„Hier stehe ich und kann nicht anders“

Kernbotschaften der Reformation im musikalischen Gewand: Unter dem Titel „Wir sind Bettler“ ist in der Berliner Philharmonie das Luther-Oratorium des Komponisten Daniel Pacitti mit Texten des Theologen Christian Meißner uraufgeführt worden. Im Mittelpunkt des Oratoriums steht die befreiende Gnade Gottes.
Von Christina Bachmann
Uraufführung in der Berliner Philharmonie: Das Luther-Oratorium des Komponisten Daniel Pacitti mit Texten des Theologen Christian Meißner

Mit dem titelgebenden Wort Luthers „Wir sind Bettler“ stieg Bariton Roman Trekel als Luther ein. Im Prolog, bestimmt von gewichtigen, dramatischen und teils düsteren Klängen mit viel Einsatz von Pauken und Becken, machte die Figur des Reformators deutlich: Wir sind nichts, Gott hat uns gemacht. Seht deshalb nicht auf mich, Luther, sondern auf Gott.

Erlösung erkaufen

Aus vier Teilen besteht Daniel Pacittis Oratorium. Im ersten Teil, überschrieben mit „Luthers reformatorische Entdeckung“, setzt Pacitti, der das Brandenburgische Staatsorchester Frankfurt bei der Uraufführung selbst dirigierte, auf dramatische Musik. Diese passt zum Text von Christian Meißner: Am Tag des Zorns kann keiner vor Gott bestehen, nur der aus Gottes Gnade Gerechte. Sanftere, ruhigere Musik erklingt erst bei der Aussage Luthers „Im Glauben trifft uns kein Gericht“.

Im zweiten Teil tritt der Ablassprediger Tetzel (Bass Dominic Barberi) auf, der dem Volk einredet: „Sünder seid ihr“ und die Rettung in Aussicht stellt: „Gebt von dem Vermögen reichlich und kaufet euch jetzt frei“. „Wozu noch Buße“, fragt das Volk (Sopranistin Christiane Roncaglio als Magd), wenn man sich Erlösung doch kaufen könne. „Schweig still“, herrscht Luther Tetzel an. Der Streit zwischen den beiden ist wie von dramatischer Filmmusik unterlegt und endet in Luthers Bekenntnis: „Erbarmen, Gnad‘, Barmherzigkeit, Vergebung aller Sünden, das kommt von Christus ganz allein, Gott selbst will sich uns schenken.“

Der Theologe Christian Meißner und der ehemalige EKD-Ratsvorsitzende Wolfgang Huber Foto: Christina Bachmann
Der Theologe Christian Meißner und der ehemalige EKD-Ratsvorsitzende Wolfgang Huber

Kinder singen „Ein feste Burg“

Teil drei erzählt vom „Bruch mit Rom“. Luther schreibt an den Papst und bekommt zu hören: „Kehr schnell zurück und reih‘ dich endlich wieder ein!“ Für den Reformator ist die Antwort klar: „Ob Engel, Papst, Konzilia, das WORT sie müssen lassen stahn!“ Der Konzert- und der Kinderchor der Staatsoper Berlin sangen gemeinsam, erst a capella, dann begleitet vom Orchester, den Choral „Ein feste Burg“. Der Kardinal warnt das „Mönchlein klein“, doch das hält an seiner Überzeugung fest. Außerdem sang der Berliner Oratorien-Chor.

Der letzte Teil – „Luthers Bekenntnis vor Kaiser, Reich und Papst“ – zeigt den Reformator in seinem Festhalten an dem, was er glaubt, gegenüber weltlichen und kirchlichen Gewalten. Das Ganze gipfelt in seinem legendären, wenn auch nicht verbürgten Ausspruch: „Hier stehe ich und kann nicht anders.“ Der Epilog schließlich greift noch einmal das „Wir sind Bettler“-Zitat auf, begleitet von ruhiger und harmonischer Musik. Viel Applaus gab es bei der Uraufführung für ein aussagekräftiges Oratorium über einen beeindruckenden Mann, das bei einer Dauer von über drei Stunden allerdings einige Längen hatte.

Luther als Mensch wie „du und ich“

Im Reformationsjahr denke man an Luthers besonderes Leben, das die Welt verändert habe, sagte der Librettist Meißner im Gespräch mit pro. Gleichzeitig habe er Luther nicht als übermenschlichen Glaubenshelden darstellen wollen, sondern „als einen Menschen wie du und ich, mit all seinen Zweifeln, Höhen und Tiefen, der aber aus der Mitte des Wortes Gottes gelebt hat und darin seinen festen Halt hatte“.

Diese Festigkeit könne man auch heute gebrauchen, erklärte Meißner. Es sei wichtig, auch in schweren Zeiten nicht im Zweifel zu versinken. Das habe er in dem säkularen Ort Konzertsaal nicht nur dem Kirchenpublikum nahebringen wollen, sondern den „ganz normalen Menschen“, damit sie merkten, „wie aktuell die befreiende Botschaft der Gnade Gottes für uns heute noch ist“. Auch er selbst wisse, dass er sich ganz auf Jesus Christus verlassen könne und dass er ihm nahe sei, bekannte der Pfarrer. Luthers letzte Worte „Wir sind Bettler – das ist wahr“ zeigten die Demut des Reformators in Bezug auf sein eigenes Werk und Wirken. „Bei allen Kämpfen ging es Luther nämlich nie um sich selbst oder die eigene Person, sondern um das befreiende Evangelium Jesu Christi allein.“

Hörerfreundliches zeitgenössisches Werk

Der italo-argentinische Komponist Daniel Pacitti hat diese Inhalte musikalisch umgesetzt: „In diesem Werk sind die unterschiedlichsten Einflüsse versammelt und miteinander verwoben worden, und das reicht von den mittelalterlichen Einflüssen über das reformatorische Liedgut bis hin zu den Spätromantikern. Selbstverständlich bin ich auch stark durch die italienische Opernkultur geprägt.“ Wichtig war Pacitti, Herz, Geist und Verstand gleichermaßen anzusprechen. Einen emotionalen Zugang für den Zuhörer schaffen, das sei sein Ziel. Seine Komposition setze deshalb auf Hörerfreundlichkeit – im bewussten Gegensatz zu vielen anderen zeitgenössischen Werken.

Kennengelernt hatten sich der römisch-katholische Komponist und der evangelische Librettist bei einem Empfang der Evangelischen Kirche Deutschland (EKD) in Berlin. Der Evangelische Arbeitskreis (EAK), dessen Bundesgeschäftsführer Meißner ist, ist eine Sonderorganisation von CDU und CSU und vertritt die evangelischen Mitglieder der Unionsparteien. Als ökumenisch interessierten Menschen hätten ihn Luther und die Reformation fasziniert, so Pacitti. Mit dem EAK-Bundesgeschäftsführer sei dann die Idee zu einer gemeinsamen Komposition geboren. (pro)

Von: Christina Bachmann

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