Für die Freilassung von hunderten Terroristen soll Israel die knapp 100 Verschleppten aus dem Gazastreifen zurückerhalten. Das ist eine Komponente des Geiseldeals, den westliche Politiker am Mittwoch und Donnerstag als „diplomatischen Erfolg“ feierten. Noch am Donnerstagnachmittag war aber noch nicht klar, ob er überhaupt zustande kommt.
Am Vormittag um 11 Uhr Ortszeit sollte das Kabinett in Jerusalem zusammenkommen und den Deal bestätigen. Dessen Details waren Tage zuvor bereits bekanntgeworden. Das Votum zögerte sich allerdings hinaus. Laut Regierungsamt versuchte die Terror-Organisation Hamas bis zuletzt, Änderungen unterzubringen. Unterrichtete Journalisten meldeten, dass es bei den Streitpunkten darum gehe, welche der Terroristen freikommen sollen.
Smotritsch: Armee muss weiter kämpfen
Unstimmigkeit gibt es weiterhin auch innerhalb der israelischen Regierung. Finanzminister Bezalel Smotritsch (Religiöser Zionismus) betrachtet den Deal mit Skepsis. Er forderte am Donnerstag die Garantie, dass Israel weiter militärisch gegen die Hamas vorgehen kann. Sicherheitsminister Itamar Ben-Gvir (Jüdische Stärke), ein Gegner des Deals, hatte ihn bereits am Dienstag dazu aufgerufen, aus Protest die Regierungsbeteiligung zu beenden.
Die Bestimmungen des Deals rief auch Proteste bei einigen Israelis hervor. Am Donnerstag marschierten hunderte Demonstranten in Jerusalem zum Regierungsamt und zur Knesset. Zu ihnen gehörten Angehörige von gefallenen Soldaten. Aus ihrer Sicht ergibt sich Israel der Hamas. Der Deal verletze die Ehre des jüdischen Volkes und schwäche es.
Staatspräsident Jizchak Herzog rief indes die Regierung auf, dem Deal zuzustimmen und „unsere Söhne und Töchter heimzubringen“. „Es gibt keinen höheren jüdischen Wert, als die Gefangenen nach Hause zu bringen.“
Palästinenser bejubeln ihre Terroristen
Im Westjordanland gingen indes bereits am Mittwochabend zahlreiche Palästinenser auf die Straßen und feierten den Deal. Dabei kündigten sie weitere Terroraktionen gegen Israel an: „Wir werden nach Jerusalem gehen, und Millionen von Märtyrern opfern.“
Im Gazastreifen waren ebenfalls Jubelszenen zu beobachten. Kinder priesen dabei den Terroristen Mohammed Deif, den Israel am 13. Juli getötet hatte. Die Kinder skandierten, sie seien dessen Anhänger. Zudem schwärmten sie von den Kassam-Brigaden, den Kampfverbänden der Hamas.
Hamas: Befreiung Jerusalems bleibt unser Kompass
Der Hamas-Vertreter in Katar, Chalil al-Haja, sprach infolge des Deals von einem „Sieg“. In einer Ansprache an die Palästinenser betonte er am Mittwoch, das Terrormassaker – die Terroristen sprechen von der „Al-Aqsa-Flut“ – sei eine Quelle des Stolzes und ein Meilenstein in den Jahrzehnten des Dschihad.
Der Angriff sei dem Feind unter die Haut gegangen „und wird, so Allah will, alle unsere Rechte wiederherstellen“, fuhr er fort. Mit diesen Worten ist in der Regel die Zerstörung Israels gemeint. „Die Befreiung Jerusalems bleibt unser Kompass“, schloss er die Rede.
Baerbock: Erster Schritt für politischen Prozess
Die meisten Politiker der Weltgemeinschaft sehen mit dem Deal indes den Weg zum Frieden eingeschlagen. Die deutsche Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne) sprach angesichts der Aussicht auf die Geiselfreilassung von einem „Tag der Erleichterung“. Der Waffenstillstand könne „der erste Schritt für einen echten politischen Prozess sein“. Dabei sei die „Zwei-Staaten-Lösung“ die „einzige Lösung, die Palästinensern wie Israelis ein Leben in Frieden, Sicherheit und Würde ermöglicht“.
US-Präsident Joe Biden (Demokraten) und der gewählte Präsident Donald Trump (Republikaner) reklamierten den Deal jeweils für sich. Biden teilte mit, dass „seine Diplomatie“ zum Erfolg geführt habe. Trump meinte hingegen, dieser „epische Deal“ wäre ohne seinen „historischen Sieg“ bei der Präsidentschaftswahl im November nicht möglich gewesen.
Die Wahrheit liegt wohl wie so oft in der Mitte. Die Bestimmungen des Deals ähneln stark dem Vorschlag, den Biden bereits im Frühsommer unterbreitet hatte. Ungenannte Vertreter der US-Regierung sagten aber der Nachrichtenseite „Axios“, dass der Druck von Trump für die Beteiligten den letzten nötigen Anreiz geliefert habe. Die Teams der beiden Politiker hatten sich zuletzt zusammengetan, um bei den Verhandlungen zu vermitteln. Ein wichtiger Faktor für die Beteiligten sei dabei gewesen, dass auch die kommende US-Regierung den Deal grundsätzlich unterstütze.
Von: Israelnetz