Für die heftigsten Publikumsreaktionen sorgte allerdings K-TV-Chefredakteur Martin Lohmann. Er betonte, dass er selbst seiner eigenen Tochter im Vergewaltigungsfall nicht zur Pille danach raten würde. Er sagte: „Die Sache mit der Selbstentscheidung der Frau ist vielschichtig. […] Wenn über Abtreibung diskutiert wird, wird von Selbstentscheidung der Frau gesprochen. Jede Frau hat das Recht, selbst zu entscheiden. […] Aber in dem Moment gibt es zwei Personen. Die Selbstentscheidung gilt (nur), bevor ein zweiter Mensch davon betroffen ist.“
Über das Thema "Pille danach" wurde in der vergangenen Woche bereits innerhalb der katholischen Kirche intensiv diskutiert. Der Kölner Erzbischof Joachim Kardinal Meisner hatte die Pille danach als Option für Vergewaltigungsopfer zugelassen, nachdem bekannt geworden war, dass zwei katholische Krankenhäuser eine junge Frau, die vergewaltigt worden war, abgewiesen hatten. Peter Neher zeigte sich entsetzt über den Vorfall: „Es stimmt nicht mit unseren Richtlinien überein. Katholische Krankenhäuser tun alles, um betroffenen Frauen in so einer Situation zu helfen. Deswegen bin ich dankbar über die klaren Entscheidungen der Krankenhäuser und auch des Kölner Kardinals.“ Gesundheitsministerin Steffens bestätigte: „Wir konnten nicht dokumentieren, dass es eine systemische Anweisung des Trägers war.“
Weniger einig waren sich die Diskussionsteilnehmer darin, was der Kölner Kardinal nun eigentlich erlaubt habe. Martin Lohmann, Theologe und Chefredakteur von K-TV, wies darauf hin, dass der Kardinal nur eine Pille erlaubt habe, die die Befruchtung verhindere. Eine solche Pille gebe es aber gar nicht. Derzeit sei der Stand der Forschung nur soweit, dass eine bereits befruchtete Eizelle zerstört werden könnte. Dies habe Kardinal Meisner allerdings nicht erlaubt. Er wünsche sich, dass es „hoffentlich bald eine Pille gibt, die ausschließlich diese Wirkung hat (Befruchtung verhindern, Anm. d. Red.)". Außerdem würde er es begrüßen, wenn der Erzbischof erkläre, was er genau gemeint habe.
Für Peter Neher und Gesundheitsministerin Steffens bieten die Aussagen des Bischofs hingegen keinen Interpretationsspielraum. Neher sagte: „Ich nehme die Worte des Kardinals so, wie sie da stehen.“ Die Debatte um die Pille danach habe sich gewandelt. Auch für Steffens ist die Sache klar: „Ich lese die Stellungnahme des Kardinals so, dass die Verantwortung im Vergewaltigungsfall wieder in die Hände der Ärzte gelegt ist.“ Sie forderte, dass in allen katholischen Krankenhäusern sichergestellt sei, dass Frauen, die vergewaltigt wurden, die Pille danach bekommen. „Ich bin für das Leben der Frau, die das Selbstbestimmungsrecht haben sollte, ob sie von einem Vergewaltiger schwanger sein möchte oder nicht.“ Deswegen zeige der Schritt, den „Kardinal Meisner gemacht hat, für mich Stärke“.
Arbeitsbedingungen bei kirchlichen Einrichtungen kritisiert
Noch ein zweites Themen stand im Mittelpunkt der sonntäglichen Talkrunde: Neben der Diskussion um die „Pille danach“ sprachen die Diskussionsteilnehmer über die Arbeitsbedingungen bei Einrichtungen der Kirche. Immerhin ist die Kirche mit 1,3 Millionen Beschäftigten der zweitgrößte Arbeitgeber in Deutschland.
Die Journalistin Eva Müller beklagte, dass die Kirche als Arbeitgeber nur scheinbar „barmherzige Kompromisse“ eingehe, wenn sie beispielsweise homosexuelle Personen einstelle, solange diese sich nicht „outen“ würden. „Für die Mitarbeiter ist es am schlimmsten, dass sie keine Sicherheit haben“, sagte die Autorin der TV-Dokumentation „Gott hat hohe Nebenkosten“. NRW-Gesundheitsministerin Barbara Steffens bedauerte, dass die „Kirche sich von der Realität entfremdet“, wenn beispielsweise eine Kindergärtnerin von einem katholischen Kindergarten entlassen würde, weil sie nach ihrer Scheidung einen neuen Partner habe. „Wir leben in einer Gesellschaft, in der Menschen sich von ihren Partnern trennen.“ Prälat Peter Neher von der Caritas betonte, dass eine Scheidung keinesfalls automatisch eine Kündigung des kirchlichen Arbeitgebers nach sich ziehe: „Es gibt keine Automatismen.“ Beziehungen könnten scheitern, es könnte Neuanfänge geben, und genau deswegen werde derzeit innerhalb der Kirche intensiv darüber diskutiert, wie man „den Wert der Ehe einerseits und andererseits die Lebenswirklichkeit miteinander in Beziehung setzen“ könne. (pro)