„Ich bin tief beeindruckt von dem Kraftakt, den unser Land in den vergangenen Wochen vollbracht hat.“ Mit diesen Worten richtete sich Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier in einer Fernsehansprache am Karsamstag an alle Deutschen. Jeder einzelne habe dazu beigetragen, dass Menschenleben gerettet wurden und weiter gerettet werden. Das sei nur möglich gewesen, weil Menschen ihr Leben für andere radikal geändert hätten. Trotz dieses Kraftaktes sei die Gefahr des Virus aber noch nicht gebannt.
Es ist das erste Mal, dass ein Bundespräsident in dieser Form auf ein aktuelles Ereignis eingeht. Das Staatsoberhaupt hält solche Ansprachen an die Nation normalerweise nur an Weihnachten.
„Ja, wir sind verwundbar“, sagte Steinmeier in der Ansprache, die am Samstagabend in der ARD und im ZDF im Anschluss an die jeweiligen Hauptnachrichten ausgestrahlt wird. Die Pandemie führe das jedem vor Augen. Umso wichtiger sei nun, dass der Staat „jetzt kraftvoll handelt“. Weiterhin bat er, den Regierenden zu vertrauen und deren Anweisungen zu folgen. „Ausgerechnet an Ostern, dem Fest der Auferstehung, wenn Christen weltweit den Sieg des Lebens über den Tod feiern, müssen wir uns einschränken, damit Krankheit und Tod nicht über das Leben siegen.“
Krise als Wegscheide
Wie lange die Einschränkungen fortbestehen, liege in der Hand aller, so Steinmeier. Dafür sei aber weiterhin Geduld und Disziplin gefragt, auch wenn es mittlerweile jedem schwerer falle. Mut mache ihm, dass dafür keine „eiserne Hand“ notwendig sei. Deutschland sei eine lebendige Demokratie, in der sich verantwortungsbewusste Bürger für jedes Leben einsetzen und in der es auf jeden ankomme. „Diese Solidarität brauchen wir in Zukunft mehr“, sagte Steinmeier.
Weiterhin sieht Steinmeier die Bundesrepublik an einer Wegscheide. In der Krise zeigten sich beide Richtungen, die Deutschland nehmen könne: „Entweder jeder für sich, Ellbogen raus, hamstern und die eigenen Schäfchen ins Trockene bringen. Oder bleibt das neu erwachte Engagement für den anderen und für die Gesellschaft?“ Steinmeier fragte rhetorisch, ob man nach der Krise weiterhin dem Paketboten oder der Kassiererin seine Wertschätzung schenke oder ob man sich noch daran erinnere, was „unverzichtbare Arbeit“ wert ist. Nach der Krise werde Deutschland eine andere Gesellschaft sein. Er wünsche sich aber keine ängstliche, sondern vielmehr eine Gesellschaft mit mehr Vertrauen, Rücksicht und Zuversicht.
International müsse man sich die Frage stellen, ob man mehr Abschottung und Alleingänge möchte oder gemeinsame Wege suche. Gerade die Europäer seien zu gemeinsamer Solidarität verpflichtet, so das deutsche Staatsoberhaupt.
„Pandemie ist kein Krieg“
Steinmeier widersprach in der Fernsehansprache vielen internationlen Staatenlenkern, die die Corona-Pandemie als Krieg bezeichnen. Vielmehr sei sie „eine Prüfung für die Menschlichkeit“. Sie könne das Beste, aber auch das Schlechteste in den Menschen hervorrufen. „Zeigen wir einander doch das Beste in uns.“
Seine Ansprache schloss der Bundespräsident mit den Worten: „Frohe Ostern, alles Gute – und geben wir acht aufeinander!“
Von: Martin Schlorke