Sieben Monate nach ihrer Entführung könnte die Geiselnahme einer sächsischen Familie im Jemen nun zu Ende gehen. Außenminister Guido Westerwelle (FDP) war am Montag zu einem Überraschungsbesuch in den Nahost-Staat gereist. Dort hatte er sich in der Hauptstadt Sanaa mit Staatspräsident Ali Abdullah Salih getroffen. Dieser habe neue Informationen über den Aufenthaltsort der Deutschen. "Wenn dem so sein sollte, ist das eine hoffnungsvolle Nachricht", sagte Westerwelle laut Presseberichten. Bisher seien die Informationen der jemenitischen Regierung aber noch unbestätigt.
Diplomaten sind skeptisch
"Spiegel Online" berichtet, deutsche Diplomaten seien skeptisch, was den Wahrheitsgehalt der Information angehe. Es diene nicht unbedingt der Sicherheit der Geiseln, den Entführern zu signalisieren, dass man ihren Aufenthaltsort kenne. Die Äußerung Salihs hätten wie ein Versuch gewirkt, gute Stimmung zu machen und möglicherweise auch zu signalisieren, dass man sich gegenseitig brauche. In den Gesprächen zwischen Westerwelle und Salih sei es "ziemlich direkt und ungeschminkt zur Sache gegangen", verriet der Außenminister laut "Spiegel Online".
Im Gespräch habe er klar gemacht, dass er nicht an eine militärische Lösung der Problemlage im Jemen glaube. Er sei der Überzeugung, dass nur eine politische Lösung dem Terror den Nährboden entziehen könne. Westerwelle dankte dem Staatspräsidenten weiter für dessen Bemühungen zur Beendigung der Geiselnahme und sprach auch den Mitarbeitern der deutschen Botschaft seine persönliche Anerkennung und Unterstützung aus. Der FDP-Politiker sagte der jemenitischen Regierung Unterstützung im Kampf gegen den Terrorismus von Al-Qaida-Gruppen zu. Der Jemen dürfe "kein Hafen für Terroristen" werden.
Schon am Donnerstag war bekannt geworden, dass die deutschen Geiseln noch am Leben sind. Nach Angaben des Vize-Ministerpräsident für Sicherheit und Verteidigung, Raschad al-Alami, befinden sich die fünfköpfige Familie aus Sachsen und ein gemeinsam mit ihnen verschleppter britischer Ingenieur in der Gewalt der schiitischen Houthi-Rebellen. Sie würden dort gezwungen, verwundete Aufständische zu versorgen. Jürgen Werth, Vorsitzender der Deutschen Evangelischen Allianz, kommentierte die Nachricht: "Sie pflegen jene Menschen, die ihnen Schlimmes angetan haben und durch die Geiselhaft weiter antun. Damit haben sie eine Aufgabe übernommen, die Jesus Christus vorgelebt und seinen Nachfolgern aufgetragen hat: Liebt eure Feinde!"
Jemen – das neue Afghanistan
Die deutsche Familie – der Ingenieur Johannes H., seine Frau Sabina mit ihren drei Kindern Lydia (5), Anna (3) und Simon (1) – und der Brite waren im Juni während eines gemeinsamen Ausfluges mit zwei jungen deutschen Pflegehelferinnen und einer Koreanerin entführt worden. Die beiden jungen Christinnen Rita S. (26) und Anita G. (24) aus Niedersachsen und der Koreanerin Young-Sun I. (34) waren kurz nach der Entführung ermordet worden. Wie die Ermordeten arbeitete auch der Ingenieur Johannes H. im Dschumhuri-Krankenhaus im Norden des Jemen.
Immer wieder rückt der Jemen in den Fokus internationaler Sicherheitsbehörden. Kurz vor Weihnachten war ein Flugzeuganschlag durch den Nigerianer Umar Faruk Abdulmutallab gescheitert. Das Attentat soll vom Jemen aus gesteuert worden sein. Die "Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung" berichtet in ihrer aktuellen Ausgabe von Islamisten aus Deutschland, die sich in einer radikalen Koranschule im Nordwesten des Landes aufhalten sollen. Unter den insgesamt zehn Männern befänden sich auch sechs Konvertiten, die vom christlichen Glauben zum Islam gewechselt seien. (pro)