In den sozialen Medien braucht es nicht viel, bis Lügen viral gehen. Um den falschen Informationen zu begegnen, möchte der Journalist und Kommunikationsexperte Thilo Baum gegen Unsinn immunisieren. Das Anliegen seines gleichlautenden Buches ist es, Kompetenzen zu vermitteln, wie jeder professionell mit Informationen umgehen kann.
Genau hier sieht Baum das Dilemma. Der Autor findet, dass sich viele Menschen ihre Meinung auf Basis dessen bilden, was sie selbst für korrekt halten oder mutmaßen. Meinungsbildung bleibe aber eine handwerkliche Leistung, auch wenn das die breite Öffentlichkeit nicht wisse. Baum kritisiert auch die Schulen, die den Unterschied von Behauptung und Meinung nicht mehr klar vermittelten.
Dabei sind es für Baum gerade die Falschbehauptungen, die Populisten bei Wahlen in die Karten spielen und Demokratien destabilisieren. „Die Flut an Propaganda lässt sich nicht eindämmen“, sagt Baum. „Wir können nur unsere Abwehrkräfte dagegen stärken.“ Das hat er sich mit seinem Buch auf die Fahnen geschrieben.
Eine Kompetenz, die man lernen kann
Der gelernte Journalist möchte, dass sich Menschen anhand gesicherter Erkenntnisse eine fundierte Meinung bilden. Ihm ist es immens wichtig – und das macht er immer wieder deutlich – dass dies in allen Bildungsschichten wieder eingeübt wird. Das Buch soll ein Leitfaden sein, der verhindert, „sich für dumm verkaufen zu lassen“.
Eine fundierte Meinung ist für Baum nur mit Hilfe zutreffender Informationen möglich. Deswegen erklärt er gleich zu Beginn sehr ausführlich die Unterschiede zwischen Tatsachenbehauptungen und Meinungsäußerungen. Wer etwas behauptet, hat auch die entsprechenden Belege zu bringen. Und er schreibt seinen Lesern ins Stammbuch, nicht alles Gehörte und Gelesene sofort für bare Münze zu nehmen und es entsprechend einzuordnen.
Baums Credo ist es: Wer die Spielregeln von Manipulationen und Denkfehlern beherrscht, kann erkennen, wie jemand manipuliert wird und entsprechend reagieren. Das stärkt aus seiner Sicht die Abwehrkräfte gegen die „Plage der Desinformation“. Es sei nicht intolerant dem anderen zu widersprechen und es gebe auch unsagbare Dinge, die das freie Denken und die Menschlichkeit vergifteten. Viele Wörter wie asozial, entartet und liquidieren stammten aus dem Sprachgebrauch der Nationalsozialisten und seien ein schleichend wirkendes Gift, wenn sie verwendet würden.
Agenda: Diskurs bestimmen und Themen setzen
Dieses Spiel beherrschten Demagogen perfekt: Statt die eigene Ideologie zu loben, beschimpften und diffamierten sie den Gegner. Auch hier brauche jeder ein gesundes Urteilsvermögen. Denn um eine Minderheit zur Mehrheit zu machen, müsse sie den Diskurs bestimmen und Themen setzen. Ein Volk, das seine Entscheidungen auf der Basis von Lügen treffe, ermögliche keine kluge Politik. Auch deswegen sei der Kampf um Meinungshoheit so wichtig.
Zu erkennen, was stimmt und was nicht, wird in unserer Gesellschaft immer wichtiger. Deswegen ist das Buch von Thilo Baum so wertvoll. Am Ende jeden Kapitels kann der Leser bei Quiz-Fragen übrigens selbst einschätzen, wie immun er gegen „Unsinn“ ist.
Klare Empfehlungen des Bürgerrats
Zeitgleich mit der Erscheinung des Buches hat Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) die Empfehlungen eines Bürgerrats angenommen, wie man Desinformation begegnen kann. Das 120-köpfige Gremium empfiehlt unter anderem Transparenz-Vorgaben für soziale Netzwerke, eine klare Trennung von Sachberichterstattung und Meinungsbeiträgen in den Medien und für den Bildungssektor die Vermittlung und Förderung von Medienkompetenz und kritischem Denken.
Die konkreten Empfehlungen sind das Ergebnis von Vorschlägen von mehr als 424.000 Menschen, die sich im Rahmen des Projekts online zu Wort gemeldet haben. Das Bürgergutachten soll nun mit Politik, Medien und Zivilgesellschaft diskutiert werden. Die Bundesregierung will es nach Angaben von Faeser für die Erarbeitung einer Strategie gegen Desinformation nutzen.
Thilo Baum, Immun gegen Unsinn, 240 Seiten, Gabal-Verlag, 19,90 €, ISBN 9783967391985