TYPO3 verkaufen wollen, hätte er eine Firma leiten und zudem viel Marketing betreiben müssen. "Marketing ist schon eine Art Lügerei, und für mich war es immer wichtig, ehrlich zu sein und klar zu sagen, was das System kann und was nicht." Abgesehen davon wäre TYPO3 wahrscheinlich nicht so bekannt geworden, wenn es etwas gekos-tet hätte.
Der göttliche Programmier-Code
Mit der Arbeit an TYPO3 hat Skårhøj nun eigentlich abgeschlossen. "Ich habe so lange daran gearbeitet, dass gewährleistet war, dass es von alleine weiterläuft." Den Sitz des TYPO3-Chefentwicklers gab er vor zwei Jahren ab, feierlich zelebrierte er diesen Akt in einem Video für seine Fangemeinde, als König verkleidet, der das Zepter abgibt. Was ihm die Zukunft bringt, ist noch offen. Derzeit studiert der 35-Jährige an Dänemarks Technischer Universität in Kopenhagen. Finanziell ist er durch TYPO3-Beratung, Erspartes und staatliche Studienförderung erst einmal abgesichert.
Mit seiner Frau leitet er das "Café Retro", ein Non-Profit-Café in Kopenhagens Innenstadt, dessen Erlöse an karitative Einrichtungen in der Dritten Welt gehen. Etwa 100 Menschen gehören zum Team. Es soll Menschen aller Coleur die Möglichkeit geben, offen über ihren Glauben zu sprechen. Explizit christlich oder evangelistisch will das Café indes nicht sein.
Vielleicht liegt es daran, dass sich der Internet-Fachmann selbst jahrelang durch einen riesigen Programm-Code gearbeitet hat, dass sich Skårhøj seit einigen Jahren mit dem Thema Schöpfung und Evolution beschäftigt. Angefangen hat alles mit seiner Hochzeitsreise vor vielen Jahren nach Florida. "Wir landeten in einem Vortrag über die Entstehung der Welt und die Dinosaurier." Er musste zugeben: "Die hatten einige interessante, biblisch fundierte Theorien darüber, wie die Erde und das Leben entstanden waren." Wenn man einmal althergebrachte Paradigmen beiseite lege, seien diese Anschauungen ermutigend für den persönlichen Glauben, so Skårhøj.
Jeder müsse sich eingestehen, dass die Gründe dafür, warum es überhaupt etwas gibt, mysteriös blieben. "Man stelle sich vor, das Universum wäre doch von Gott erschaffen worden. Dann könnte man das nicht wissenschaftlich beweisen." Jeder, der Gott beim Entstehungsprozess kategorisch ausschließe, müsse zu falschen Erkenntnissen kommen. Die Bibel sage, Gott habe die Welt in 6 Tagen zu je 24 Stunden erschaffen. "Auf den ersten Blick erscheint einem das unmöglich. In der Schule und auf dem ‚Discovery Channel‘ wird uns gesagt, dass es um Millionen von Jahren geht. Aber wenn man einmal für einen Moment all dieses Erlernte beiseite tut und in Betracht zieht, die Bibel könnte Recht haben, ist die Frage interessant: Welche Hinweise finden wir in der Natur? Und auf einmal erzählen die Fossilien eine andere Geschichte, sie wären dann eine Folge der globalen Wasserflut." Immerhin könne man nicht beweisen, dass Gott nichts mit der Schöpfung zu tun gehabt habe.
Skårhøj plädiert dafür, dass jeder, auch Christen, sich die Argumente der Kreationisten genauer ansehen sollte. "Denn die machen eine gute Arbeit. Es ist doch komisch, wenn Christen zwar einerseits an die Existenz Gottes glauben, andererseits aber nicht glauben, dass Gott etwas mit Wissenschaft zu tun haben könnte." Für viele sei es offenbar politisch inkorrekt, wenn Christen auf einmal mit guten Argumenten kommen. "Es wäre ihnen lieber, der Glaube bliebe reine Gefühlssache." Ihn erschrecke, wie emotional Akademiker, sogar Professoren, bei diesem Thema reagierten, obwohl man von ihnen doch abgeklärte Objektivität und Liebe zur Wahrheit erwarten könnte. Dass sie immer wieder betonen, wie dumm Kreationisten seien, zeige nur, dass sie selbst einer Ideologie anhängen und sehr unsicher seien.
Für den Programmierer aus Kopenhagen liegt das stärkste Argument der "Intelligent Design"-Vertreter in der Information: "Wir haben ein Genom mit drei Milliarden Basenpaaren, und sie ist wie ein Programm-Code. Ich weiß, wovon ich rede. Diese Informationen konnten nicht zufällig entstehen. Ein Programm kann nie durch ‚Trial and Error‘ (Versuch und Irrtum) entstehen. Nehmen wir TYPO3 als Beispiel: Wenn ich da nur ein paar Bytes ändern würde, würde sich das Programm ganz anders verhalten." Doch diese Fragen sollten nicht zum Hauptinhalt des Glaubens werden, fügt Skårhøj hinzu. "Sonst wird der Glaube trocken. So interessant die Debatte um Kreationismus und Evolution auch ist, sie beinhaltet nicht die eigentlichen Glaubensgrundsätze. Es geht letztendlich immer um Jesus und wie man eine Beziehung zu ihm aufbaut. Da bin ich selbst noch auf dem Weg, jeden Tag neu."