Im klassischen Journalismus existiert eine zu starke Homogenität. Dies hat der Landauer Politologe Thomas Leif bei den Südwestdeutschen Medientage in Neustadt beklagt. Er bemängelte, dass viele Journalisten „nichts vom Leben wissen und sich häufig nur aus Sekundärquellen“ bedienten. Medienkompetenz dürfe nicht mehr nur alibimäßig gebraucht werden, sondern müsse auch wirklich gelebt und umgesetzt werden.
In manchen Mediengruppen gebe es den Ansatz, dass Politiker, die zum Interview kommen, auch „etwas mitbringen“ müssten. Aus Leifs Sicht scheitere Journalismus nicht an fehlendem Geld, sondern an fehlendem Journalismus. „Ein Oberbürgermeister kann ohne den guten Draht zu einer Monopol-Zeitung nicht existieren. Landräte können ohne ein gutes Verhältnis zur Lokalzeitung ihre Wahl nicht gewinnen“, sagte Leif.
Professionelle Publikationsarbeit brauche professionelle Leute. Auf der einen Seite gebe es viel sehr gutes journalistisches Material in Deutschland. Hier nannte er als Beispiel den Deutschlandfunk und das Deutschlandradio. Auf der anderen Seite würden Moderatoren wie Markus Lanz Medienpopulismus betreiben. Erst in dieser Woche habe dieser „eine Art Interview“ mit dem CDU-Politiker Jens Spahn geführt, das man kaum noch journalistisch sauber nennen könne. Kritik übte er auch an Blogs wie die „Achse des Guten“, die populistische Strömungen verbreiteten.
„Das ist der Rhythmus, wo jeder mit muss“
Der Düsseldorfer Kommunikationswissenschaftler Gerhard Vowe beleuchtete Wahlkämpfe in der Online-Welt. Früher sei es ausgesprochen übersichtlich gewesen, wer mit wem kommuniziert habe. Die politischen Gruppen seien stark segmentiert gewesen. Heute beteiligten sich gewisse Schichten stärker, weil es durch die sozialen Netzwerke nichts koste: „Die Organisationsformen sind flexibler.“
Zudem seien die Wahlkämpfe mit ihren Botschaften viel stärker auf den Wähler zugeschnitten. „Insgesamt wird die Auseinandersetzung rauer.“ Der Horizont des Kommunizierens erweitere sich. Aktuell seien die Wähler weniger gebunden als bisher. Auch das Risiko unvorhergesehener Ereignisse wachse. Vowe zitierte den Musiker Udo Lindenberg, der schon 1976 geschrieben habe: „Das ist der Rhythmus, wo jeder mit muss.“
Früher seien die etablierten Medien die Nadelöhre gewesen, durch die die Nachrichten hindurch gemusst hätten. Heute seien das die sozialen Netzmedien. „Früher wurden Wahlkämpfe intuitiv geführt. Heute wird möglichst exakt gemessen und mit den Ergebnissen gearbeitet.“ Vor allem die AfD bestimme mit kurzen Nachrichtentweets die Erregungsreflexe und beackere diese Reflexe effektiv.
Der Wahlkampf der Zukunft sei digital basiert und allgegenwärtig, dadurch, dass er computerisiere, vernetzte und algorithmisiere. In den Massenmedien werde die AfD abgelehnt. Durch die Sozialen Medien würden ihre Thesen jedoch verbreitet: Das stärke denjenigen den Rücken, die sich bisher als Minderheit gefühlt hätten. Beim Blick in die Zukunft zeigte der Kommunikationswissenschaftler, dass die künstliche Intelligenz Einzug in die politische Kommunikation halten wird. „Wir werden den Dialog mit dem Computer suchen.“ (pro)
Von: jw