Je näher an Jesus, desto besser

Beim Brettspiel „Ierusalem: Anno Domini“ müssen die Spieler versuchen, einen Platz beim Letzten Abendmahl zu ergattern. Je näher man dabei an Jesus sitzt, desto mehr Punkte gibt es. Die Regeln sind nicht gerade einfach, aber dann macht es auch Spaß.
Von Jörn Schumacher
Im Brettspiel „Ierusalem: Anno Domini“ müssen die Spieler versuchen, einen Platz beim Letzten Abendmahl zu ergattern.

„Das Charisma Jesu könnte natürlich den gesamten Raum füllen“, heißt es in der Spielanleitung, „doch für die Zwecke dieses Spiels erstreckt es sich nur auf die mittleren 4 Sitzplätze.“ Jeder Jünger, der in Jesu Nähe sitzt, bekommt Punkte. Je näher, desto besser. Das ist zusammengefasst das Spielprinzip von „Ierusalem: Anno Domini“, das beim deutschen Verlag Strohmann Games erschienen ist. Übrigens: Wer neben Judas sitzt, bekommt Punkte abgezogen.

Allerdings ist dieses Brettspiel in Wahrheit sehr viel komplizierter. Der Spieler wird zu Beginn überhäuft mit Spielkarten, Figuren, Sonderfiguren, Zählsteinen und Sonderzählsteinen. Je nachdem, wie viele Spieler mitspielen, gibt es noch einmal besondere Spielregeln. Da kann allein der erste Aufbau schon einmal eine Stunde dauern. Hat man sich dann aber durch die 27 Seiten Spielanleitung gearbeitet und erst einmal angefangen zu spielen, macht es irgendwann sogar Spaß.

Bis dahin muss der Spieler aber intellektuelles Durchhaltevermögen beweisen. Für die Aufstellung benötigen wir Erleuchtungsplättchen, Ortsymbolplättchen, Gleichnisplättchen, Gefallensplättchen, Sanhedrin-Urteilsplättchen und, Achtung: einen Gefallensleistenmarker. Dazu noch fünf verschiedene Stapel mit Karten. Ganz zu schweigen von den Holzfiguren: Punktezähler, Brote, Steine, Fische, Sanhedrin-Marker, Apostel, Jünger und so weiter. Wer möchte, kann die 160 Holz-Figuren mit kleinen Aufklebern versehen, die mitgeliefert sind. Das ist für das Spielgeschehen nicht notwendig, sieht aber schöner aus. Kurz: für den ersten Aufbau sollte man etwas mehr Zeit einplanen, und man braucht einen großen Tisch!

Das Letzte Abendmahl kostet Eintritt

Wir schreiben das Jahr 33 nach Christus, und Jesus ist bereits im ganzen Land bekannt. „In seinen Worten liegt die Kraft eines Menschen ohne Angst“, heißt es in der Anleitung, „eines Menschen mit Autorität, eines Menschen, der die Wahrheit spricht.“ In Jerusalem hat Jesus einen Raum arrangieren lassen, in dem er zum letzten Mal vor seinem Tod mit seinen Jüngern zu Abend essen möchte.

Wer am Ende näher an Jesus sitzt, bekommt mehr Punkte (PRO/Jörn Schumacher)

Bei diesem Letzten Abendmahl sind natürlich die 12 Apostel zugegen sowie zahlreiche Jünger. Sowohl die Jünger der eigenen Farbe als auch die neutralen 12 Apostel müssen die Spieler nach und nach in den Raum mit dem Abendmahl stellen. Das gibt Punkte – in absteigender Reihenfolge gemäß des Abstandes von Jesus. Es gibt noch viele andere Möglichkeiten, zu punkten, aber die können hier nicht alle erklärt werden.

Das Spiel hält sich treu an die Evangelientexte. Allenfalls manche Begriffsverwendungen verwirren etwas. Wieso tragen die Gleichnisse lateinische Namen („I. Bonum Ssamaritanus“, „II. Seminator“, „III. Thesauro Abscondito“…)? Stand die Autorin vielleicht unter katholischem Einfluss? Die Autorin des Spiels heißt Carmen G. Jimnénez, und ihr Spiel erschien im Original beim spanischen Verlag „Devir Contenidos“. Die Spielkarte für den Markt heißt schlicht „Mahane-Karte“. Die Erklärung dieses Namens ist aber falsch: „Mahane ist der Name des größten Marktes in Jerusalem“, so die Anleitung, dabei ist der korrekte Name „Mahane Jehuda“, und das Wort Mahane hat nichts mit einem Markt zu tun, sondern stand für einen israelitischen Stamm.

Das Spielprinzip erinnert entfernt an Monopoly, nur dass es hier keine Straßen, sondern Sitzplätze beim Abendmahl gibt, um die gefeilscht und gekämpft wird. Die Bank heißt hier „allgemeiner Vorrat“, ein Haufen Geld liegt darin aber genau so. Die Teilnahme am Abendmahl kostet Eintritt, und versetzt man einen Apostel an den Tisch mit Jesus, bedankt der sich mit einer Gegenleistung, die den Spieler voranbringt.

Anfängliche Komplexität weicht dem Spielfluss

Ob es Jesus gefallen hätte, dass es so kapitalistisch zugeht bei seinem letzten Treffen mit Freunden? Ohne Denare und die Wertstoffe geht hier jedenfalls nichts. Übrigens: Dass es in der Wüste Steine gibt und im See Fische, ist ja noch nachvollziehbar, aber warum gibt es die Brote auf dem Berg? Sehr viel über die Bibel oder den Glauben lernen die Spieler hier nicht. Immerhin ist das Anleitungsbuch mit vielen Bibelversen versehen, die das Geschehen und die Regeln in den biblischen Kontext setzen.

Dass die Spieler in die Rolle der Menschen aus den Dörfern und Städten schlüpfen, die Jesus möglichst nahe sein wollen, ist ein schöner Einfall. Und auch wenn die Erzeugnisse der Malerei über die Jahrhunderte hinweg das Abendmahl fast immer nur mit den 12 Aposteln dargestellt haben, klärt die Anleitung auf: „Die Evangelisten berichten, dass beim letzten Abendmahl außer Jesus und seinen Aposteln zahlreiche weitere Menschen anwesend waren. Man geht davon aus, dass einige von ihnen mit im selben Raum waren und die übrigens um das Haus verteilt.“

Die Spielzüge sind am Anfang recht kompliziert und bestehen aus mehreren Aktionen, die hintereinander ausgeführt werden müssen. Hat man sich damit aber erst einmal angefreundet, gerät das Spiel immer mehr in den Fluss, und die Jagd um den besten Platz beim Abendmahl macht immer mehr Spaß.

Das Spiel ist bei Strohmann Games erschienen (PRO/Jörn Schumacher)

„Ierusalem: Anno Domini“, Brettspiel für 1 bis 4 Spieler, ab 12 Jahre, Verlag: „Strohmann Games“, 59,90 Euro.

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