Patrick Sookdheo, der Gründer und Internationale Direktor der weltweit agierenden christlichen Nichtregierungsorganisation (NGO) „Barnabas Fund“, hat ein bedeutendes Werk verfasst. Viele Menschen denken, sofern sie sich für das Christentum interessieren, beim Wort „Christenverfolgung“ an die Antike, an Kaiser Nero, Diokletian und christliche Märtyrer in der Arena. Das ist nicht falsch, aber unzureichend. Christenverfolgungen gibt es leider bis heute in gewaltigem Ausmaß. Die NGO „Open Doors“ schätzt die Zahl der verfolgten Christen auf circa 200 Millionen. Die ersten drei Plätze im Ranking der Verfolgerstaaten belegen Nordkorea, Afghanistan und Somalia.
Sookdheo bietet einen ausgezeichnet recherchierten Gang durch die Geschichte der Verfolgung, von Jesus bis zur Gegenwart. Die ungeheure Masse des Quellenmaterials stellte den Autor vor das schwierige Problem der Auswahl. Sookdheo löst es leserfreundlich übersichtlich, indem er zunächst die Verfolgungen bis zum Ende des ersten Jahrtausends beschreibt, wobei der Islam in einem gesonderten Kapitel untersucht wird. Das ist insofern gerechtfertigt, da bis heute die meisten Verfolgerstaaten aus dem islamischen Kulturkreis kommen. Exemplarisch werden dann Länder und Regionen beleuchtet: China, Japan, Korea und der südasiatische Raum. Im Abschnitt über das „lange zwanzigste Jahrhundert“ (S. 153ff.) erwähnt er zu Recht den türkisch-nationalistisch aufgeladenen Genozid an den Armeniern 1915, aber auch die weniger bekannten Attacken auf Assyrer und Griechen.
Hilfreich ist seine Analyse der „Haupttriebkräfte“ der Christenverfolgungen, die von „sieben großen Ideologien“ ausgehe: Kommunismus, Maoismus, Faschismus, „Hindutva“ (hinduistischer Nationalismus), Buddhistischer Nationalismus, Islamismus und säkularer Humanismus. Diese Aneinanderreihung unterschiedlicher ideologischer Orientierungen wird gewiss Protest und Kritik hervorrufen. Über Definitionen, Details und Zuordnungen kann ja auch weidlich gestritten werden. Humanisten hierzulande könnten empört sein, sich als Christenverfolger etikettiert zu sehen. Doch muss bedacht werden, dass Sookdheo Beispiele hierfür aus seiner englischen Heimat zitiert, wo Gesetze, wie zum Beispiel der „Public Order Act“, sogenannte „hate speech“ zu verhindern sucht. Was „hate speech“ ist, wird häufig sehr willkürlich und einseitig zulasten von Christen ausgelegt, sodass Meinungsfreiheit und Religionsfreiheit bedroht sind.
Auch dunkle Kapitel der christlichen Geschichte im Blick
Sookdheo vergisst nicht, ein für die Christen selbst schmachvolles Kapitel anzusprechen: „Als Christen zu Verfolgern wurden“ (S. 63ff.). Christen haben sich untereinander in den ersten Jahrhunderten der Kirche erbittert gestritten und einander verfolgt (zum Beispiel Athanasius versus Arianus), ganz zu schweigen von der Verfolgung von Nichtchristen, vor allem den Juden. Das ist ein ganz trübes Kapitel der Christentumsgeschichte.
Alles in allem ein höchst informatives, lesenswertes Buch, das gerade die Verantwortlichen in der Politik zur Kenntnis nehmen sollten, denn das Leiden von Christen weltweit dauert an und kommt in der medialen Öffentlichkeit selten vor.
Dr. Johannes Kandel ist Historiker und Politikwissenschaftler. Von 1976 bis 2014 war er bei der Friedrich-Ebert-Stiftung Dozent und Akademiedirektor im Bereich Politische Erwachsenenbildung.