Der Rapper Kanye West hat wie kein zweiter Promi die Nachrichten der vergangenen Wochen dominiert. Anfang Juli veröffentlichte West das christlich angehauchte Lied „Wash us in the Blood“, was auch pro aufgriff. Danach sorgte West für eine Salve an Themen, die nach den üblichen Spielregeln des Journalismus meldenswert gewesen wären. Nach den jüngsten Entwicklungen muss sich aber so mancher Nachrichtenmacher die Frage stellen, ob die nachrichtlichen Spielregeln auch für Menschen gelten, die sich in einem psychischen Ausnahmezustand befinden – und ob es sich bei Wests Äußerungen wirklich um ernstzunehmende Einlassungen handelt, um PR oder eine Mischung aus allem.
West und seine Ehefrau Kim Kardashian sprechen seit Jahren offen über dessen bipolare Störung. Am Mittwoch schrieb Kardashian auf Instagram: „Ich bitte die Medien und die Öffentlichkeit höflich darum, uns das Mitleid und die Empathie zu geben, die wir brauchen, um da durch zu kommen.“ Das können Journalisten respektieren, denn auch die Stars sind Menschen und nicht einfach Objekte der Berichterstattung. Andererseits gehört es zum Geschäftsmodell des Paares, sich in die Öffentlichkeit zu begeben und Schlagzeilen zu machen. Ins Bild passen daher auch die Meldungen der vergangenen Wochen: Am 4. Juli kündigte West allen Ernstes seine Präsidentschaftskandidatur an. Amerika müsse wieder auf Gott vertrauen. Zu diesem Zeitpunkt waren die Fristen für die Kandidatur in einigen Staaten schon abgelaufen.
Trotzdem feierte er am 20. Juli in North Carolina den Auftakt seines Wahlkampfes. „2020“ hatte er sich ins Haar rasieren lassen, er trug eine schusssichere Weste mit „Security“-Aufnäher, als er mit einer Reihe von Statements irritierte. Über die schwarze gläubige Fluchthelferin Harriet Tubman, über die gerade ein Film in Deutschland erschienen ist, sagte er: „Harriet Tubman hat die Sklaven nie wirklich befreit. Sie hat sie nur für andere weiße Leute arbeiten lassen.“ Außerdem ließ er wissen, seine Tochter sei 2012 fast abgetrieben worden. Gott habe ihm gedroht: „Wenn du meine Vision angreifst, dann greife ich deine an.“ Auch sein Vater habe ihn abtreiben lassen wollen, sagte er im weiteren Verlauf. „Meine Mutter hat mein Leben gerettet. Es würde keinen Kanye West geben, weil mein Vater zu beschäftigt war!“ In dem Moment bricht West in Tränen aus, seine Mitarbeiter reagieren irritiert, bevor die Menge applaudiert. Er beginnt mit hoher Stimme unverständliche Wörter zu schluchzen und brüllt: „Ich habe fast meine Tochter getötet!“ Jeder, der ein Kind bekomme, solle eine Million Dollar erhalten. „Oder irgend sowas.“
Später twitterte er, sich von seiner Frau scheiden lassen zu wollen, und verschanzte sich nach Medienberichten in einem Bunker. Nach dem Statement seiner Frau liegt es nahe, dass es sich bei Kanye West um einen Menschen handelt, der offenkundig Hilfe braucht. Dann wäre ihnen die Rücksicht der medialen Öffentlichkeit zu wünschen.