PRO: Sie sind bei Miss Germany mit dem Schwerpunkt Jugendarbeit angetreten. Warum liegt Ihnen das Thema so am Herzen?
Kira Geiss: Mit 16 Jahren wurde ich, nach einer ziemlich schwierigen Zeit in meinem Leben, das erste Mal in einen christlichen Jugendkreis mitgenommen. Anfangs fand ich die ganze Glaubenssache etwas befremdlich, doch im Endeffekt war der Jugendkreis der ausschlaggebende Punkt, dass ich zum Glauben gefunden habe. Dieser, sowie die Anleitung des Jugendreferenten, hat mir ganz viel gegeben! So viel, dass ich jeden Freitag immer zum Teenkreis gerannt bin, weil ich mich so darauf gefreut habe.
Mit der Zeit habe ich im Glauben auch immer mehr Kraft gefunden und habe angefangen diesen zu priorisieren. Damals war ich in der Ausbildung zur Gestalterin für visuelles Marketing, doch mit der Zeit habe ich gemerkt, dass ich nach meinem Abschluss in Jugendarbeit und Theologie investieren will. Ich habe angefangen, selbst Jugendkreise zu leiten und Jungschar-Arbeit zu machen und bin in die Arbeit richtig hineingewachsen.
Mein Ziel war und ist es, jungen Menschen das zu ermöglichen und zu geben, was ich erleben durfte. Denn ich sehe die Förderung von Teenagern als wichtige Komponente im Bereich der sozialen Nachhaltigkeit und einer persönlichen Entwicklung
Sie haben dann auch die Jugendgemeinde Eastside in Magdeburg mitgegründet und einen Bundesfreiwilligendienst dort absolviert. Wie kam es dazu?
Ich bin zu Beginn meiner Ausbildung das erste Mal nach Magdeburg gekommen, um meine Cousine und ihre Familie zu besuchen. Sie ist dort in einer landeskirchlichen Gemeinschaft Mitglied und hat mit ihrem Mann eine Nachbarschaftsgemeinde gegründet. Der Fokus liegt darauf, soziale Strukturen in der Nachbarschaft zu fördern. Den Glauben gibt es sozusagen als Bonus. Es geht also darum, die Menschen überhaupt zu erreichen.
Dort habe ich gemerkt, wie anders Kirche sein kann. Während meiner Ausbildung bin ich deshalb häufig zu Besuch in Magdeburg gewesen und habe bei Gemeindeprojekten mitgeholfen. Dann wollte man verstärkt Jugendliche erreichen und schließlich eine neue Jugendgemeinde gründen. In dem Zuge wurde ich auch angefragt, ob ich Lust hätte, ein Teil des Teams zu sein. So kam das.
Wie sind Sie bei der Gründung vorgegangen?
Wir hatten für einen großen Teil der Stadt Magdeburg eine Sozialraumanalyse beantragt. Bei dieser kam raus, dass 6.000 Jugendliche erreicht werden könnten, es jedoch kein einziges Angebot für diese jungen Menschen gibt. Das wollten wir ändern. Wenn die Teens dann noch offen für den Glauben sind, freuen wir uns riesig und geben ihnen das mit.
Außerdem habe ich das Gefühl, dass in Magdeburg gerade ein großer Umbruch stattfindet. Es kommen immer mehr Menschen mit einem missionarischen Anliegen dazu. Die landeskirchliche Gemeinschaft ist zum Beispiel in letzter Zeit sehr an Menschen gewachsen, die gerade mit ihrem Studium fertig sind und sich irgendwo einbringen wollen. Die Studentenmission (SMD) in Magdeburg floriert auch.
Wie kam es dann zu Ihrer Bewerbung bei Miss Germany?
Ich war durch die Gründung der Jugendgemeinde von der Frage: „Wie erreichen wir junge Menschen?“ geprägt. In Magdeburg haben wir mit Schulen zusammengearbeitet, sind viel in der Nachbarschaft aktiv gewesen und haben die ersten Events in unseren Wohnzimmern veranstaltet. Der Fokus lag immer darauf, junge Menschen zu fördern und zu erreichen.
Dann habe ich das neue Konzept von Miss Germany gesehen. Zweimal habe ich auf Instagram eine Push-Benachrichtigung bekommen. Beim ersten Mal war mir die Werbung suspekt, da ich direkt Frauen mit perfekten Maßen und einem verschobenen Schönheitsideal im Kopf hatte. Und das ist überhaupt nicht meins.
Aber als ich mich dann bei der zweiten Werbung näher mit dem Wettbewerb beschäftigt und das neue Konzept gesehen habe, war ich begeistert und habe mich beworben. Das Konzept hat sich nämlich vom Schönheitswettbewerb zu einer „Women Empowerment Plattform“ verändert. Außerdem hatte ich mir das Profil der jetzigen Miss Germany Domitila Barros angeguckt. Sie ist eine beeindruckende Frau, nennt sich selbst „Greenfluencerin“ und hat auch schon mit Annalena Baerbock zusammengearbeitet. Ich fand das also eine spannende Plattform, durch die man was bewirken kann.
Sie kommen aus einem nicht-christlichen Umfeld. Wie haben Familie und Freunde reagiert, als Sie mit 16 Jahren zum Glauben gekommen sind?
Ich hatte mich kurz zuvor von meinem Freund und damit auch von meinem Freundeskreis getrennt. Außerdem war ich gerade mit der Schule fertig und habe das als Neuanfang gesehen. Viele Dinge liefen davor nicht gut. Ich hatte immer das Bedürfnis nach Harmonie und Nächstenliebe verspürt, doch mein Freundeskreis war häufig vom Gegenteil geprägt und hat andere Werte vertreten.
Ich war also ziemlich allein. Deshalb bin ich auch so offen gewesen, als zwei Mädels mich zu einer Jugendfreizeit der Gemeinde eingeladen haben. Meine Eltern haben sich gefreut, dass ich meine Zeit in einem positiv geprägten Umfeld verbracht habe und neue Freunde finden konnte. Denn bis auf ein, zwei Mädels sind aus meinem alten Freundeskreis nicht viele übrig geblieben. Doch selbst diese haben meinen Lebensweg als suspekt erachtet und über mich gelacht, als sie erfahren haben, dass ich nun in eine Gemeinde gehe. Ihre Reaktion war für mich zwar befremdlich, aber ich konnte ihre Perspektive dennoch nachvollziehen, weil ich diese nur kurze Zeit zuvor selbst vertreten habe.
Heute sehe ich es als Schatz, zu wissen, wie es ist, kein Christ zu sein, um auf Menschen eingehen zu können.
Sie sind auch bei Samaritan’s Purse aktiv. Wie genau?
Die Aktion „Weihnachten im Schuhkarton“ hat mich durch die Leidenschaft meiner Mutter geprägt. Sie ist hierbei mein größtes Vorbild. Meine Eltern sind zwar nicht wirklich christlich, aber meine Mutter ist bei „Weihnachten im Schuhkarton“ immer sehr engagiert gewesen. Mit zwölf oder 13 Jahren habe ich in der Schule dann selbst einen neuen Sammelpunkt gegründet. Diesen habe ich fünf bis sechs Jahre geleitet und eng mit Schulen, Kindergärten, der Gemeinde und anderen zusammengearbeitet. Ich war sozusagen die Anlaufstelle für die abzugebenden Pakete.
Das Christliche von Samaritan’s Purse war für mich damals noch gar nicht im Fokus. Heute finde ich es umso schöner, dass die Jesus-Botschaft an die Kinder weitergegeben wird. Für mich war es aber grundsätzlich immer schon wichtig, meinen Mitmenschen zu dienen. Ich denke, da es vielen von uns so gut geht, dass es nicht wehtut, ein bisschen davon abzugeben. Einer meiner größten Wünsche ist es, eines Tages selbst bei den Transportern mitzufahren, die Päckchen zu verteilen, präsent zu sein, die Menschen zu sehen und ihnen mit Liebe zu begegnen.
Sie besuchen jetzt die Missionsschule Unterweissach. Warum haben Sie diesen Weg eingeschlagen?
Ich wollte in Menschen investieren und mich dahin leiten lassen, wo Gott mich haben möchte. Ich wusste während der Zeit der Gemeindegründung in Magdeburg, dass meine Zeit dort begrenzt war, da ich in diesem Arbeitsbereich nicht fertig ausgebildet gewesen bin. Ich konnte mir aber gut vorstellen, als Pastorin, mit dem Fokus auf Jugendliche zu arbeiten und vielleicht selbst irgendwann mal zu gründen.
Beim Theologischen Studienzentrum Berlin hätte ich dual studieren und dadurch in Magdeburg wohnen bleiben können. Ich hatte dort bereits eine Zusage und war mit meinem Weg ziemlich sicher. Bei den Infotagen in Unterweissach, kam mir jedoch plötzlich eine Frage in den Kopf, die sich anfühlte, als wäre sie nicht von mir: ‚Kira, warum willst du eigentlich unbedingt nach Berlin gehen und wieso würdest du nach Unterweissach gehen?‘
Ich habe mich dann daran erinnert, dass ich eine theologische Ausbildung machen wollte, um Gott und meinen Mitmenschen zu dienen. Im selben Moment ist mir bewusst geworden, dass ich Berlin nicht für Gott, sondern für mich gemacht hätte, um in Magdeburg bleiben zu können. Es war also eigentlich ein egoistischer Grund. Hier in Unterweissach kann ich nun genau das ausleben, was ich mir damals vorgenommen hatte und ich habe an keinem Tag diese Entscheidung bereut.
Wie erleben Sie die Ausbildung an der Bibelschule?
Ich bin im zweiten Semester, bekomme ganz viel Fachwissen und habe das Gefühl, dass mir die Missionsschule immer mehr Informationen vermittelt, die bei meiner Miss Germany Reise von hoher Relevanz sind. Ich verstehe immer mehr, wie der Mensch ist, wie die Generation Z tickt, unsere Gesellschaft geprägt ist und die Generationen untereinander interagieren oder es eben auch nicht tun.
Ich liebe es, hier zu sein. Aber in letzter Zeit nimmt Miss Germany natürlich eine Menge meiner Zeit ein. Wir haben immer wieder verschiedene Events und Camps, bei denen ich hundert Prozent anwesend sein und abliefern muss. Das nächste und letzte Camp ist zum Beispiel vom 23. Februar bis 04. März und dient zur Vorbereitung auf das Finale. Grundsätzlich bin ich ein großer Fan davon, eine Sache richtigzumachen und zu beenden. In diesem Fall liegt mein Fokus aber aktuell auf der Miss Germany Reise. Nach dem Finale, das am 04. März stattfindet, werde ich diesen wieder neu setzen.
Wie geht es für Sie weiter – je nachdem, ob Sie bei Miss Germany gewinnen oder nicht?
Falls ich Miss Germany werde, unterbreche ich die Missionsschule für ein Jahr und setze mich voll und ganz für mein Anliegen ein. Ich möchte eine Plattform, einen Safespace für junge Menschen außerhalb der digitalen Welt erschaffen, in der gefördert und Freiraum gegeben wird. Ich glaube, es braucht mehr säkuläre Orte für junge Menschen, wo ihre Stimme zählt und sie aus sich heraus kommen können.
Wenn ich nicht gewinne, mache ich mit meinem geplanten Weg in der Missionsschule weiter. Ich kann mir gut vorstellen, in der Zukunft in einer weiteren Gemeindegründung aktiv zu sein, als Pastorin zu arbeiten und Religion zu unterrichten. Im Fokus steht auf jeden Fall, dass ich unbedingt mit Menschen zusammenarbeiten möchte. Mein Weg und Ziel für und mit der Jugendarbeit endet nicht bei Miss Germany.
Solange ich selbst noch jung bin, möchte ich in dieser Jugendarbeit tätig sein. Später will ich dann junge Menschen mobilisieren, selbst Leiter zu werden und Gemeinden zu gründen.
Was wünschen Sie sich für die Zukunft der jungen Generation in Deutschland?
Ich wünsche mir, dass junge Menschen ihren Wert erkennen. Durch die vielen Krisen derzeit wissen glaube ich viele von ihnen nicht, wie ihre Zukunft aussieht. Ich weiß, was Jugendarbeit in meinem Leben bewirkt hat und wie sie mir geholfen hat. Ich möchte Plattformen schaffen, wo junge Menschen ein Zuhause finden; wo sie Freiraum haben, aber angeleitet werden.
Durch den Konsum der digitalen Medien lässt die emotionale Verbundenheit zwischen Menschen nach. Das kann uns in der Zukunft auf die Füße fallen. Ich wünsche mir, dass junge Menschen erkennen, wer sie sind und dass ihre Stimmen Gehör finden. Junge Menschen dürfen nicht belächelt werden, man muss sie ernst nehmen und sie fördern. Sie müssen sich entfalten können.
Die Kirche ist dafür eine super Plattform. Die meisten Jugendangebote sind kirchlich. Und dafür brauchen wir noch mehr Leute. Die Kirche sollte meiner Meinung nach dennoch Stück für Stück ihre Strukturen verändern. Sonst wird sie vermutlich über kurz oder lang aussterben. Wir brauchen mehr junge Gemeinden, die offen für Veränderung sind. Gemeinden, die an ihren Grundsätzen festhalten, aber trotzdem mit der Gesellschaft mitgehen. Ich möchte gerne eine Stimme für die Kirche sein. Ich liebe sie über alles und sie ist mein Zuhause. Ich möchte Jugendlichen sagen: ‚Es ist cool, Christ zu sein. Auch Kirche kann fancy sein.‘ Zum anderen aber auch „Sei dir bewusst, dass du eine Stimme hast, die du einsetzen kannst! Auch du hast ein Mitspracherecht und darfst etwas verändern.‘
Vielen Dank für das Interview!
Eine Antwort
wie schön, wenn ein junger Mensch so frei von der Leber weg seinen Glauben bekennt. Wir brauchen noch viele „Kira`s in unserem Land. Mach weiter.