Ich bin Pfarrer Olaf Latzel dankbar

Der Bremer Pfarrer Olaf Latzel hat mit einer Predigt über den Unterschied zwischen Islam und Christentum landesweit für Aufsehen gesorgt. „So wichtig das friedliche Miteinander der Religionen ist – es kann nicht auf Kosten des eigenen Wahrheitsanspruchs geschehen“, findet der Journalist. Seinen Kommentar sendete der Bayerische Rundfunk (BR 2) am Samstag in der Sendung „Zum Sonntag“.
Von PRO
Man sollte die Unterschiede zwischen den Religionen nicht dem interreligiösen Dialog opfern, findet der Journalist Hans-Joachim Vieweger
Es kommt nicht häufig vor, dass eine Predigt in einer einzelnen Kirchengemeinde für bundesweites Aufsehen sorgt. So geschehen jetzt in der St. Martini-Gemeinde in Bremen. In einer Predigt über die alttestamentarische Figur Gideon rief der evangelische Pfarrer Olaf Latzel seine Gemeinde zur radikalen Distanzierung von anderen Religionen auf. Weil – Zitat – „unserem heiligen und ewigen Gott nichts mehr ein Gräuel ist, als wenn neben ihn andere Götter gestellt werden.“ Als Christ, so der Pfarrer weiter, könne man keinen Talisman tragen, keine Buddha-Statuen zuhause aufstellen und nicht am muslimischen Zuckerfest teilnehmen. Gemeinsamen Gottesdiensten mit Muslimen sowie der so genannten abrahamitischen Ökumene erteilte er eine klare Absage. Worauf ihm ein führender Geistlicher der Kirche in Bremen „geistige Brandstiftung“ vorwarf, 70 Pastoren protestierten mit einer Mahnwache auf den Stufen des Bremer Doms gegen ihren Kollegen. Zugegeben: Latzels Wortwahl war in einigen Punkten alles andere als fein – dafür hat er sich inzwischen auch entschuldigt, doch die Heftigkeit der Reaktion wundert schon: wenn da von einem Hetzprediger gesprochen wird und kirchliche Mitarbeiter disziplinarische Maßnahmen fordern. Ist in der evangelischen Kirche, die sich doch sonst als Kirche der Freiheit sieht, die Freiheit der Predigt begrenzt? Dass sich das erste der Zehn Gebote – „Du sollst keine anderen Götter haben neben mir “ – mit anderen Religionen reibt, zumindest reiben kann, ist offensichtlich. Und wenn im Neuen Testament davon die Rede ist, dass in keinem anderen Namen das Heil ist als allein in Jesus Christus, dann spricht das für einen ziemlich exklusiven Wahrheitsanspruch des Christentums, besser gesagt: von Jesus selbst, der nach Aussage des Johannes-Evangeliums von sich sagt: „Ich bin der Weg, die Wahrheit und das Leben – niemand kommt zum Vater denn durch mich.“ Solche Exklusivaussagen scheinen im Widerspruch zum Bemühen um einem Dialog der Religionen zu stehen. Aber stimmt das wirklich? Kann man nicht zugleich einen Wahrheitsanspruch vertreten und den Wahrheitsanspruch des anderen gelten lassen, ohne diesen gleich für wahr halten zu müssen? Manche sagen ja, allein die Existenz verschiedener religiöser Wahrheitsansprüche zeige schon, dass keine Religion im Recht sein könne. Doch selbst hinter dieser These steckt ein Wahrheitsanspruch. Auch hier handelt es sich um eine reine Behauptung, die keine höhere Qualität als religiöse Wahrheitsansprüche aufweisen kann.

Nicht die Unterschiede zwischen den Religionen nivellieren

Die Herausforderung für das Miteinander der Religionen wie für das Miteinander von Gottesfürchtigen wie Gottlosen in einer pluralistischen Gesellschaft besteht nicht darin, die eigenen Glaubensüberzeugungen aufzugeben oder anzupassen, sie besteht vielmehr darin, den anderen zu tolerieren, selbst dann, wenn’s einem in der Sache schwer fällt. Interessanterweise hat in diese Richtung auch der Bremer Pfarrer argumentiert – Zitat: „Wir haben den Menschen muslimischen Glaubens in Liebe und Barmherzigkeit zu begegnen. Und wenn die verfolgt werden, dann haben wir uns vor sie zu stellen.“ Für bedenklich halte ich dagegen, wenn versucht wird, Unterschiede zwischen den Religionen zu nivellieren. Wenn durch Konzerte unter dem Titel „Music for the one god“ oder durch Gebäude wie das in Berlin geplante „House oft one“ suggeriert wird, letztlich bezögen sich die verschiedenen Glaubensrichtungen auf ein und denselben Gott. All das sei doch gut für das gesellschaftliche Miteinander, heißt es dann häufig zur Begründung. Doch das ist ein fatales Argument, dadurch wird Glaube nämlich instrumentalisiert. Kirche ist aber, so hat es der frühere Vorsitzende der katholischen Bischofskonferenz, Robert Zollitsch einmal gesagt, keine Bundesagentur für Werte. Das gilt auch für den interreligiösen Dialog. So wichtig das friedliche Miteinander der Religionen ist – es kann nicht auf Kosten des eigenen Wahrheitsanspruchs geschehen. Dass die Kirche über diesen Anspruch nicht verfügt, sondern ihn nur weitergeben kann – darauf hat Pfarrer Latzel hingewiesen. Und dafür bin ich ihm dankbar. Dieser Beitrag wurde – leicht gekürzt – am Samstag, 14. Februar 2015, in der Sendung „Zum Sonntag“ im Bayerischen Rundfunk (Bayern 2) ausgestrahlt. Wir danken für die Genehmigung, ihn ebenfalls zu veröffentlichen. Hans-Joachim Vieweger ist Journalist und Mitglied der Synode der evang.-luth. Kirche in Bayern.
https://www.pro-medienmagazin.de/gesellschaft/detailansicht/aktuell/latzel-predigt-evangelische-allianz-positioniert-sich-91027/
https://www.pro-medienmagazin.de/gesellschaft/kirche/detailansicht/aktuell/bremen-kirche-entschuldigt-sich-fuer-predigt-90969/
https://www.pro-medienmagazin.de/gesellschaft/detailansicht/aktuell/staatsanwaltschaft-will-predigt-nachlesen-90919/
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