Houellebecq-Verfilmung: Zwischen Islamophobie und politischer Korrektheit

Michel Houellebecqs Roman „Unterwerfung" ist als islamophob verschrien worden. Da verwundert es nicht, dass auch die Verfilmung für Aufsehen sorgt - sowie die Debatte in der Sendung Maischberger im Anschluss an die Ausstrahlung am Mittwoch.
Von Anna Lutz
Edgar Selge im Film „Unterwerfung"

Am Mittwoch zeigte das Erste die Verfilmung des Romans „Unterwerfung“ von Michel Houellebecq. Das Buch erschien 2015 zeitgleich mit dem islamistischen Anschlag auf die Redaktion von Charlie Hebdo in Paris. Die Attentäter haben das Datum wohl absichtlich gewählt, denn der Autor zeichnet in seinem Werk das Bild eines islamisierten Frankreichs.

Im Jahr 2022 regiert in „Unterwerfung“ ein islamistischer Präsident das Land, zweitstärkste Kraft ist der rechte Front National, Straßenkämpfe und Demonstrationen begleiten die politischen Umbrüche und treiben das Land an den Rand des Bürgerkriegs. Ruhe kehrt erst ein, als die Islamisten den Staat nach ihrem Willen umgestalten: Die Lehre an den Universitäten wird zensiert, Frauen verschleiern sich, Vielehen sind erlaubt und Arabisch wird zur vielgesprochenen Sprache. Die Hauptfigur ist ein Literaturprofessor, der sich zutiefst unglücklich über sein Leben in Sexabenteuer flüchtet und sich für Politik nur dann interessiert, wenn es unbedingt nötig ist. Durch seine Augen beobachtet der Leser ein sich veränderndes Paris – von einer freien westlichen Stadt, in der Frauen oft nicht mehr sind als Sexsymbole, zu einer islamistischen Metropole, die ihre weiblichen Einwohner ebenso herabwürdigt, indem sie sich verschleiern müssen und als Zweit- oder Drittfrauen für mächtige Männer fungieren sollen.

Im Mittelpunkt ein Kreuz

Schon nach Erscheinen des Romans warfen viele Houellebecq Islamophobie vor, der Autor hat sich immer wieder dafür rechtfertigen müssen. Es wundert nicht, dass auch die Ausstrahlung der Verfilmung am Mittwoch für Aufsehen sorgte.

Darin spielt Edgar Selge die Hauptrolle. Tatsächlich steht der Schauspieler schon seit zwei Jahren mit der Theaterversion von „Unterwerfung“ auf der Bühne. Der Film bindet Ausschnitte seiner Auftritte mit in Paris gedrehten Erzähl-Szenen zusammen. So sieht der Zuschauer Selge vor seinem Hamburger Publikum in grandiosen Monologen über sein Leben, seine Affären und Frankreich philosophieren. Dabei sitzt, steht und klettert er in einem in die hintere Bühnenwand eingelassenen drehbaren Kreuz herum. Dieses steht mal aufrecht, liegt mal auf der Seite oder steht auf dem Kopf – ein wunderbares Bild für das Kreisen der Hauptfigur um die eigene nicht vorhandene Religiosität. Denn Houellebecq lässt seinen Protagonisten auch selbst auf die Suche nach dem Glauben gehen: In einem katholischen Kloster oder im Gespräch mit einem islamistischen Universitätsleiter.

Krawall bei Maischberger

Strittig ist nicht nur der Inhalt des Films sondern vor allem auch die Aufbereitung des Themas durch die ARD. Gleich im Anschluss der Ausstrahlung nämlich ließ Sandra Maischberger ihre Gäste über die Frage diskutieren „Die Islamdebatte: Wo endet die Toleranz?“ Zuvor war die Sendung unter anderem mit dem Satz angekündigt worden: „Sind wir zu tolerant gegenüber dem Islam?“ In Sozialen Netzwerken sorgte das für massiven Widerspruch. Die Redaktion trage zur Spaltung der Gesellschaft bei, hieß es etwa. Die Sendungsmacher erklärte daraufhin, die Kritik ernst zu nehmen und sich intern damit auseinanderzusetzen.

In der Sendung Maischberger: (v.l.) Jan Fleischhauer, Bettina Gaus, Sandra Maischberger, Julia Klöckner, Haluk Yildiz, Necla Kelek Foto: WDR/Max Kohr
In der Sendung Maischberger: (v.l.) Jan Fleischhauer, Bettina Gaus, Sandra Maischberger, Julia Klöckner, Haluk Yildiz, Necla Kelek

Die Sendung selbst wurde dann ebenso krawallig, wie die Ankündigung vermuten ließ. Es diskutierten neben Landwirtschaftsministerin Julia Klöckner auch Islamkritikerin Necla Kelek, der Spiegel-Journalist Jan Fleischhauer, die taz-Journalistin Bettina Gaus und der Vorsitzende der Migrantenpartei BIG, Haluk Yildiz. Gerade die letzte Besetzung lässt darauf schließen, dass sich wohl kein Vertreter der islamischen Verbände hatte finden können, um über das Thema zu sprechen. Der Vorsitzende des Zentralrats der Muslime, Aiman Mazyek, äußerte sich zwar nicht öffentlich zur Sendung. Auf Twitter verbreitete er aber zahlreiche kritische Äußerungen anderer dazu. Ein deutliches Signal, dass auch er Titel und Besetzung für problematisch hält.

Klöckner erklärte bei Maischberger, sie habe keine Angst vor einer Islamisierung. Sorge bereite ihr aber der Gedanke, dass Frauenrechte zunehmend vernachlässigt würden. Als Beispiel nannte sie die Debatte mit einem Imam, der ihr aus religiösen Gründen nicht die Hand zur Begrüßung reichen wollte, weil sie eine Frau ist. Das sei im Jahr 2018 nicht zu dulden, es vermittle ein „krudes Frauenbild“ und könne nicht als Teil kultureller Vielfalt abgetan werden. „Dass wir das zulassen, obwohl wir uns mitunter dafür einsetzen, dass die Nationalhymne gendergerecht gestaltet wird“ halte sie für absurd, sagte Klöckner im Bezug auf eine mögliche Benachteiligung von Frauen im Islam.

„Vorauseilender Gehorsam, der nicht gefordert wird“

Als gläubige Christin stehe für sie dennoch das Grundgesetz über der Religion, erklärte sie. Yildiz hatte Klöckner zuvor unterstellt, nicht auf dem Boden des Grundgesetzes zu stehen, weil sie Muslimen religiöse Freiheiten nehmen wolle. Klöckner hingegen mahnte an: „Ich habe den Eindruck, dass es manchmal einen vorauseilenden Gehorsam gibt, ohne dass er wirklich gefordert wird.“

Kelek kritisierte, dass keine andere Einwanderergruppe so viel Toleranz einfordere wie die Muslime in Deutschland. Weil der Staat oder schulische Einrichtungen dem oft entgegenkämen, bildeten sich Parallelgesellschaften. „Ich halte alles für möglich“, sagte sie mit Blick auf eine künftige Islamisierung Deutschlands. Fleischhauer kritisierte die Kirchen: Sie seien zu einer Art „Greenpeace mit Kreuz“ verkommen. Auch daher begegneten viele Muslimen mit Unbehagen. Der Gedanke, dass diese Menschen ihren Glauben noch ernst nähmen, sei den meisten fremd geworden.

Die Journalistin Gaus hingegen betonte, solange das Grundgesetz in Deutschland gelte, halte sie die Idee einer Islamisierung für absurd. Autoritäre Tendenzen gebe es nicht nur im Islam. Es störe sie, dass bestimmte problematische Phänomene immer auf diese eine Religion zurückgeführt würden, auch wenn es sie ebenfalls in anderen Gruppen gebe. Als Beispiel nannte sie die weibliche Beschneidung.

Ob Michel Houellebecq selbst eine derartige Debatte anlässlich seines Romans befürworten würde? Als er 2015 unter Polizeischutz in Deutschland auftrat, zeigte er sich eher besorgt über rechte Tendenzen in seinem Heimatland. Einen Hinweis aber gibt sein Roman, auch wenn der Film diesen Aspekt bedauerlicherweise kaum erwähnt: Darin schweigen die Medien über die alarmierenden gesellschaftlichen Entwicklungen. Sie wollen die Muslime nicht düpieren.

Von: Anna Lutz

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