Jung, unsicher, ungehört – Warum Erstwähler politische Ränder wählen

Die Union ist die klare Siegerin der Bundestagswahl. Doch auch die politischen Ränder dürfen sich als Gewinner sehen – denn viele junge Menschen haben ihre Stimmen der AfD und der Linken gegeben. Ein Zwischenruf von Johannes Nehlsen
Von PRO
Wahlen

In der Nachlese der Bundestagswahl lohnt sich ein genauer Blick auf die junge Generation, insbesondere die Erstwähler. Wäre die Wahlentscheidung allein ihnen überlassen, würde die Spitzenkandidatin der Linken, Heidi Reichinnek, als zukünftige Bundeskanzlerin mit SPD und Grünen über eine rot-rot-grüne Koalition verhandeln. Die Linke erhielt unter den Erstwählern 26 Prozent der Stimmen und gewann auch bei der sogenannten „Juniorwahl“ (Schüler ab der 7. Klasse) mit 25 Prozent.

Neben der Linken konnte vor allem auch die AfD bei den Jungen starke Zuwächse verzeichnen: Sie erzielte 19 Prozent bei den Erstwählern (plus 13 Prozent) und 15 Prozent bei der Juniorwahl (plus zehn Prozent). Die Parteien der politischen Mitte (CDU/CSU, SPD, Grüne, FDP) würden selbst gemeinsam keine Mehrheit erreichen. Besonders die Grünen und die FDP, die 2021 noch bei den jungen Wählern vorn lagen, mussten massive Verluste hinnehmen.

Was bedeutet das?

  1. Eine politisch gespaltene, verunsicherte Generation: Die junge Generation ist politisch gespalten, aber geeint in ihren Unsicherheiten und Zukunftsängsten. Den etablierten Parteien der Mitte trauen sie immer weniger zu, Lösungen für ihre Probleme zu finden.
  2. Ein Linksruck unter jungen Wählern: Im Gegensatz zum Gesamtergebnis zeigt sich bei jungen Menschen eine deutliche Mehrheit links der Mitte. Viele Jungwähler entschieden sich angesichts des Erstarkens der AfD und des politischen Rechtsrucks bewusst für die Linke.
  3. Die Macht der sozialen Medien: Parteien, die am meisten in Social Media investierten, waren bei Jungwählern am erfolgreichsten. AfD und Die Linke waren dort besonders präsent. Rund um Heidi Reichinnek entstand ein regelrechter Online-Hype, der der Linken 20.000 Neueintritte bescherte – mit einem Durchschnittsalter von nur 28 Jahren.

Was ist zu tun?

  1. Glaubwürdige Problemlösungen anbieten: Die Generationen Z und Alpha haben wenig Vertrauen darin, dass der Staat und die etablierten Parteien ihre Probleme lösen. Die kommende Regierung muss beweisen, dass sie zentrale Themen wie Bildung, bezahlbaren Wohnraum, Sicherheit und Klimaschutz wirksam angeht. Andernfalls wird sich die Abwanderung an die politischen Ränder fortsetzen.
  2. Jungwähler immer wieder neu gewinnen: Die Bindung an Parteien nimmt stetig ab. Dies betrifft die junge Generation noch mehr als die älteren Generationen. Die massiven Verschiebungen zwischen 2021 und 2025 zeigen, dass junge Wähler bei jeder Wahl neu überzeugt werden müssen.
  3. Social Media ernst nehmen: Die Bedeutung sozialer Medien für die politische Meinungsbildung kann nicht hoch genug eingeschätzt werden. Während die AfD hier bereits länger dominant ist, zeigt das Beispiel der Linken, dass eine kluge digitale Strategie innerhalb weniger Monate zu enormen Zugewinnen führen kann.
  4. Orientierung bieten: Studien zeigen, dass die junge Generation von Zukunftsängsten und Orientierungslosigkeit geprägt ist. Dies macht sie anfälliger für populistische Botschaften und vermeintlich einfache Lösungen, insbesondere in der schnelllebigen Welt sozialer Medien.

Unsere Aufgabe als Christen

Die Herausforderungen sind enorm, doch es gibt auch eine positive Nachricht: Als Christen sind wir Experten, wenn es um Orientierung geht. Doch genau wie die junge Generation den etablierten Parteien nicht zutraut, ihre Probleme zu lösen, traut sie der Kirche nicht zu, Antworten auf ihre Zukunftsängste zu haben. Dies müssen wir ändern. Die christlichen Werte und der Glaube müssen als Orientierungsanker neu attraktiv gemacht werden. Es gibt bereits zahlreiche inspirierende Aufbrüche und Initiativen innerhalb der Kirchen, Werke und Verbände.

Meine Hoffnung ist nicht nur, dass eine neue Regierung in den kommenden Jahren spürbar die konkreten Probleme junger Menschen löst, sondern dass Christen in Deutschland es schaffen, junge Menschen neu für den Glauben zu begeistern und ihnen eine wertvolle Orientierung zu geben.

Johannes Nehlsen Foto: WERTESTARTER

Johannes Nehlsen

Johannes Nehlsen, 42 Jahre, ist Geschäftsführer der „Wertestarter“-Stiftung. Die Stiftung hilft mit, dass überall in Deutschland wertebasierte Erfahrungsräume entstehen: in christlichen Kitas und Schulen sowie in der Jugend- und Sozialarbeit. Nehlsen ist Politikwissenschaftler, Coach und Dozent in der Jugend- und Erwachsenenbildung und lebt mit seiner Familie in seiner Geburtsstadt Berlin.

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