Joe Biden zieht sich aus dem Wahlkampf um das Präsidentenamt zurück. Nun ist innerhalb der Demokratischen Partei der Kampf um seine Nachfolge entbrannt. Die besten Chancen rechnet sich die aktuelle Vize-Präsidentin Kamala Harris aus. Eine finale Entscheidung wird jedoch erst auf dem Parteitag im August in Chicago gefällt. Dort legen sich die Parteimitglieder auf den Präsidentschaftskandidaten oder Kandidatin fest.
Harris wollte bereits 2020 Präsidentin werden und traf damals im Vorwahlkampf der Demokraten auch auf ihren jetzigen politischen Partner Joe Biden. In einer der Fernsehdebatten hatte Harris Biden scharf kritisiert, weil dieser vor Jahrzehnten ein Gegner des sogenannten „Busings“ war. In den USA gibt es viele Gegenden, die stark durch eine Ethnie geprägt sind, zum Beispiel durch überwiegend schwarze Bewohner. Beim Busing werden Kinder – per Bus – bewusst auf Schulen in andere Gegenden gebracht, um die Trennung zu durchbrechen und die Schüler in Kontakt mit Kindern anderer Hautfarbe zu bringen. Die Attacke von Harris auf Biden deuteten Beobachter als Schlag unter die Gürtellinie, weshalb Zweifel wuchsen, ob sich Biden für die ehemalige Staatsanwältin entscheiden würde.
Sie sang im Kirchenchor
Harris gilt wie Biden als moderat und nicht besonders links. Im Blick auf religiöse Fragen schlägt Harris allerdings einen anderen Ton an als der Katholik Biden, der häufig über seinen Glauben spricht. Kamala Harris hingegen nimmt Bezug zur Religion vor allem, wenn es um soziale Gerechtigkeit geht. Ihre Mutter kommt aus Indien, ihr Vater aus Jamaika. Sie lernten sich in Berkeley kennen, einer intellektuell und liberal geprägten Stadt in der kalifornischen Bay Area. In einer Nachbarstadt ging Harris auch in eine Kirche, die überwiegend von Schwarzen geprägt ist: „Ich wuchs in Oakland auf, dort besuchte ich die 23rd Avenue Church of God, wo wir gelernt haben, uns um die Geringsten zu kümmern. Und ich sang im Chor darüber, wie uns der Glaube in Verbindung mit Entschlossenheit durch schwierige Zeiten führen wird. Meine Mutter kommt aus Indien, also nahm sie uns auch in den Hindutempel mit, um zu sehen, dass uns alle Religionen lehren, der Gerechtigkeit nachzujagen.“
Harris‘ Vornamen haben hinduistische Bezüge
Ihre Mutter war es auch, die ihr zwei Vornamen hinduistischen Ursprungs gab. „Kamala“ bedeutet auf Sanskrit „Lotusblume“, außerdem ist es ein Alternativname der Göttin Lakshmi. „Devi“ ist Sanskrit für „Göttin“, im Besonderen ist damit die Gottheit gemeint, die Dörfer beschützt.
Heute besucht Harris die Gottesdienste der Third Baptist Church of San Francisco. Deren Pastor Amos Brown bezeichnete Harris laut der Plattform Religion News als „Quintessenz einer Gelehrten“, die „die Spiritualität, das Genie und die Tradition der Gewaltfreiheit“ ihrer Eltern mit der afro-amerikanischen Gemeinschaft verbinde. „Sie ist eine geistliche Person“, sagte der Pastor und Bürgerrechtler weiter.
Im Vorwahlkampf 2020 verwies Harris immer wieder auf den barmherzigen Samariter. Das Gleichnis erkläre, wer ein Nächster sei. „Der Nächste ist nicht automatisch der, der dieselbe Postleitzahl hat wie du“, sagte sie laut Christian Post. „Was wir im Gleichnis lernen, ist, dass der Nächste die Person ist, an der du vorbeigehst und die obdachlos auf der Straße lebt. Der Nächste ist ein Kind oder eine junge Person, die weggelaufen ist und die verletzlich ist oder vernachlässigt oder missbraucht wurde.“ Deswegen wolle sie auch für alle Menschen eine Gesundheitsversorgung und eine Reform der Strafjustiz.
Abtreibung, Klima, Israel
Von konservativen Christen wurde Harris in der Vergangenheit für ihre Unterstützung von Planned Parenthood kritisiert, einer Organisation, die unter anderem auch Abtreibungen durchführt. Laut der New York Times besuchte Harris im März als erste Vize-Präsidentin überhaupt eine Abtreibungsklinik. Und Harris gilt als eine Unterstützerin für das Recht auf Abtreibung auf nationaler Ebene.
In Sachen Klimawandel sind die Positionen von Harris und Biden deckungsgleich. Beide leugnen den menschengemachten Klimawandel nicht und unterstützen den Ausbau von erneuerbaren Energien.
Kamala Harris gilt als Unterstützerin der Zweistaatenlösung. Zwar stimmt sie Israel zu, dass die Bedrohung durch die Hamas beseitigt werden müsse, forderte aber im März auch einen Waffenstillstand und lehnte die spätere Invasion von Rafah ab.
Von: Nicolai Franz und Martin Schlorke