Unangenehm, steif, fremdelnd, gezwungen: Die Liste der Adjektive, die die Atmosphäre beim ersten Aufeinandertreffen der Pastorenfamilie Holmer mit dem früheren DDR-Staats- und Parteichef Erich Honecker (Edgar Selge) und seiner Frau Margot (Barbara Schnitzler) im Film „Honecker und der Pastor“ beschreiben, ließe sich endlos fortsetzen.
Gemeinsam sitzen die Honeckers, das Ehepaar Uwe (Hans-Uwe Bauer) und Sigrid Holmer (Steffi Kühnert) und ihre Kinder Kornelius und Traugott am Esstisch. „Wir pflegen vor dem Essen zu beten“, sagt Holmer. „Das stört uns nicht“, nuschelt Honecker so, als könnte er das Gebet auch untersagen. Während drei der vier Holmers mit gefalteten Händen und geschlossenen Augen beten, wandern die Augen des Jüngsten, Kornelius, unruhig zu den ungewöhnlichen Gästen. Diese tun es ihm gleich. Wirken gleichermaßen verunsichert und fehl am Platz.
Es ist der 30. Januar 1990. In Berlin ist wenige Wochen zuvor die Mauer gefallen. Erich und Margot Honecker haben ihr Haus in der SED-Politbürosiedlung in Wandlitz verloren. Zudem wurde gegen den einstigen Staatschef ein Ermittlungsverfahren wegen Amtsmissbrauchs eingeleitet. Schon währenddessen war Honecker wegen Nierenkrebs in der Berliner Charité in Behandlung. Nach einer Festnahme in der Klinik kam er zunächst ins Haftkrankenhaus Rummelsburg, aus dem er wegen Haftunfähigkeit jedoch einen Tag später entlassen wurde.
Nun sitzt also der einst mächtigste Mann der DDR ausgerechnet bei einem Pastor im Kirchenasyl. Kommunist trifft Christ – das hätte sich selbst Hollywood nicht dramatischer ausdenken können.
„Honecker und der Pastor“ und der Glaube
Im Film erklärt Holmer mehrfach seine Entscheidung, den Ex-DDR-Chef aufgenommen zu haben. Gegenüber einem Gemeindemitglied sagt er: „Wenn wir Barmherzigkeit predigen, dann müssen wir sie auch leben. Selbst wenn es schwer fällt.“
Dennoch, Holmer wird überschwemmt von Hassbotschaften und Todesdrohungen.
Das Gespräch mit dem unzufriedenen Gemeindemitglied ist längst nicht die einzige Stelle im Film, in der Holmer über seine Glaubensüberzeugungen spricht. Immer wieder baut Regisseur Jan Josef Liefers in „Honecker und der Pastor“ meist kurze Dialoge über den christlichen Glauben ein. Da liegen die Honeckers abends im Bett und machen sich über die Frage Holmers Gedanken, ob das Ehepaar sich nach dem Tod wiedersehen wolle. Beide sind sich einig, dass sie momentan andere Sorgen haben. Wirklich glaubhaft klingt die Antwort bei keinem von beiden.
Vergeben und Vertrauen
Zu den Glaubensinhalten im Film „Honecker und der Pastor“ gehört auch das Motiv der Vergebung. In einer Talkshow erklärt Holmer: „Wir müssen zu einer Vergebung kommen. Sonst tragen wir zu viel Hypothek mit in die Zukunft.“ Der Applaus des Publikums wird durch eine junge Frau unterbrochen. Sie erzählt anschließend vor laufenden Kameras, wie sie im Geschlossenen Jugendwerkhof Torgau, eine Disziplinareinrichtung, physisch und psychisch missbraucht wurde.
Holmer tritt ihr sichtlich bewegt gegenüber und sagt: „Sie müssen vergeben. Denn sonst frisst die Bitterkeit in Ihrem Herzen Sie auf.“
Und auch die letzte Botschaft von „Honecker und der Pastor“ schlägt in die gleiche Kerbe. Liefers setzt eine von Kornelius überlieferte Aussage seiner Mutter, die man auch 30 Jahre später der deutschen Gesellschaft zurufen möchte, ans Ende des Films: „Wenn wir das Vertrauen nicht wiederfinden, dann geht alles zugrunde.“
Der Film in der ZDF-Mediathek verfügbar.
14 Antworten
Na endlich wird dieses Thema mal aufgegriffen, ich bin gespannt, wie der Film gemacht wurde.
Jahrgang 1953 und DDR- sozialisiert, das reichte, um diesen m.M. nach hervorragenden Film von J.J.Liefers gespannt und amüsiert zu folgen. Liefers hat das historisch zweifellos komplexere Thema mit seiner leichten, sehr menschlichen Erzähl- und Regieweise trotzdem sehr gut eingefangen. Ich hab lange keinen so sensibel gedrehten Film gesehen. Besonders stark hat mich Hans-Uwe Bauer beeindruckt. Das kann eben ein guter und erfahrener Schauspieler unter der Führung eines guten und erfahrenen Schauspiel/Regisseurs leisten. Noch hinzukommt Bauers eigene DDR-Erfahrung mit Kinderheimen. Er hat mit sehr berührt.
Ich habe den Film gestern gesehen und ich frage mich, ob das Ausharren von Holmer und einem Polzisten im Haus bei den Honeckers wirklich so war. Was für einen Sinn sollte das haben, dass sich Holmer und auch der Polizist wegen der Sturheit der Honeckers in Lebensgefahr bringen? Auch gegenüber seiner Familie hat Holmer schließlich eine Verantwortung.
Es gibt eine Dokumentation zum Film.
Darin wird deutlich dass die Szene nicht genau so, aber tatsächlich ähnlich verlaufen ist. Die Motive der einzelnen Personen dafür werden auch klar.
Meinen Glückwunsch zu dieser gelungenen Produktion! Relevantes Thema, starkes Drehbuch, wunderbare Darsteller, stimmige Kulisse, gut getaktet. Vielen Dank.
Eine Frage: Von wem stammt das Lied im Hintergrund ab ca. Min. 27:20 (bevor Axel Prahl ins Bild kommt)?
Es war so. Für mich ist dieser Pfarrer ein wirklicher Glaubenszeuge. Auch bin ich nicht davon überzeugt, dass es für ihn uns seine Familie, damals, wirklich eine Lebensgefahr gab. Hassbotschaften wohl. Aber heute wäre es gewiss schlimmer. Nein, diese Christenmenschen haben getan, was andere nur sagen. Sie haben Nächstenliebe richtig verstanden und gelebt.
Ein wunderbarer Film nach einer realen Begebenheit, der die ganze Radikalität des Christentums einmal anschaulich macht. Nicht nur für Nichtchristen interessant, sondern gerade für uns Christen, wenn die Frage „was würde Jesus tun“, einmal ganz praktisch und anschaulich wird. Was bedeutet, das „liebet Eure Feinde“, das „tut denen wohl, die Euch hassen“? Sind wir wirklich dazu bereit, jemanden, der uns und unsere Ansichten nicht nur nicht teilt, sondern vielleicht lächerlich macht oder hasst, bei und aufzunehmen, ihm oder ihr die ganze Liebe Christi zuteil werden zu lassen? Diese Frage ist hochaktuell, sowohl in Bezug auf die Migration, aber in diesen Tagen auch in Bezug auf den Krieg gegen die Ukraine. Wer würde Herrn Putin Asyl gewähren, wenn er davon gejagt würde, wenn er an seinen Einstellungen festhielte? Wer hätte vielleicht gar Hitler Asyl gewährt?
Dieser Film hat viele Zuschauer verdient und sollte z.B. im Konfirmanden-/Kommunionsunterricht, im Religions- oder Werteunterricht in der Schule, in Alpha-Kursen und in Hauskreisen zum Pflichtprogramm gehören.
Mir hat der Film sehr gut gefallen. Die Stimmung der Bevölkerung wurde gut eingefangen. Ein grosses Lob an Jan Josef Liefers.
Ich habe mir den Film angesehen und nehme meinen Hut ab vor Jan Josef Liefers, der nach seinen eigenen Aussagen ein nicht-religiöser Mensch ist. Die christliche Glaubenseinstellung von Pastor Holmer mit allen Schwierigkeiten und vielleicht sogar Zweifeln werden sehr glaubhaft und ohne Zeitgeistfilter im Film rübergebracht. Das gilt auch für die Honeckers und ihre kommunistischen Einstellungen. Sämtliche Protagonisten des Fims spielen ihre Rolle grandios und überzeugend. Die Geschichte wird sehr einfühlsam erzählt. Und auch die Dramaturgie ist hervorragend gelungen, denn es ist gewiss nicht einfach, die 10 Wochen mit allen ihren Facetten in einem Film unterzubringen. Der Filme bringt dem Zuschauer sowohl eine außergewöhnliche geschichtliche Begebenheit als auch eine elementare christliche Grundüberzeugung nahe. Er gehört für mich auf die gleiche Stufe wie manche Stauffenbergverfilmung oder „Der Untergang“ (um hier wilkürliche Beispiele für bekannte Verfilmungen über geschichtloiche Episoden zu nennen). Sehr sehenswert! Ich vergebe 5 von 5 Sternen.
Ch. Ruch: Bemerkenswert war für mich besonders der Satz, den Cornelius von seiner Mutter überliefert hat: „Wenn wir das Vertrauen nicht wiederfinden, dann geht alles zugrunde.“ Aktuell wie noch nie, da viele Menschen das Vertrauen in unsere Politik und Regierung nach 32 Jahren verloren haben. Vertrauen gelingt nur durch Vergebung. Insofern haben Holmers damals richtig gehandelt, Barmherzigkeit nicht nur gepredigt, sondern vor allem gelebt. Auch, wenn es schwer fiel und noch schwer fällt. „Und vergib uns unsre Schuld, wie auch wir vergeben unsern Schuldigern.“ Wörtlich muss es heißen: „…wie wir vergeben haben unsern Schuldigern!“ Daran muss sich jedes Leben messen lassen. Wer nicht vergeben kann, den frisst die Bitterkeit des Herzens auf.“ Schade, dass dieser Film so wenig Anklang bei der Altersstufe der 14 bis 19jährigen gefunden hat. Denn sie sind die nächsten, die entscheidend mit die Zukunft gestalten. Geschichtsvergessenheit kann tödlich enden. Der schreckliche und unsinnige Krieg in der Ukraine zeigt es.
Wer wird denn nach dem Ukrainekrieg Herrn Putin bei sich beherbergen ?Oder wandet Hr. Putin zu seinem Freund Assad ins warme Syrien aus ? oder schickt ihn die gerechte russ. Gerichtsbarkeit ins gleiche Straflager wie den Kremlgegner Nawalny ?
Ich bete dafür, dass Jesus Putin erscheint wie damals Saulus. Bei Gott ist nichts unmöglich. Sein Wille geschehe.
Ich war als Ossi (Nicht FDJ, Nicht Jugendweihe) und persönlich bekannt mit Uwe u´Holmer und dreien seiner Söhne etwas enttäuscht, eine persönliche Bekannte von Fru Holmer ebenfalls. Die Doku trifft die Sachverhalte besser. Wenn der jüngste Sohn 1990 14 gewesen sein soll, ist der kleine Stift an der Tür einfach daneben. Es ist gut, daß der Film das Thema in die Öffentlichkeit brachte, solange man Uwe Holmer noch fragen konnte, und deshalb weise ich Leute auch deuf hin.
Bei der Ukraine beten wir um Gottes Erbarmen auch für Putin und die jungen ahnungslosen Soldaten, die auf eine „Übung“ geschickt wurden, aber auch für die in Kellern und Bunkern ohne Nahrung, Strom usw. und für die, die zwischen die Fronten geraten
Ich war sehr bewegt von diesem Film! Es ist einer der besten Filme, die ich je gesehen habe. So ein Tiefgang – und das bei so einer Balance. Sehr gelungen!