Wer heute mit Musik zu tun hat, kommt an dem digitalen Format mp3 nicht herum: Die Erfindung des Fraunhofer-Instituts für Integrierte Schaltungen in Erlangen steckt in Handys, Stereo-Anlagen und ermöglicht die hochqualitative Übertragung von Musik über Internet-Streaming-Dienste. Vor genau 25 Jahren, am 14. Juli 1995, trat das mp3-Format seinen Siegeszug um die Welt an, an diesem Tag einigten sich die Forscher am Fraunhofer-Institut auf die Dateinamenserweiterung „.mp3“ für den von ihnen maßgeblich entwickelten Audio-Standard.
Zu verdanken ist dieser Siegeszug zu einem großen Teil Karlheinz Brandenburg, der die scheinbar unlösbare Aufgabe der verlustfreien Komprimierung von Musik zum Thema seiner Doktorarbeit am Lehrstuhl für Technische Elektronik in Erlangen machte. Heutzutage ist es ihm und seinem Team überhaupt erst zu verdanken, dass man „1.000 Songs in der Hosentasche“ mit sich herumtragen kann, wie es Apple-Chef Steve Jobs bei der Präsentation des ersten iPods im Jahr 2001 ausdrückte. mp3-Miterfinder Brandenburg schaffte es 2014 in die „Internet Hall of Fame“, in der ansonsten neben ihm bisher nur zwei andere Deutsche vertreten sind.
Engagiert in der Kirche seit der Jugend
Engagiert in der Kirche war Brandenburg schon in der Jugend. „Ich war in Erlangen bei den Christlichen Pfadfindern, später auch Gruppenleiter“, sagt der Forscher gegenüber pro. „Dorthin habe ich bis heute noch Kontakte.“ Später vertrat er den VCP (Verband Christlicher Pfadfinderinnen und Pfadfinder) im Dekanatsjugendkonvent und dann im Landesjugendkonvent der Evangelischen Kirche in Bayern. Er war zwei Amtszeiten lang Vorsitzender des Landesjugendkonvents und eine zeitlang Delegierter der Bayerischen Landeskirche in der Arbeitsgemeinschaft der Evangelischen Jugend in Deutschland. Außerdem war er aktiv im Arbeitskreis „Evangelische Erneuerung“ (AEE), der Reformen in der Kirche angehen will. „Wir haben da zum Beispiel eine lange Zeit ein Abendgebet zu Themen der Zeit organisiert“, sagt Brandenburg. „Während des Studiums in Erlangen hatte ich außerdem sehr viele Freunde und Bekannte, die Theologie studierten, und war auch da ziemlich nah dran an der Kirche.“ In der Zeit seines Post-Doc in den USA musste er viele der Ämter ruhen lassen.
Die Kirche besuche er zwar heute noch nach wie vor regelmäßig, aber rückblickend sagt Brandenburg: „Ich habe im Laufe der Jahre insgesamt wohl mehr Gottesdienste selber mitorganisiert, als ich selbst welche besucht habe.“ Heute ist seit einigen Jahren Kuratoriumsmitglied in der Evangelischen Akademie Thüringen in Neudietendorf. „Ganz frisch bin ich zudem in die Landessynode der Evangelischen Kirche in Mitteldeutschland gewählt worden. Und hier in Ilmenau ist meine Frau im Kirchengemeinderat.“
Auf die Frage, was ihn zu diesem starken Engagement in der Kirche motiviert, sagt Brandenburg: „Das war zum Teil meine christliche Erziehung. Und als es um die Frage ging, ob ich den Wehrdienst antrete oder verweigere, wurde mir klar, dass ich stark vom christlichen Glauben geprägt war. Ich habe mich auch immer mit dem Thema Naturwissenschaft und Glaube auseinandergesetzt. Ich bin wie viele gläubige Wissenschaftler davon überzeugt, dass sich beides nicht ausschließt.“
Hören und Gehorchen
Die Verbindung zwischen dem Glauben und einem gesellschaftlichen Engagement gehören für Brandenburg auch heute noch wie selbstverständlich zusammen. „Gerade in aktuellen Zeiten, wo politische Kräfte aufgetaucht sind, die nach alle dem, was ich in der Bibel gelesen habe, das genaue Gegenteil von dem sind, was christlich ist. Wenn etwa Leute, die bei Pegida in Dresden vom christlichen Abendland sprechen, sage ich: Nein, das ist antichristlich, was die machen! Christliche Verpflichtung bedeutet, sich um den Nächsten zu kümmern und Fremde aufzunehmen.“
Im Juli vergangenen Jahres schied Brandenburg nach fast 20 Jahren, kurz nach seinem 65. Geburtstag, aus dem Fraunhofer-Institut aus. Er ist an der TU Ilmenau jetzt Senior Professor und betreut dort Forschungsprojekte, Abschlussarbeiten und Dissertationen. Letztes Jahr gründete Brandenburg eine eigene Firma, die „Brandenburg Labs“, in der er weiter auch mit der Universität und Fraunhofer zusammenarbeitet. Er entwickelt hier eine neue Technologie mit dem Namen „Personalized Auditory Reality“ kurz PARty, die gezieltes Hinhören, Zuhören oder Weghören ermöglichen soll. Dabei sollen Kopfhörer beim Hören helfen, wie die Brille beim Sehen. Mit dem „PARty“-Kopfhörer soll man mithilfe einer Künstlichen Intelligenz bestimmte akustische Signale gezielt an- oder ausschalten können. Brandenburg ist Geschäftsführer und bis jetzt alleiniger Geldgeber.
Das Hören steht also weiter im Mittelpunkt des Interesses von Brandenburg. Da passt es auch, dass er auf die Frage, was sein Lieblingsvers in der Bibel ist, lachend antwortet: „Mein Konfirmationsspruch lautete: Man soll Gott mehr gehorchen als den Menschen.“
Von: Jörn Schumacher