Trotz wachsender Kritik an der Kirchensteuer sieht der Frankfurter Staats- und Verfassungsrechtler Rudolf Steinberg kaum Perspektiven für tiefgreifende Reformen. Die Chancen seien „extrem gering“, sagte der emeritierte Professor für öffentliches Recht am Montagabend in Bremen bei einer Diskussion zur Zukunft der Finanzierung der beiden großen Kirchen in Deutschland.
Steinberg warnte, aufgrund ihres Bedeutungsverlustes in der Gesellschaft und einer galoppierenden Erosion bei den Mitgliedszahlen seien die Kirchen „Kolosse auf tönernen Füßen“. Laut der neuesten Kirchenmitgliedschaftsuntersuchung sei die Kirchensteuer der wichtigste Austrittsgrund. „Sie entfremdet Kirche und Gläubige“, sagte der Experte für staatskirchenrechtliche Fragen.
Allerdings schätze ein großer Teil der Bevölkerung die soziale Arbeit der Kirchen. „Und diese Bedeutung wird in Zukunft noch steigen.“ Bei der Wahrnehmung sozialer Aufgaben seien die Kirchen in der Finanzierung auf die Kirchensteuer angewiesen, räumte Steinberg ein. Das sei ein Dilemma.
„Niemand wird die Pandora-Büchse dieser Diskussion öffnen.“
Die Einführung alternativer Finanzierungsmodelle wie das der Kultursteuer nach italienischem Vorbild erfordere eine Änderung des Grundgesetzes und zuvor einen intensiven Diskurs in Politik und Gesellschaft, an dem von offizieller Seite trotz großem Reformbedarfs kein Interesse bestehe: „Niemand wird die Pandora-Büchse dieser Diskussion öffnen.“