In fünf Jahren 119 Angriffe auf Journalisten in Deutschland

Seit 2015 sind in Deutschland 119 Journalisten gewaltsam angegriffen worden. Zu diesem Ergebnis kommt eine Erhebung des Europäischen Zentrums für Presse- und Medienfreiheit (ECPMF) in Leipzig. Das Spektrum reicht von Flaschenwürfen und Einschüchterungen bis zu Handgreiflichkeiten.
Von PRO
Die Ereignisse in Chemnitz waren ein Höhepunkt für Angriffe auf deutsche Journalisten. Das geht aus einer aktuellen Erhebung des Europäischen Zentrums für Presse- und Medienfreiheit (ECPMF) hervor

Angriffe auf Journalisten sind nichts Ungewöhnliches mehr. Das hat eine Studie des Europäischen Zentrums für Presse- und Medienfreiheit (ECPMF) in Leipzig herausgefunden. Die Organisation dokumentiert seit 2015 tätliche Angriffe auf Medienschaffende. Ihre Ergebnisse veröffentlichte sie am Mittwoch in der Fünfjahresbilanz „Feindbild Journalist“.

77 Prozent der Angriffe sind demnach dem politisch rechten Spektrum zuzuordnen. „Bis heute sind politische Demonstrationen der gefährlichste Arbeitsplatz für Journalisten in Deutschland“, schreiben die Autoren. Sie registrierten 55 der Vorfälle in Sachsen. Auf Platz zwei folgt Berlin mit 14 Vorkommnissen. Keine Angriffe wurden für Hessen und Schleswig-Holstein verzeichnet.

Besonders viele Attacken ereigneten sich im Zusammenhang des Flüchtlingszuzugs nach Deutschland im Herbst 2015. Einen weiteren Schwerpunkt gab es während der rechtsextremen Mobilisierungen infolge eines tödlichen Streits zwischen zwei Asylbewerbern und einem Deutschen in Chemnitz im August 2018.

„Aggressivität als neue Normalität“

2019 liegt die Zahl der Angriffe bei 14 Fällen. Für die Autoren der Studie ist dies kein Grund zur Entspannung: „Wenn im Durchschnitt mehr als zwanzig Journalistinnen und Journalisten in jedem Jahr seit 2015 geschlagen, geschubst, getreten, mit Laserpointern geblendet oder bespuckt werden, dann hat sich dieses Level messbarer Aggressivität als neue Normalität etabliert.“

Im laufenden Jahr seien drei der sechs bislang registrierten Fälle auf einer linken Demonstration gegen das Verbot der Online-Plattform linksunten.indymedia.org in Leipzig gezählt worden. Drei weitere Fälle seien nicht politisch zu verorten. Die Herausgeber der Studie beobachten im rechten Spektrum eine ideologisch verankerte Medienfeindschaft, wonach Journalisten als Eliten gegen das „Volk“ schreiben würden. Ein ähnliches Muster gebe es im linken Spektrum nicht. Durch den „Schulterschluss der Gewaltbereiten“, von Neonazis und „bürgerlich“ auftretenden Personen sei inzwischen nicht mehr abzusehen, „wer als nächstes angreift und wer zum Ziel wird“.

Datenschutz von Publizierenden stärken

Als Konsequenz fordert das ECPMF, dass die Polizei noch besser ausgebildet wird, um „in komplexen Einsatzlagen und bei Auseinandersetzungen handlungssicher agieren zu können“. Außerdem soll die polizeiliche Erfassung der Straftaten ausgebaut werden. Die Autoren wünschen sich, dass der Datenschutz für Berichterstatter gestärkt wird: „Die Daten von Journalisten bedürfen eines besonderen Schutzes.“ Zudem sollten sich die Medienhäuser aktiv für betroffene Mitarbeiter einsetzen.

Das ECPMF wurde 2015 in Leipzig gegründet. Zu den Gründern gehören Vertreter 20 europäischer Journalistenorganisationen, Medienunternehmen und -gewerkschaften sowie Medienwissenschaftler und -anwälte aus ganz Europa. Als Kernziel wurde ausgegeben, „europäische Medienfreiheitsinitiativen und -akteure zu einen und deren Aktivitäten zu koordinieren“. Dazu gehört auch die Dokumentation von Verletzungen der Pressefreiheit und der Verfolgung von Journalisten.

Von: Johannes Blöcher-Weil

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