„Einzig und allein durch das Christentum ist Jerusalem weltweit bekannt geworden.“ Das sagte die Kuratorin der „Welcome to Jerusalem“-Ausstellung, Cilly Kugelmann, am Freitag im Jüdischen Museum in Berlin. Landkarten hätten dabei eine elementare Rolle gespielt. Im Zentrum der Ausstellung zu Jerusalem, die am 11. Dezember beginnt und bis zum 30. April 2019 geöffnet ist, stehen allerdings drei Orte. Diese Orte sorgen auch heute noch für die Heiligkeit der Stadt: die Klagemauer, der Tempelberg und die Grabeskirche. Auf 1.000 Quadratmetern beleuchtet die Ausstellung geschichtliche, theologische und politische Aspekte der Stadt.
Die Bedeutung des Christentums bei der weltweiten Bekanntmachung der Stadt wird in der Ausstellung beispielsweise im Kartenraum unterstrichen. Durch Jesus Christus sei die Stadt in das theologische Zentrum der Welt gerückt, sagte Kugelmann. Das spiegele sich in der Geschichte der Kartographie wider. Dabei konnte das Jüdische Museum auf den Fundus der eigenen großen Sammlung zurückgreifen. Im Raum seien deshalb auch viele frühe, geographisch nicht genaue Karten zu finden, die Jerusalem als Zentrum der Welt darstellen.
„Bindeglied zwischen Himmel und Erde“
Der Direktor des Jüdischen Museums, Peter Schäfer, erklärte, warum die Jerusalem-Ausstellung so elementar für seine Institution ist. Als Jüdisches Museum sei es wichtig, Einsichten und Vorstellungen der jüdischen Religion zu vermitteln. Dabei spiele Jerusalem eine zentrale Rolle. „Der Kult im Tempel war das Bindeglied zwischen Himmel und Erde“, sagte Schäfer. Erst nach der Tempelzerstörung durch die Römer habe sich das Judentum zu einer Buchreligion entwickelt.
Dabei sei es von Interesse gewesen, das Judentum nicht isoliert, sondern im Kontext der drei monotheistischen Weltreligionen zu behandeln. Kein Thema würde sich dafür besser eignen als die Stadt Jerusalem. Auf die Erklärung des amerikanischen Präsidenten Donald Trump angesprochen, der Jerusalem als Israels Hauptstadt anerkannt hatte, betonte Schäfer den Gegenwartsbezug der Ausstellung: „Wir haben den amerikanischen Präsidenten nicht um diese Erklärung gebeten, aber es ist nunmal zusammengefallen.“ Es sei gerade im Interesse der Ausstellung, alle drei Religionen ausgeglichen zu thematisieren. Für aktuelle politische Entwicklungen hängt daher auch am Ausgang eine Pinnwand, auf der neue Artikel zur Stadtentwicklung gesammelt werden.
„Es gab zahlreiche Fettnäpfchen“
Für die Kuratorin Cilly Kugelmann gab es zahlreiche Fettnäpfchen, in welche die Ausstellung hätte treten können. Das habe bereits mit der Problematik begonnen, welche Religion man zuerst nenne. „Das kann bereits als Hierarchisierung begriffen werden“, sagte Kugelmann. In einem der ersten Räume finden sich deshalb alle drei Religionen gemeinsam repräsentiert. Abwechselnd gibt es raumübergreifend auch muslimische, jüdische und christliche Gebete zu hören. Als größte Überraschung der Recherche der Kuratorin zu Jerusalem stellte sich ein simpler Fakt heraus: Dass die Stadt hauptsächlich vom Tourismus lebe, es sei fast die einzige Einnahmequelle.
Bei der Konzeption der Ausstellung wollten die Kuratorinnen keine chronologische Aufstellung. Ein Zentrum sei deshalb die der Stadt zugesprochene und projizierte Heiligkeit. Es gehe um den jüdischen Tempel, der als Wohnort Gottes gedacht war. „Der Islam sattelte dann seine Vorstellung von Heiligkeit darauf, was dann auch das Christentum mit Jesus getan hat“, sagte Kugelmann. Die Stadt sei mit diesen drei Vorstellungen belastet und kontaminiert.
Alle drei Religionen sollen von ihrer Bedeutung her im gleichen Maßstab präsentiert werden. Diese Herausforderung zeigte sich auch an der Auswahlmöglichkeit der Modelle. Vom islamischen Heiligen Bezirk Haram asch-Scharif mit dem Felsendom und der Al Aksa-Moschee habe das Museum eine seltene Leihgabe eines detailgetreuen Modells bekommen. Es sei aber auch bei der weltweiten Suche schwer gewesen, ein maßstabsgetreues Modell der Klagemauer zu finden. Letztlich fanden sie aber ein solches Modell.
Probleme mit Leihgaben
Die Arbeit mit Exponaten und Leihgaben sei schwierig gewesen. Das liege vor allem an der eineinhalbjährigen Laufzeit der Ausstellung. Aus der Not machte die Ausstellung eine Tugend und setzte vermehrt auf mediale Ausstellungsstücke und Videoinstallationen. So gibt es zum Beispiel einen Raum der Konflikte, in dem an den Wänden Originalaufnahmen aus der Zeit vom Ende des Ersten Weltkrieges bis in die heutige Zeit laufen. Die Aufnahmen, etwa wie der israelische Staatsgründer David Ben Gurion aus einem fahrenden Auto der Menge zuwinkt, sollen am Museumsbesucher wie ein Kreislauf vorbeiziehen und symbolisch wirken.
Besonders beeindruckend ist die mediale Installation „Augmented Temple“ (angereicherter Tempel), welche die Besucher mit der Architektur und der Funktion des Herodianischen Tempels in der Antike vertraut macht. Das Modell zeigt die unterschiedlichen Besucherströme. Es gibt einen simulierten Tag- und Nachtrhythmus. Dazu hat der Museumsbesucher die Möglichkeit, durch Ferngläser auf den Tempel zu schauen. Darin sieht er eine digitale Realität der damaligen Zeit, kann das Bild vor- und zurückspulen und erhält dadurch ein lebendiges Gefühl für die Dynamik an hohen Feiertagen wie dem Jom Kippur. Auch die Zutrittshierarchie des Tempels wird dabei ganz beiläufig vermittelt.
Kritik an Jerusalemer Tempelinstitut
Es gibt Räume, die sich mit drei unterschiedlichen jüdischen Perspektiven auf den Tempel auseinandersetzen. Zum einen werden die jüdischen Frauen thematisiert, die um einen Bet-Platz an der Klagemauer kämpfen. Dann werden besonders die ultraorthodoxen Juden thematisiert. Und auch der Tempelbewegung und dem Tempelinstitut in Jerusalem sind Räumlichkeiten gewidmet.
Das Tempelinstitut kritisierte nicht nur Kugelmann, die in dem Versuch, einen dritten Tempel aufzubauen, eine gefährliche Bewegung sieht. In ihren Augen könnte dieses Vorhaben einen Dritten Weltkrieg auslösen. Direktor Schäfer unterstrich die Kritik des Jüdischen Museums am Tempelinstitut. „Sie bauen originale Tempelgegenstände nach, um sich auf die Zeit des dritten Tempels vorzubereiten.“ Letztlich müsste beim Wiederaufbau des Tempels auch der Felsendom zerstört werden, weil er an der Stelle stehe, wo der dritte Tempel gebaut werden müsste.
Die „Welcome to Jerusalem“-Ausstellung läuft vom 11. Dezember 2017 bis 30. April 2019 im Jüdischen Museum in Berlin. Öffnungszeiten sind von 10 bis 20 Uhr. Der Eintritt kostet 8 Euro, ermäßigt 3 Euro.
Von: Michael Müller