Rezension

Heute hoffen immer weniger Menschen

Ob Corona-Pandemie, Klimakrise oder der Ukraine-Krieg: Es gibt kaum noch Grund, zu hoffen. Oder doch? Jonas Grethlein nimmt seine Leser mit auf eine Reise zur Bedeutung und Ursprung der Hoffnung von der Antike bis ins 21. Jahrhundert.
Von Petra Kakyire
Mensch mit geöffneten Handflächen, schwarze Kleidung

Wie hat Hoffnung die Menschen in der Antike geprägt? Was bedeutet Hoffnung für uns Menschen heute? Welche Rolle spielt dabei der christliche Glaube? Diesen Fragen widmet sich der deutsche Altphilologe Jonas Grethlein in seinem Buch „Hoffnung – eine Geschichte der Zuversicht“. Der Autor untersucht die Bedeutung der Hoffnung in verschiedenen kulturellen und historischen Kontexten. Von der Antike bis zur Gegenwart führt Grethlein durch die Geschichten von Religionsstiftern, Philosophen, Märtyrern, Künstlern und Dichtern.

Für Goethe war Hoffnung „das schönste Erbe des Lebendigen“. Der Philosoph Karl Jaspers habe betont, dass Hoffnung ein Wesensmerkmal des Lebens sei. Gleichzeitig gebe es auch kritische Stimmen zur Hoffnung. Manche Philosophen wie Sigmund Freud und die Stoiker der Antike hielten Hoffnung als eine Fantasie und für einen Zustand, der den Menschen von der Realität ablenke, heißt es in dem Buch.

Märtyrer hoffen auf ewiges Leben und die Auferstehung

Die Wurzeln der Hoffnung im Christentum reichen bis in die Antike zurück, wie der Autor angibt. Christen hätten den Begriff Hoffnung vor allem im Zusammenhang mit Märtyrern geprägt. Als Beispiel nennt Grethlein die Geschichte von Perpetua, einer jungen Christin, die 203 n. Chr. zusammen mit anderen Märtyrern im Amphitheater von Karthago starb. In einem Bericht beschrieb sie ihre Hoffnung auf das ewige Leben und die Auferstehung nach dem Tod.

„Diese christliche Hoffnung war geprägt von der Erwartung, dass Gott durch seine Verheißungen und das Opfer Christi das Heil und die Auferstehung der Toten bewirkt“, schreibt Grethlein. Auch im Alten Testament, in den Psalmen und den Prophetenbüchern der Bibel, kommt der Begriff Hoffnung vor. Dort wird Hoffnung im Zusammenhang mit Gottes Hilfe und Erlösung beschrieben. Hoffnung beruhe nicht auf menschlicher Kontrolle oder Sicherheit, sondern auf Gottes Verheißung, heißt es in dem Buch.

Im Mittelpunkt steht das Vertrauen auf Gott und die Aufforderung, zu warten. Der Autor nennt die biblischen Figuren Daniel, Mose, Abraham, David und die Israeliten, die in der Bibel auf Gottes Verheißung und Rettung gehofft haben.

Im Neuen Testament habe vor allem der Apostel Paulus in seinem Brief an die Römer die Bedeutung der Hoffnung beleuchtet. Für Paulus sei Hoffnung nicht nur eine menschliche Eigenschaft, sondern vielmehr ein Begriff, der spezifisch auf die Gnade durch Jesus Christus ausgerichtet sei, schreibt Grethlein. Der Mensch werde dabei nicht durch eigene Werke gerecht, sondern allein durch die Gnade Gottes, die er im Glauben an Jesus Christus empfangen könne. Hoffnung sei in dieser Perspektive nichts, was der Mensch sich selbst erarbeiten könne, sondern Gnade, die aus der Beziehung zu Gott komme.

Krisen bewirken weniger Hoffnung in Menschen

Für das 21. Jahrhundert sieht Grethlein das „Anthropozän“, ein erdgeschichtliches Zeitalter, das vom Menschen bestimmt wird. In diesem Zeitalter sei die Menschheit mit globalen ökologischen und sozialen Krisen konfrontiert. Angesichts von Wirtschaftskrisen, der Corona-Pandemie, dem Ukraine-Konflikt und der Klimakrise stelle sich die Frage, ob und wie Hoffnung noch möglich sei. Die Zukunft werde von vielen als unsicher und bedroht wahrgenommen.

„Doch während die Verheißung des ewigen Lebens dem neuen Menschen Hoffnung gibt, ist Hoffnung keine Kategorie im Rahmen einer geologischen Betrachtung der Spezies. Der geologische Blick radiert die Hoffnung aus“, beschreibt Grethlein.

Auch in der heutigen Zeit sei die Hoffnung im christlichen Kontext präsent. Für Papst Benedikt XVI. ist die Bedeutung der Hoffnung im christlichen Leben auch in der Gegenwart wichtig.  Er habe sie heute als einen „Fortschrittsglauben, der allein auf die menschliche Vernunft setzt“, gesehen, schreibt Grethlein.

Die Gegenwart verändere sich, indem der Mensch auf etwas hoffe, was die Zukunft beschreibe. Hoffnung sei etwas, das die Zukunft in die Gegenwart ziehe, sodass beides miteinander in Beziehung gesetzt werde. Das Evangelium vermittle nicht nur Wissen, sondern verändere das Leben und schenke den Menschen ein neues Leben. Damit stellt Benedikt die Hoffnung als eine Kraft dar, die handeln und verändern kann.

Jonas Grethlein ist es gelungen, den Leser auf eine Reise durch die verschiedenen Definitionen von Hoffnung in den verschiedenen Epochen mitzunehmen. Er zeigt auf, wie vielfältig der Begriff der Hoffnung ist, wie er in den verschiedenen Epochen verwendet wurde und in welcher Weise er die Menschen geprägt hat. Hoffnung kann eine Quelle der Kraft in schwierigen Zeiten sein.

Sie kann ein Ziel sein, an dem der Mensch festhält, aber auch ein Weg, mit Unsicherheit umzugehen. Der Autor schreibt in einem klaren und deutlichen Stil. Das Buch ist gut gegliedert. Die Philosophen, Dichter, religiösen Stimmen und Künstler sind nachvollziehbar ausgewählt. Durch die sorgfältige Auswahl der Texte und die fundierte Analyse ist das Buch sowohl für Fachleser als auch für interessierte Laien geeignet.

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