Jugendschutzgesetz beunruhigt Filmbranche

Die Bundesregierung will Kinder und Jugendliche besser vor Gewaltdarstellungen in den Medien schützen. Laut der geplanten Gesetzesänderung sollen Videospiele oder Filme keine Kennzeichnung bekommen, wenn Gewaltdarstellungen „das Geschehen beherrschen“. Die Filmwirtschaft befürchtet dramatische Auswirkungen.
Von PRO

Ursprünglich sollte das neue Gesetz Kinder und Jugendliche vor gewaltbeherrschten Computerspielen schützen. Zu den „Trägermedien“ gehören aber nicht nur Computerspiele, sondern auch Filme. Wird einem Spiel oder Film die Alterskennzeichnung verweigert, darf man dies nicht mit der Kennzeichnung „keine Jugendfreigabe“ gleichsetzen. Erhält ein Film keine Kennzeichnung der Freiwilligen Selbstkontrolle (FSK), darf er auch nicht beworben werden. Das Werk darf theoretisch zwar öffentlich gezeigt werden, aber jeder Hinweis auf die Vorführung wäre strafbar.

Jugendschutz trifft indirekt auch Erwachsene

Kein Wunder, dass nun Kritik an dem Gesetzesentwurf laut wird. Beispielsweise von der Geschäftsführerin der FSK und der Spitzenorganisation der Filmwirtschaft (Spio), Christiane Wahlert: „Es kann nicht sein“, kritisiert sie, „dass ein Film aus Gründen des Jugendschutzes auch Erwachsenen nicht zugänglich ist. Das ist ein Konstruktionsfehler. So etwas gibt es nur in Deutschland.“

Tatsächlich gilt der deutsche Jugendmedienschutz als schärfste Maßnahme zum Schutz von Kindern in Europa. Bereits jetzt bekommen „jugendgefährdende Trägermedien“ (also Spiele und Filme) keine Freigabekennzeichnung, wenn sie „besonders realistische, grausame und reißerische Darstellungen selbstzweckhafter Gewalt beinhalten“.

Die Spio kritisiert in einer Stellungnahme außerdem, dass mit dem Begriff der Gewaltbeherrschtheit ein „weiterer unbestimmter Rechtsbegriff“ eingeführt werde, der auslegungsbedürftig sei. Dies führe in Zukunft zu erheblicher Rechtsunsicherheit: Ab wie viel Minuten Gewaltdarstellung sei ein Film denn als „gewaltbeherrscht“ einzustufen? Und wo ziehe man die Grenze zwischen Kriegs- und Antikriegsfilm?

Redakteur Tilmann Gangloff erklärt in der Online-Ausgabe der „Frankfurter Rundschau“ die Folgen der Gesetzesänderung für die Filmwirtschaft so: „Faktisch kommt das Verdikt somit einer Zensur gleich. Aus Sicht der Filmwirtschaft bewegt sich die geplante Verschärfung daher in der Nähe zum Verfassungsverstoß. Denn so lange ein Film nicht gegen das Strafgesetzbuch verstößt, also nicht zu Rassenhass aufruft, NS- oder Kriegs-Propaganda betreibt oder zu Straftaten auffordert, ist er nicht verboten.“

Weniger Berichterstattung führt zu weniger Nachahmungstaten

Im gleichen Artikel kritisiert Joachim von Gottberg, Leiter der Freiwilligen Selbstkontrolle Fernsehen (FSF) in Berlin, die Jugendschutzverschärfungen: „Das ist ein untauglicher Versuch am untauglichen Objekt. Für potenzielle Amokläufer ist die Berichterstattung über frühere Taten dieser Art viel relevanter als dargestellte Gewalt.“

Von Gottberg plädiert für andere Maßnahmen: „Die Aussicht auf schlagartige Beachtung ist ein ganz starkes Motiv für Amokläufer. Also sollte man Amokläufe am besten totschweigen.“ Auf anderem Gebiet habe sich die Methode bereits bewährt: In mehreren Großstädten sei die Zahl der U-Bahn-Selbstmorde deutlich zurückgegangen, seit die Medien nicht mehr darüber berichteten.

Der Gesetzentwurf ist Bestandteil des Sofortprogramms zum Schutz von Kindern und Jugendlichen vor gewaltbeherrschten Computerspielen, die das Bundesfamilienministerin und Nordrhein-Westfalen im Februar 2007 gestartet haben (pro berichtete). Die Bundesregierung will die Neufassung des Jugendschutzgesetzes noch vor der Sommerpause verabschieden.

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