Karfreitag und der Krieg – sieben Trostworte vom Kreuz

An Karfreitag stirbt Gott. Was hat uns das zu sagen in einer Zeit des Krieges? Ein Gastbeitrag von Uwe Heimowski
Von PRO
Kreuz, Ukraine, Karfreitag, Kruzifix

Karfreitag. Mit diesem Feiertag konnte ich mich wenig anfreunden. Zu blutig, zu ungerecht, und theologisch zu unverständlich: Wie, um Himmels Willen, kann ein liebender Vater seinen Sohn den Schlächtern ans Messer liefern?

Ostern. Damit kann ich etwas anfangen. Das passt in den Frühling. Das ist Hoffnung. Jesus lebt! Das habe ich persönlich erfahren. Seine Kraft hat mein Leben verändert.

Dann starb mein kleiner Bruder. Viel zu jung, unter dramatischen Umständen. Damals las ich die Passionsgeschichte – nicht zum ersten Mal, doch ganz anders. Neu. Ich entdeckte eine Dimension des Glaubens, die ich bis dahin nicht kannte: Christus, den Mitleidenden. Den, der bis in die tiefsten Abgründe menschlich ist. Ich fühlte mich verstanden.

Die sieben letzten Worte, die Jesus am Kreuz sprach, bekamen Kraft. Für mich persönlich. Und weit darüber hinaus. Heute, im April 2022, sehen wir täglich neue Bilder von Gräueltaten – nicht nur – aus der Ukraine. Was können die Worte des leidenden, sterbenden Christus für uns bedeuten? Schauen wir sie uns in der Reihenfolge an, in der sie gesprochen wurden.

„Vater, vergib ihnen, denn sie wissen nicht, was sie tun.“ (Lukas 23,34)

Vergebung? Wie soll das mitten im Krieg möglich sein? Kaum. Doch lesen wir den zweiten Satz: „Sie wissen nicht, was sie tun.“ Krieg ist die Stunde der Verführer. Opfer hingegen werden die Verführten: Die jungen Männer, die für einen sinnlosen Krieg ihr Leben lassen. Die stummen Unterstützer, die der Propaganda auf den Leim gehen. Vater, vergib ihnen – und öffne ihnen die Augen, denn sie wissen nicht, was sie tun.

„Amen, ich sage dir: Heute noch wirst du mit mir im Paradies sein.“ (Lukas 23,43)

Zwei Verbrecher werden mit Jesus gekreuzigt. Der eine treibt seinen Spott. Der andere bereut seine Taten. Jesus sagt ihm das ewige Leben zu. Die Botschaft für uns: Es gibt kein zu spät vor dem letzten Atemzug. Wir können vom Zug springen, wenn er in die falsche Richtung fährt. Lasst uns nicht müde werden, vom Frieden zu sprechen, für Frieden zu beten. Und wenn wir Spott ernten, ist es doch wahr: Umkehr ist nötig – und sie ist möglich. Auch in der Ukraine. Auf Karfreitag folgt Ostern. Immer.

„Frau, siehe, dein Sohn! Und: Siehe, deine Mutter!“ (Johannes 19,26 f.)

Es sind die Frauen und Kinder, die am meisten leiden. Der Krieg macht sie verwundbar. Schutzlos. Heimatlos. Jesus kümmert sich um Johannes, den jüngsten unter den Jüngern, und um Maria, seine verwaiste Mutter. Viele Menschen – in Polen, Rumänien, Moldawien, Ungarn und anderen Ländern – tun es Jesus gleich in diesen Tagen: Sie nehmen Frauen und Kinder auf, Alte und Kranke. Ein Beispiel: Das Perspektivforum Behinderung der Evangelischen Allianz hat über 200 Menschen mit Behinderungen aus der Ukraine evakuiert.

„Mein Gott, mein Gott, warum hast du mich verlassen?“ (Markus 15,34)

So ist das im Krieg – und am Kreuz: Du kümmerst dich um die anderen. Doch dann, irgendwann, bist du auf dich selbst zurückgeworfen. Einsam. Wieviel kann ein Mensch ertragen? Jesus trägt die Schuld der Menschheit, die Last der Welt. Und wird fast irre daran. Verzweifelt betet er mit Worten, die er sich aus dem Gebetbuch der Bibel leiht. Er betet mit Psalm 22. Ein paradoxes Gebet: Der Gott, von dem er sich verlassen fühlt, ist doch zugleich der Gott, den er anspricht in seiner Not: „Mein Gott“. Wohin sonst sollten wir gehen? Gott hält unsere Klage aus.

„Mich dürstet.“ (Johannes 19,28)

Der Tod am Kreuz ist brutal. Das langsame Sterben. Der brennende Durst. Jesus ist ganz Mensch. Nichts bleibt ihm erspart. Gott ist nicht auf Durchreise. Er stirbt. Körperlich. Zugleich hören wir die Stimme des Bergpredigers: „Selig sind die, die da hungert und dürstet nach der Gerechtigkeit, denn sie sollen satt werden.“ (Matthäus 5,6). Wie sehnen wir uns danach: Zu trinken, den Körper zu stärken. Und zu hoffen, dass das Unrecht ein Ende nimmt. Dass unser Durst nach Gerechtigkeit gestillt wird.

„Es ist vollbracht.“ (Johannes 19,30)

Am Kreuz ist nicht der Ort für Zynismus. Da ist kein Vertrösten auf den „Warteraum der Zukunft“. Wenn Jesus hier davon spricht, dass sein Werk vollbracht, seine Aufgabe erfüllt ist, dann will ich ihm das glauben. Jesus stirbt, aber die Hoffnung lebt. Nicht die Schuld und Bosheit werden das letzte Wort haben, kein Diktator eine unendliche Macht. Christus hat sie alle entmachtet. Er trug all unsere Schmerzen, durch seine Wunden sind wir geheilt (Jesaja 53). Wir beten mit seinen Worten: Dein Reich komme, dein Wille geschehe im Himmel und auf Erden. Und wir erinnern uns an die berühmten Worte des Theologen Karl Barth: „Es wird regiert.“

„Vater, in deine Hände lege ich meinen Geist.“ (Lukas 23,46)

Noch einmal betet Jesus mit den Worten eines Psalms (Psalm 31). In diesem Moment, der die Weltgeschichte verändert, wird Jesus sehr persönlich. Er vertraut sich seinem Vater an. Wenn die Welt um uns laut und lauter wird, das Kriegsgeschrei uns in den Ohren gellt und die grausigen Bilder unsere Seele fluten, ist es das, was wir brauchen: Stille für die Seele, Ruhe für den Geist. Frieden, wie nur Gott ihn geben kann.

Karfreitag. Der Tag, an dem Jesus stirbt – und mitten in unser Leben spricht.

Uwe Heimowski ist Politik-Beauftragter der Deutschen Evangelischen Allianz. Er gehört dem Vorstand der Christlichen Medieninitiative pro an, die auch PRO herausgibt.

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2 Antworten

  1. Lieber Uwe, vielen Dank für Deinen tollen Beitrag. Für mich ist es nach vielen Jahren meines Glaubensleben immer noch unbegreiflich, dass Jesus für uns – für mich – gestorben ist. Lob und Preis sei ihm für seine große Liebestat!

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