Insekten in der Bibel: Sind Würmer, Heuschrecken und Co. für Christen tabu?

Die EU erlaubt Insekten in Lebensmitteln. Nach Würmern und Heuschrecken dürfen nun auch Hausgrillen und Larven im Essen verarbeitet werden. Wird das ein Problem für Christen?
Von Johannes Blöcher-Weil
Speiseinsekten auf einem thailändischen Marktstand

„Lidl verkauft Insekten-Essen“, twitterte ein Ire vergangene Woche, versehen mit einem Foto aus dem Kühlregal. Darin liegen Essens-Boxen mit der Aufschrift „Soya & Insect Patties“, also Burgerfleisch aus Soja und Insekten. Auf dem Karton sind auch weiße Maden zu sehen.

In Deutschland gibt es den Hackfleischersatz aus Gewürm noch nicht in großen Lebensmittelhändlern. Trotzdem sagen viele Beobachter den Insekten eine große Zukunft voraus – nämlich auf dem Teller. Ein wichtiger Grund: Ihre Produktion verursacht wesentlich weniger klimaschädliche Gase als die Fleischproduktion von Rind, Schwein und Huhn.

Laut Ökotest verursacht ein Rind pro Kilogramm Körpergewicht fast 15 Kilogramm Kohlenstoffdioxid, während es bei Insekten nur 0,15 Kilogramm sind.

Sind diese Nahrungsmittel wirklich der nächste Schritt in Sachen Nachhaltigkeit? Handelt es sich um die neuen Proteinquellen, die die Industrie leicht in großen Mengen herstellen kann? Seit die EU erlaubt hat, Insekten in Lebensmitteln zu verwenden, hat eine Debatte über die Nahrhaftigkeit und Nachhaltigkeit dieser Speisen begonnen. Auch Christen beschäftigt das Thema.

Denn neben der Frage, ob sich Westeuropäer überhaupt überwinden können, Tierchen zu essen, die sie sonst mit der Fliegenklatsche erschlagen würden, gibt es auch biblisch-theologische Aspekte: Insekten sollen laut Altem Testament nicht verzehrt werden. Gilt das auch für Christen? Oder könnten sie guten Gewissens für das nächste Salatbuffett der Gemeinde einen zünftigen Madencocktail mitbringen?

PRO hat darüber mit zwei Theologen gesprochen.

Walter Hilbrands, Alttestamentler an der Freien Theologischen Hochschule Gießen, erklärt dazu, dass das Alte Testament zwischen reinen und unreinen Tieren unterscheidet. Von den Landtieren seien alle rein, die gespaltene Hufe haben und die zugleich Wiederkäuer sind. „Reine Wassertiere sind die, die Schuppen und auch Flossen haben.“

Komplizierter werde es bei den fliegenden Tieren. Das Alte Testament behandele Vögel, fliegende Säugetiere und Insekten in einem Absatz. Bestimmte Vögel gelten als rein, andere als unrein. Laut 3. Mose 11 gelten Insekten als unrein, falls sie nicht Flügel und zwei Sprungbeine haben. Heuschrecken würden explizit als essbar gekennzeichnet. Das passt zu dem Bericht über Johannes den Täufer, der laut Matthäus 3,4 von Heuschrecken und wildem Honig lebte.

„Für Gläubige im Neuen Bund keine Speisegebote“

Gelten diese Speisevorschriften auch noch für Christen heutzutage? Für Titus Vogt, Ethikdozent am Martin-Bucers-Seminar, ist die Sache in der Theologie klar: „Dort gibt es einen sehr großen, grundsätzlichen Konsens, dass es für die Gläubigen im Neuen Bund keine Speisegebote mehr gibt“, verdeutlicht er. Lediglich klassische Adventisten und einige jüdisch-messianische Theologen verträten die Position, dass die Gebote noch heute normativ seien.

Dass die Speisegebote aufgehoben sind, ist für Vogt durch das Neue Testament sehr gut begründet. Einige wenige Christen würden die Übertretung zwar nicht direkt als Sünde bezeichnen, führten aber gesundheitliche sowie medizinische Gründe für die Einhaltung an. „In allen Fragen, in denen Christen Entscheidungsfreiheit haben, gilt es weise zu handeln.“

Warum aber sind bestimmte Lebensmittel im Alten Testament explizit verboten? Aus Sicht von Hilbrands würden für die Speisevorschriften in der Bibel „keine direkten Gründe genannt“. Für ihn liege der tiefste Grund darin, dass sich in Israels Lebensstil etwas von Gottes Heiligkeit widerspiegeln soll. Das auserwählte Volk solle seine Nahrung unterscheiden lernen und dadurch im Alltagsleben an Gottes Heiligkeit erinnert werden, erklärt er.

„Christen sollen nicht zum Anstoß für andere werden“

Vogt stellt nicht infrage, dass ein zu häufiger Genuss von Schweinefleisch der Gesundheit schaden kann. Dies gelte aber auch für Schokolade und Honig: „Details, welche Nahrung gesundheitlich weise ist oder nicht, erfahren wir nicht aus biblischen Texten.“ Dafür müsse man sich ganz generell mit gesunder Ernährung, Tierhaltung, den damit verbundenen ökologischen Fragen und vielem anderen auseinandersetzen: „Am Ende gibt es keine eindeutige und pauschale Antwort, sondern oft nur eine mehr oder weniger weise Entscheidung.“

Hillbrands pflichtet bei, dass Jesus laut Markus 7,19 alle Speisen für rein erklärt habe, die Apostel hätten damit übereingestimmt und die Speisevorschriften aufgehoben. Petrus habe für die Heidenmission eine göttliche Vision mit unreinen Tieren erhalten, die er essen soll. „Dies soll veranschaulichen, dass die Abgrenzung zu den Heiden aufgehoben ist“, erklärt Hilbrands, und verweist auf Apostelgeschichte 10,10-16.

Für die Übergangszeit hätten sich die Apostel auf den Kompromiss geeinigt, dass Heidenchristen auf den Verzehr von Blut und Ersticktem verzichten sollen. Heidenchristen dürfen sogar Fleisch essen, das den heidnischen Göttern geweiht ist: „Andererseits gilt auch für Christen die Aufforderung der Rücksichtnahme. Die neue Freiheit soll nicht zum Anlass genommen werden, in geistlicher Hinsicht zum Anstoß für den anderen zu werden.“

Und wie sieht es mit Insekten aus? Hilbrands: „Die Öffnung zu den Heiden führt zwangsläufig zur Aufhebung der Speiseverbote. Der Verzehr von Insekten ist aus gesamtbiblischer Perspektive grundsätzlich nicht verwerflich.“

Dem Madensalat auf dem Salatbüffett der Gemeinde steht also nichts im Wege. Zumindest nicht theologisch.

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