Fast 14 Prozent der 14- bis 17-Jährigen in Europa weisen ein problematisches Internetverhalten auf oder sind abhängig. Das erklärten Experten am Donnerstag in Berlin bei der Vorstellung der Studie "EU NET ADB". Tatsächlich süchtig seien davon 1,2 Prozent. Männliche Jugendliche seien etwas häufiger betroffen als weibliche. Knapp ein Prozent der Deutschen zwischen 14 und 17 Jahren zeigt Anzeichen einer Abhängigkeit. Rund zehn Prozent sind gefährdet. Island ist von den untersuchten Ländern das, in dem die wenigsten Jugendlichen süchtig sind, gefolgt von Deutschland. Spanien, Rumänien und Polen führen das Ranking an. "Internetsucht unter Jugendlichen in Europa ist kein seltenes Phänomen", erklärte Kai Müller von der Klinik und Poliklinik für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie. Für eine psychische Störung seien 1,2 Prozent Betroffene recht viel. Die Zahlen seien etwa vergleichbar mit der Häufigkeit von Essstörungen.
Die Studie "EU NET ADB" ist ein zweijähriges EU-Projekt, an dem auch die Landeszentrale für Medien und Kommunikation Rheinland-Pfalz und die Ambulanz für Spielsucht der Klinik und Poliklinik für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie der Universitätsmedizin Mainz mitgearbeitet haben. Dazu wurden 13.248 Schüler zwischen 14 und 17 Jahren in Island, Polen, Rumänien, Griechenland, Spanien, Deutschland und den Niederlanden befragt. In der Bundesrepublik erhoben die Forscher Daten von 2.000 Jugendlichen. Diejenigen, die ein Suchtverhalten aufwiesen, wurden nochmals ausführlich befragt.
Gefahr: Soziale Netzwerke und Spiele
Unter Internetsucht verstehen Experten die krankhafte und unkontrollierte Nutzung des Netzes, wie Klaus Wölfling, psychologischer Leiter der Ambulanz für Spielesucht in Mainz, erklärte. Wer süchtig ist, versuche das Internet zu nutzen, um negative Gefühle zu verdrängen, und verliere das Interesse an seiner Umwelt. Formen dieser Sucht könnten sich in der übermäßigen Nutzung von Internet-Pornografie, einer Online-Computerspiel- oder Glücksspielsucht zeigen, aber auch in der exzessiven Nutzung von Sozialen Netzwerken oder generellem Surfen. Unter problematischem Internetverhalten verstehen die Forscher die Vorstufe der Sucht. Betroffene zeigen bereits Ansätze eines Suchtverhaltens, gelten aber nicht als abhängig.
Suchtverhalten zeigt sich laut Studie insbesondere bei Nutzern von Sozialen Netzwerken und Online-Computerspielen. Jugendliche mit Computerspielsucht kommen demnach häufiger aus Scheidungsfamilien, weisen starke Defizite in sozialer Kompetenz oder akademischer Leistung auf und haben ein eingeschränkteres Freizeitverhalten. Sie sind oft ängstlich, depressiv oder aggressiv. Vereinsamung und sogar körperliche Beschwerden können die Folge einer Sucht sein.
Müller erklärte: "Computerspielsucht gilt als häufigste Ausprägung der Internetsucht." Insbesondere die tägliche Nutzung von Online-Spielen und Sozialen Netzwerken fördere eine Abhängigkeit. Besonders gefährdet seien Jugendliche ab 15 Jahren, deren Eltern einen mittleren oder niedrigen Bildungsgrad aufweisen. Computerspielsüchtig seien in Europa 1,6 Prozent der Befragten, weitere fünf Prozent seien gefährdet. Hier sind eher Männer als Frauen betroffen. Deutschland liegt hier im europäischen Vergleich auf Platz drei. Shooter und Rollenspiele machen am ehesten süchtig. In einer Sache waren sich die Forscher zudem sicher: Eine hohe Internetnutzung ist nicht per se problematisch. Gerade in Entwicklungsphasen können Jugendliche aber in Suchtprobleme hineinrutschen. (pro)