Kommentar

Julia Klöckner hat recht

Die Präsidentin des Bundestages, Julia Klöckner, erwartet von den Kirchen, dass die sich vor allem um Sinn- und Lebensfragen der Menschen kümmern und weniger um das politische Tagesgeschäft. Dafür bekam sie viel Kritik. Warum? Sie hat doch recht!
Von Jonathan Steinert
Julia Klöckner

Lange waren die Medien nicht so voll von Kirche wie nach diesem Osterfest. Das hatte zwei Gründe. Der eine und offensichtlichste: Papst Franziskus ist am Ostermontag gestorben. Daran kommt kein ernst zu nehmendes Nachrichtenmedium vorbei, schließlich vertritt ein Papst 1,4 Milliarden Katholiken auf der ganzen Welt. Das sind etwa so viele Menschen, wie Indien oder China als bevölkerungsreichste Länder der Erde Einwohner haben. Nur dass ein Papst einem „Volk“ ohne nationale Grenzen vorsteht.

Der zweite Anlass für die Medienpräsenz der Kirche in dieser Woche: Julia Klöckner, die neue Präsidentin des Bundestages, gab der „Bild am Sonntag“ ein Interview. Darin ging es um die Digitalisierung des Parlaments, um den Umgang mit der AfD – und ganz am Ende um ihren Glauben und die Kirche. Wer hätte gedacht, dass es gerade dieses Thema in die Schlagzeilen vieler anderer Medien schaffen würde?

Auf die Frage, warum so viele Menschen aus der Kirche austreten, nannte sie als einen Grund, dass die Kirchen nicht immer die Antworten geben, nach denen Menschen suchten. „Wenn Kirche manchmal zu beliebig wird, oder zu tagesaktuellen Themen Stellungnahmen abgibt wie eine NGO (Nicht-Regierungsorganisation, Anm. der Redaktion) und nicht mehr die grundsätzlichen Fragen von Leben und Tod im Blick hat, dann wird sie leider auch austauschbar.“ Dafür, dass sich die Kirche zum Tempolimit äußere, zahle sie keine Kirchensteuer. „Ich glaube, von Kirche erwartet man sich diese sinnhafte Begleitung, diese Antwort auf Fragen, die ich in meinem Alltag habe, vielleicht auch Trost und Stabilität.“

Der Glaube muss als Triebfeder erkennbar sein

Vielen Christen, denen landeskirchliche Predigten zuweilen zu politisch sind, dürften diese Worte aus dem Herzen sprechen. Vor allem Politiker von Grünen und SPD, aber auch Unions-Kollegen und manche Zeitungskommentatoren kritisierten Klöckner jedoch dafür; Journalisten fragten Kirchenleute, was sie von der Aussage hielten. Als Beobachter wundere ich mich über die Intensität dieser Debatte und das enorme Interesse am politischen Engagement der Kirche. Und darüber, wie Klöckners Worte auf ihre kritische Bemerkung dazu reduziert wurden.

Ganz offensichtlich hat die bekennende Katholikin den Kirchen nicht auch nur ansatzweise den Mund verboten. Sie hat aber mit Recht darauf hingewiesen, dass Kirchen in erster Linie eine andere Aufgabe haben, als die Tagespolitik zu kommentieren – und damit auch ein Alleinstellungsmerkmal gegenüber anderen Organisationen: nämlich den Menschen in ihren Sinn- und Lebensfragen mit der Botschaft Jesu zu begegnen. Dass der Glaube an ihn dann auch ganz praktisch in Politik und Gesellschaft hineinwirkt, steht außer Frage. Denn Christen sind aufgerufen, die Welt mitzugestalten.

Diese Debatte ist vielleicht auch ein Symptom für eine Gesellschaft, die mit Religion nicht mehr viel anfangen kann, wie eine Studie im Auftrag von PRO neulich zeigte. Für ihr gesellschaftliches Engagement wird die Kirche geschätzt – aber ihre Glaubensinhalte soll sie lieber für sich behalten. Daher ist es existenziell für die Kirchen, dass sie den Zusammenhang zwischen Glauben und Handeln klar und deutlich herausstellen. Sonst nützt dem Evangelium auch das größte Medienecho nichts.

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