Aus Sicht des Jenaer Psychologen Wolfgang Frindte, der die Studie begleitet hat, deckten sich diese Zahlen mit denen anderer Studien. Auch bei Deutschen gebe es einen ähnlich hohen Anteil an fremdenfeindlichen oder anti-islamischen Einstellungen. Beziehe man die Eltern- und Großeltern-Generationen ein, zeige sich, dass der Anteil radikaler Einstellungen sinke und sich die Muslime deutlich vom islamistischen Terrorismus distanzierten.
Herkunftskultur bewahren, Mehrheitskultur übernehmen
Die Mehrzahl der jungen Muslime hierzulande sei bemüht, sich zu integrieren, erklärte Frindte gegenüber der Nachrichtenagentur dpa. Sie wollten zwar ihre Herkunftskultur bewahren, gleichzeitig aber auch die deutsche Mehrheitskultur übernehmen. Die Bereitschaft zur Integration sei bei nichtdeutschen Muslimen aber weitaus geringer.
Während 78 Prozent der deutschen Muslime Integration mehr oder weniger befürworteten, seien es in der Gruppe ohne deutschen Pass nur etwa 52 Prozent. Im Vergleich zu deutschen Altersgenossen gebe es bei den befragten Muslimen stärkere Vorurteile gegenüber dem Westen, mehr Distanz zur Demokratie und eine höhere Akzeptanz von "Gewalt als Mittel zur Verteidigung der islamischen Welt gegen die Bedrohung durch den Westen".
Ein positives Selbstverständnis
Frindte betonte gegenüber dpa, dass Integration immer ein wechselseitiger Prozess sei. Die Studie zeige, dass sich viele Muslime angesichts eines negativen Islam-Bildes vieler Deutscher diskriminiert fühlten. Statt nur Anpassung zu fordern, müsse den jungen Muslimen zugestanden werden, die deutsche Lebenswelt mit ihrer Herkunftskultur zu verknüpfen. So könne ein positives Selbstverständnis als Deutschtürke oder deutscher Muslim entstehen. Zudem müssten die Möglichkeit politischer Teilhabe bestehen und auch die Bildungschancen verbessert werden.
"Deutschland achtet die Herkunft und kulturelle Identität seiner Zuwanderer. Aber wir akzeptieren nicht den Import autoritärer, antidemokratischer und religiös-fanatischer Ansichten", äußerte sich Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich (CSU) gegenüber der "Bild"-Zeitung zu der Studie. Wer Freiheit und Demokratie bekämpfe, "wird hier keine Zukunft haben". Bei der Vorstellung am heutigen Donnerstag sagte er: "Das Gesamtbild sagt, die Muslime in Deutschland lehnen Terrorismus kategorisch ab." Zudem gebe es die Muslime als Kategorie eigentlich nicht. "Das ist eine ganz vielschichtige Gruppierung."
Religiöses Bekenntnis vielfach "leere Hülle"
Kritik an der Untersuchung gab es vom FDP-Integrationsexperten Serkan Tören: "Ich muss mich schon wundern, dass das Bundesinnenministerium erneut Steuergelder darauf verwendet, eine Studie zu finanzieren, die Schlagzeilen produziert, aber keinerlei Erkenntnisse", sagte der Liberale der "Neuen Osnabrücker Zeitung". Auch gehe es bei jungen Gewalttätern um "soziale Fragen und nicht um religiöse". Das religiöse Bekenntnis sei vielfach "eine leere Hülle", die auch mit "Provokation und kultureller Abgrenzung" zu tun habe.
Nach Angaben des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge bekennen sich in Deutschland schätzungsweise vier Millionen Menschen zum Islam, von denen die Hälfte die deutsche Staatsbürgerschaft besitzt. Für die Studie "Lebenswelten junger Muslime in Deutschland", wurden diverse Familieninterviews geführt und 700 junge deutsche und nichtdeutsche Muslime telefonisch befragt. Zudem wurden 692 Fernsehbeiträge aus Nachrichtensendungen analysiert. (pro/dpa)