Eben noch hat dieser Mann furchtbar ausgesehen. Als Lepra-Kranker war er dem Tode geweiht, Hoffnung hatte er nur noch eine: Dass Jesus ihn gesund macht. Jesus tut das Wunder, und der eben noch Todkranke strahlt über das ganze Gesicht. Neues Leben ist in seine Wangen getreten. Und Jesus strahlt ebenfalls, er holt sich von seinen Jüngern einen Umhang für den ehemaligen Aussätzigen. „Grün ist definitv deine Farbe“, sagt Jesus. Ein Witz. Und genau das ist das Besondere an der Fernsehserie „The Chosen“, die über eine App angesehen werden kann. Die vom amerikanischen Regisseur Dallas Jenkins 2017 produzierte Reihe stellt Jesus ungewöhnlich menschlich, aber vor allem humorvoll dar. In einer Folge scherzen Jesus und seine Jünger bei einer Hochzeit darüber, dass er am besten Andreas’ Beine heilen soll – denn der kann einfach nicht gut tanzen.
Jesus und Witze
Ist es eigentlich ein Witz, wenn Jesus im Johannesevangelium sagt: „Lazarus schläft nur“, obwohl er eigentlich tot ist? Ist Jesu Aufforderung, besser Auge oder Fuß zu amputieren, anstatt zu sündigen, ernst gemeint oder halb im Scherz? Der 2020 verstorbene Theologe Klaus Berger war sich sicher: Jesus hatte Humor. In seinem 2019 veröffentlichten Buch „Ein Kamel durchs Nadelöhr?“ sammelte der Bibelwissenschaftler viele humorvolle Äußerungen Jesu. Er kam zu der Erkenntnis: „Jesu Humor ist der Vater aller seiner Weisheit.“
Wenn Jesus von Sünde, Gnade, Gottes Reich und Hölle spricht, sei das natürlich zunächst nicht witzig. Aber berechtigtes Lachen setze Souveränität voraus, so Berger. Denn: „Der quasi-göttliche Anspruch von Scheinriesen wird unterminiert, seien es nun Scheinriesen als Menschen oder Scheinriesen als Besitz, Prestige, Macht.“ Grundsätzlich schramme Humor absichtlich häufig knapp an Blasphemie vorbei und werde mitunter dadurch erst spannend. Abgesehen davon hielt es der Theologe für völlig undenkbar, dass Jesus mit den Jüngern durch die Lande zog, gemeinsam aß und Wein trank und dabei Lachen verboten war. Jesus habe nachweislich karikiert, verzerrt, gespottet und sich lustig gemacht. „Jesus bringt Menschen zum Lachen und befreit sie dadurch aus dem Labyrinth ihrer Abwege“, schrieb Berger. Er zeige sich dabei „bisweilen grotesk, aber nie verletzend, manchmal spöttisch, doch nicht zerstörend“. Und übrigens: Jesu eigene Verwandte sagten über ihn: „Er ist verrückt.“ (Markus 3,21).
Humor ist ein Götterfunke
Witzige, kreative Ideen kommen manchmal wie aus dem Himmel. „Natürlich gibt es für einen Comedian ein Handwerk, das man erlernen kann, aber Kreativität ist einem in gewisser Weise auch gegeben“, sagt Oliver Kraaz. Der Schweizer schrieb unter anderem für die Pro7 Comedy-Sendung „TV total“ und Stefan Raab, ebenso für Harald Schmidt, war als Werbetexter tätig und schrieb für Sendungen des Schweizer Fernsehens und Radio. Als er seine eigene Kreativ-Agentur gründete, nannte er sie passenderweise „Götterfunken Kommunikation“.
Ursprünglich wollte der heute 50-jährige Kraaz Theologie studieren, erzählt er gegenüber pro. Die alten Sprachen hielten ihn dann aber davon ab, er fing mit Publizistik und Psychologie an. Doch schon im Studium knüpfte er interessante Kontakte in die Medienwelt, sodass er bald Werbetexter wurde. Zum Namen „Götterfunken“ für seine Agentur schien ihm als Logo passend: die Erschaffung Adams in der Sixtinischen Kapelle, wo sich die Finger von Gott und Adam berühren und ein Funke überspringt.
Der kreative Kopf hat eine eigene Vorstellung davon, wie Glaube und Humor zusammenhängen. Ein bisschen verrückt müsse man doch ohnehin sein, um den christlichen Glauben zu vertreten, findet Kraaz. „Für jemanden, der nicht gläubig ist, haben die Bibel und die Heilsgeschichte ja wirklich etwas unerhört Schräges“, sagt Kraaz. „Wenn da jemand Fische und Brote vermehrt und zum Schluss ans Kreuz genagelt wird, und seine Anhänger das auch noch super finden und sogar ein Kreuz um den Hals tragen, ist das für einen Ungläubigen absurd. Diese Schrägheit muss man aushalten.“ Keiner wisse, wie viel Humor Jesus hatte. Aus der Kommunikationspsychologie wisse man aber heute, dass Inhalte den Menschen besser vermittelt werden, wenn Humor im Spiel ist, sagt Kraaz. „Ich nehme schwer an, dass Jesus ein sehr heiterer und humorvoller Mensch war, sonst hätte er, nur mit Verbissenheit und Säuerlichkeit, nie und nimmer eine solche Bewegung auslösen können.“
Für den Familienvater, der in Zürich lebt, waren die Katholische Kirche und der Glaube schon immer wichtig. „Schon in der Schule habe ich den Religionsunterricht sehr genossen.“ In seiner „Sturm- und Drangzeit“ nahmen dann aber seine inneren Widerstände gegen die Kirche zu. Als die Ausmaße des Missbrauchsskandals deutlich wurden sowie die Unfähigkeit der Kirche, diese bedingungslos aufzuklären, trat Kraaz aus der Kirche aus. Aber danach ging es ihm auch nicht besser. „Ich stellte schnell fest, dass die Kirche deswegen nicht eine Kehrtwende hinlegen würde, mir aber fehlte auf einmal etwas.“ Er trat wieder ein. „Katholisch sein heißt für mich eben: Es gibt zu tun. Gläubig sein, aber kritisch sein.“ Heute ist Kraaz Kommunikationsverantwortlicher der katholischen Kirche in der Stadt Zürich.
Die Kirche komme in der Comedy heutzutage gar nicht mehr so oft vor wie früher, stellt er fest. Außer bei Skandalen. „Wenn dann die Kirche in die Mangel genommen wird, geht es schon nicht mehr um Comedy, sondern um harte Kritik.“ Kraaz betont diesen Unterschied: „Comedy hat immer eine gewisse Leichtigkeit – da wird das Leben auf lockere Art von einer anderen Seite angeschaut. Die ganz schweren kirchlichen Themen passen da nicht rein.“ Die deutsche Comedian Caroline Kebekus etwa brachte 2020 massive Kirchenkritik in ihrem Programm unter, sagte aber anschließend in Interviews, sie sei nach wie vor katholisch. „Das ist kein Widerspruch“, sagt Kraaz. „Man kann katholisch sein und gleichzeitig sehr kritisch. Ein Weiter-so-wie-bisher geht ohnehin nicht mehr.“
Darf Satire alles?
Spätestens, wenn wieder ein bissiges Titelbild der Zeitschrift Titanic gegen die Kirche oder den Papst erschienen ist oder der Islam in die Schusslinie von Satirikern geriet, steht die Frage im Raum: Darf Satire alles? „Diesen Satz legt jeder so aus, wie er will“, sagt Kraaz. „Im ‚Evangelium der Comedy‘ ist das fast zu einem Glaubenssatz geworden, wird aber hundertfach verschieden verwendet. Wenn Satire unterschwellig darauf abzielt, auf jemanden Jagd zu machen, weil er einen bestimmten Glauben pflegt, dann wird es schwierig.“ Der Schweizer fügt hinzu: „Aber was schadet das Titelbild einer Titanic, die ich übrigens sehr gerne lese, eigentlich meinem Glauben?“ Den TitanicMachern gehe es ja gerade um die Empörung. „Sollte die Kirche gar nicht mehr auf das Titelbild kommen, hat sie sich im öffentlichen Diskurs ohnehin ganz aufgelöst.“ Auch in Bezug auf die MohammedKarikaturen ist sich der ehemalige Satiriker sicher: „Jede Auseinandersetzung, solange sie nicht verhetzend wird, kann auch zu einer Entspanntheit des Diskurses beitragen. Wir haben hier in der Schweiz die direkte Demokratie, da wird alles auf den Tisch gebracht und darüber abgestimmt.“ Die Erfahrung zeige: Lieber gewinnt ein Diskurs zwischendurch einmal an Schärfe, „als dass es dann zu einer konstanten Blähung kommt, die dann das Klima permanent vergiftet“. Viele Satiren gegen Christen und den Glauben hält Kraaz aber auch für „plump und schlecht“, aber das sei oft eher eine handwerkliche Sache. „Satire gegen den Glauben grundsätzlich zu verbieten, würde uns wieder ins Mittelalter führen.“
Erstaunlich viele Comedians in Deutschland haben eine Biografie, die sich irgendwo mit der Kirche trifft. Jürgen von der Lippe wollte früher Priester werden, Harald Schmidt, der ausgebildete Kirchenmusiker, hat seinen katholischen Hintergrund stets betont, ebenso Guido Cantz oder Caroline Kebekus, bekannte Komiker wie Markus Maria Profitlich, Wigald Boning oder Markus Majowski sprechen offen über ihren christlichen Glauben. Der Kabarettist Jürgen Becker zitierte einmal Diakon Willibert Pauls: „Wenn man lacht, dann ist man leicht wie ein Engel.“ Becker fügte hinzu: „Nur wer über den Dingen schwebt, kann sie auch belächeln. Darum gehören Religion und Humor untrennbar zusammen.“
Der Schweizer Kraaz hält es für möglich, dass der katholische Hintergrund für eine gute Ausbildung gesorgt hat. „Ein guter Comedian oder Satiriker darf nicht dumm sein“, so Kraaz, „sonst macht er einfach nur Blödeleien.“ Ein Comedian „drehe und wende“ das Weltgeschehen und eigene Erlebnisse immer wieder und betrachte sie aus verschiedenen Blickwinkeln. „Da ist es fast logisch, dass irgendwann die Sinnfrage kommt“, ist Kraaz überzeugt. Wenn er nicht nur ein alberner Klassenclown sein will, sondern so etwas wie ein Hofnarr, weiß ein Comedian viel und überlegt viel. „Das führt auf den Glauben. Egal, ob das jetzt Buddhismus ist oder das Christentum.“
Pastoren-Kabarett und Howard-Carpendale-Parodie
Die Bezeichnung „Hofnarr Gottes“ wurde auch Hannes Schott einmal zugesprochen, und diese Bezeichnung gefällt ihm ganz gut. Der 40 Jahre alte evangelische Pfarrer ist seit 25 Jahren auf der Bühne und bringt Menschen zum Lachen. Mit drei Kollegen bildet er „Das weißblaue Beffchen“, das wohl älteste KirchenKabarett Deutschlands, das mittlerweile in der vierten Generation besteht. Im Gottesdienst tritt Schott schon mal verkleidet auf, Witze gehören wie selbstverständlich zur Predigt, im Wahlkampf zur Kirchenvorstandswahl machte er im Wal(!)-Kostüm die Runde durch die Stadt, Schott hielt Gottesdienste im Reisebus ab. Die Kreativität sucht sich in diesem Geistlichen ihre Bahnen. Schon jetzt steckt er voller Ideen für die Zeit nach Corona, sagt Schott im Interview von pro. Ein Hofnarr habe, ähnlich einem Propheten, kritisch sagen dürfen, was anderen vielleicht den Kopf gekostet hätte. Als Kabarettist spreche er in seinem Programm die typischen Skurrilitäten des Gemeindelebens an. Beispielsweise Dinge, „die schon immer so gemacht wurden“. Schott: „Ich frage dann: Aber warum wurde es schon immer so gemacht?“ Dann kann ein Witz plötzlich Denkanstöße geben.
Schott war zehn Jahre Pfarrer in Bayreuth, seit 2020 betreut er die evangelische Kirchengemeinde St. Jakob in Nürnberg. Aber auf der Bühne lebt er den Comedian in sich aus. Legendär: seine Parodie auf Howard Carpendale. „Sobald ich eine Perücke aufsetze, werde ich zu einem anderen Menschen.“ Vor kurzem hat Schott seinen bisherigen Lebensweg und seine Leidenschaft für das Humorige in einem Buch aufgeschrieben. In „Raus aus dem toten Winkel – ein unkonventioneller Blick auf die Kirche von morgen“ (Kösel-Verlag) gibt Schott offen zu: „Ich war seit der Pubertät eine ziemliche Rampensau. Meine Schüchternheit – ich konnte jahrelang niemandem im direkten Gespräch in die Augen schauen – vermochte ich auf diese Weise zu überwinden. Neben diesem Bedürfnis aufzutreten, hatte ich meinen festen Glauben.“ Das Ergebnis: Ein Pfarrer, bei dem Humor Bestandteil der Arbeit wurde. Das bedeute aber nicht, dass er in der Predigt krampfhaft und in jeder Situation irgendeinen Witz aus dem Ärmel schüttelt, betont Schott. „Humor ist ein Türöffner“, weiß er. „Viele denken, in der Kirche geht es immer ganz todernst zu. Aber wenn man sieht, dass man dort auch gerne lacht, kommt man auf einmal gut ins Gespräch.“
Dass viele bekannte Comedians in ihrer Biographie einen Bezug zur Kirche haben, ist für Schott gar nicht verwunderlich: „Das geht Hand in Hand. Die Kanzel ist eine Bühne.“ Auch er selbst könnte sich den Beruf des Show-Masters gut vorstellen. Dass Jesus Humor hatte, da ist sich der Pastor sicher. „Wenn die auf den vielen Wanderungen keinen Spaß gehabt hätten, wäre das eine sehr langweilige Veranstaltung gewesen“, sagt Schott. Das Tragische sei eine wichtige Facette an Jesus, ja. „Aber man darf nicht vergessen: Jesus ist wieder auferstanden“, betont er. „Ernst und Spaß sind keine Gegensätze. Man kann bei manchen Themen des Glaubens ernst sein, und ihn doch zugleich mit Freude leben.“ Schott erzählt: „Ich wurde einmal vom Friedhofsgärtner angesprochen: ‚Ich wusste schon von weitem, dass Sie es sind, Herr Pfarrer.‘ Ich fragte: ‚Wieso?‘ Antwort: ‚Sie sind der einzige, der auf dem Friedhof pfeift.‘“ Darf Satire alles? Für Schott ist klar: „Ein Kabarett-Pfarrer hat natürlich Grenzen. Immer da, wo jemand beleidigt wird. In anderen Comedy-Kreisen ist das eher die Norm.“
Angesprochen auf den Film „Das Leben des Brian“ der britischen Komikergruppe „Monty Python“ – eine Parodie auf Jesus, die 1979 für heftige Proteste vonseiten der Kirche sorgte –, erinnert er sich an eine witzige Szene daraus: „Jesus hält die Bergpredigt, und die Menschen in der hintersten Reihe verstehen ihn nicht. Sie fragen: ‚Was hat er gesagt? Selig sind die Skifahrer?‘“ Schott: „Das ist genial. Da stecken im Grunde 2.000 Jahre Kirchengeschichte drin. Jesus sagt etwas, und die Menschen versuchen, es irgendwie zu verstehen und zu deuten.“ Zum Film sagt Schott aber auch: „Zugegeben, die Kreuzigungsszene am Schluss, die hätten sie sich sparen können.“
Humor sei bestenfalls immer eingebettet in Liebe. „In Sachen Glaube ist für mich das Allerwichtigste, dass wir geliebt werden, dass es jemanden gibt, der uns gewollt hat, unabhängig von dem, was wir tun.“ Ihn selbst jedenfalls beflügele dieses Wissen, geliebtes Geschöpf Gottes zu sein. Es mache ihn erst zu einem Wesen mit Humor.
Der Artikel ist im Christlichen Medienmagazin pro (Ausgabe 2/2021) erschienen, das Sie telefonisch unter der Nummer 06441/5667700 oder digital hier bestellen können.
Eine Antwort
Wunderbar der Artikel