Was dabei herauskam, war zwiespältig. Einerseits: Istanbul präsentiert sich gerne als weltoffene, tolerante Metropole, bietet Touristen das Bild einer Stadt, in der jeder willkommen ist. Das mag für den Urlaub gelten – für türkische Christen, die in Istanbul leben und arbeiten, aber nicht. Das zeigte die Reporterin eindrücklich, indem sie Pastoren von Gemeinden oder Christen befragte. Ein türkischer Pfarrer etwa konnte nur unter Personenschutz auf die Straße, die Kirche wird massiv bewacht, überall sind Überwachungskameras angebracht. Ein Christ erzählte der RTL-Reporterin, dass er seinen Glauben niemals offen leben könne: "Wenn ich hier auf die Straße gehen und sagen würde, dass ich Christ bin, würden die mich vielleicht umbringen."
Und auch dieser Fakt wurde genannt: Von den etwa 250 Kirchen in der Türkei wurden rund 200 von den Behörden zu Museen oder Moscheen umgebaut – in lediglich 50 Kirchen dürfen türkische Christen ihre Gottesdienste feiern. Und das auch nur unter Bewachung – und Überwachung.
Zwiespältig ist die Reportage jedoch aus einem anderen Grund. Der aktuelle "Aufhänger", der Volksentscheid der Schweizer zum Minarettbau in ihrem Land, wurde unmittelbar mit der Situation der Christen in der Türkei verknüpft. Ein evangelischer Pfarrer, der in Istanbul eine Gemeinde betreut, bedauerte etwa die Schweizer Entscheidung. Es werde nun für die Christen in der Türkei noch schwerer, ihren Glauben öffentlich zu leben. Und so lautete das Fazit der Reporterin prägnant: "Dass die Schweizer auch über die Religionsfreiheit von Christen in der Türkei abgestimmt haben, war ihnen offenbar nicht bewusst."
Das aber ist ein Denkfehler: Nicht die Schweizer oder andere westliche Staaten bestimmen über die Religionsfreiheit in islamisch geprägten Ländern, sondern die dort geltenden Vorschriften der muslimisch-geistlichen Führerschaft. Es ist nicht so, dass durch einen Volksentscheid gegen Minarette die Religionsfreiheit von Christen etwa in der Türkei eingeschränkt würde – denn die Freiheit, den eigenen Glauben unabhängig zu leben, war Christen selbst in der "weltoffenen" Bosporusmetropole auch vor dem Schweizer Votum nicht möglich. (pro)