Die Trennlinie zwischen Angeboten im Fernsehen und im Internet wird immer undeutlicher. Damit Kinder und Jugendliche auch in Zukunft vor schädlichen Inhalten geschützt sind, sollen dazu die gesetzlichen Bestimmungen überarbeitet werden.
Inhalte aus Fernsehen und Internet verschmelzen zunehmend auf mobilen Endgeräten und stellen damit den Jugendmedienschutz vor Probleme
Die geplanten Neuregelungen im Jugendmedienschutz müssen in Zukunft stärker die Inhalte, nicht wie bislang alleine die Vertriebswege, im Fokus haben. Zu diesem Ergebnis kamen am Mittwoch die Teilnehmer der Diskussionsveranstaltung „KJM im Dialog“ der Kommission für Jugendmedienschutz (KJM) in der Niedersächsischen Landesvertretung in Berlin.
Der Vorsitzende der KJM, Siegfried Schneider, vertrat die Auffassung, dass die Medienregulierung zum Schutze von Kindern und Jugendlichen zukünftig inhaltsorientiert sein müsse: „Die gesetzlichen Grundlagen des Jugendmedienschutzes in Deutschland – allen voran der Jugendmedienschutz-Staatsvertrag (JMStV) – beruhen noch auf dem Prinzip der Trennung von linearen und non-linearen Angeboten.“ Zu den linearen Medien gehört das klassische Fernsehen, das jedoch zunehmend mit dem Internet verschmilzt. Das Zusammenwachsen verschiedener Dienste und Inhalte wird in der Medienwissenschaft als Konvergenz bezeichnet. Für den Jugendmedienschutz ist daher aus Schneiders Sicht eine neue Regelung unverzichtbar, die sich nicht mehr wie bisher am Verbreitungsweg, sondern an den Inhalten orientiere. Die Veränderungen der Medienkonvergenz stellten den Jugendmedienschutz vor Herausforderungen, sagte Andreas Fischer, stellvertretender Vorsitzender der KJM und Direktor der Niedersächsischen Landesmedienanstalt (NLM): „Die Aufsicht muss mit dem Instrumentenkasten arbeiten, der ihr zur Verfügung steht. Dieser muss so angepasst werden, dass aktuelle Herausforderungen bewältigt werden können.“
Kaum noch Kontrolle durch Eltern möglich
Isabell Rausch-Jarolimek, Bereichsleiterin Jugendmedienschutz der Gemeinsamen Geschäftsstelle der Medienanstalten, erklärte, dass wegen der Verlagerung und Verschmelzung des Medienkonsums bei Jugendlichen auf mobilen Endgeräten mit Internetanschluss Eltern kaum noch Möglichkeiten der Kontrolle hätten. In Mediatheken und Download-Plattformen stünden praktisch alle Inhalte ohne Alterskontrolle zur Verfügung. Zudem könnten heute Kinder im Internet Spiele aufrufen, deren Vertrieb noch vor zehn Jahren mit Altersbeschränkung eingeschränkt gewesen sei. Sorina Lungu, Schülerin und Scout der Selbstschutzplattform juuuport, berichtete aus der Praxis: „Welches Kind guckt denn eigentlich noch Fernsehen?“. Lungu forderte mehr Beteiligung der Jugendlichen bei der Gestaltung des Jugendmedienschutzes und eine verständliche Erklärung, worum es dabei gehe.
Werte auch beim Jugendmedienschutz wichtig
Einig waren sich die Diskussionsteilnehmer in dem Punkt, dass Jugendmedienschutz weiterhin erforderlich ist. Antje Höhl, Medienreferentin der Niedersächsischen Staatskanzlei, sagte: „Man kann nicht immer hinterherharken und jedem Verstoß nachgehen. Es geht um die Vermittlung von Wertevorstellungen.“ Ihrer Meinung nach ist es „ein Armutszeugnis für Deutschland, dass das verbriefte Recht auf Schutz nicht umgesetzt wird“. Es gebe sehr viele Befürworter des Jugendmedienschutzes, „nur die Gegner sind einfach lauter“. Es gelte, die Werte zu vermitteln, die hinter dem Gesetz stünden, und „das mit Worten, die jeder verstehen kann“.
Technischer Schutz stockt
Auf Anfrage erläuterte Höhl die Absicht der Novelle des Jugendmedienschutzgesetzes: „Dadurch, dass die Mediengattungen immer mehr zusammenwachsen, ist es wichtig geworden, dass die jetzige Anknüpfung an die Verbreitungswege, also Fernsehen, Internet, Smartphone und so weiter, dass diese Aufteilung künftig entfällt und der Jugendmedienschutz an Inhalten festgemacht wird.“ 2010 sei man schon einmal so weit gewesen, dass der 14. Rundfunkänderungsstaatsvertrag eine Novelle des Jugendmedienschutzstaatsvertrages vorsah. Damals hatten zwölf Landtage der Novelle zugestimmt, aber weil Nordrhein-Westfalen dagegen stimmte, war das Gesetz nicht geändert worden. In Schleswig-Holstein war es im Landtag wegen des Votums in Nordrhein-Westfalen nicht mehr zur Abstimmung über die Gesetzes-Novelle gekommen. Die Initiative, technischen Jugendmedienschutz in Zusammenarbeit von Bund, Ländern und Unternehmen umzusetzen, sei ins Stocken geraten, sagte Höhl. „Auf dem Feld ist ziemlich viel Ruhe. Das macht es verdächtig.“
Derzeit läuft die Vorunterrichtung der Landtage über die 19. Änderung des Rundfunkstaatsvertrags, in dem der rasanten Digitalisierung und der Fortentwicklung des Jugendmedienschutzes Rechnung getragen werden soll. Die Ministerpräsidenten der Länder wollen, wenn alles weiter nach Plan verläuft, am 3. Dezember den neuen Staatsvertrag unterzeichnen. Mit Inkrafttreten am 1. Oktober 2016 soll es dann auch ein rein webbasiertes Angebot für junge Menschen zwischen 14 und 29 Jahren von ARD und ZDF geben. Zudem sollen Korrekturen an der Beitragsfinanzierung (ehemals GEZ-Gebühr), beispielsweise die Befreiungen von der Gebühr bei Privathaushalten in bestimmten Fällen, vorgenommen werden. (pro)
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