Ursula Ott hat sich in einem Kommentar für die Abschaffung des Paragrafen 219a ausgesprochen. Ihr Kommentar wäre mit Sicherheit auf weniger Kritik gestoßen, wenn die Chefredakteurin von chrismon ihre These nicht einseitig aus Sicht betroffener Frauen vorgetragen hätte. Sondern wenn sie auch die Opferperspektive, nämlich die der potenziell zu tötenden Kinder, berücksichtigt hätte. Ihre Andeutung, dass bessere Informiertheit bei Frauen zu weniger Abtreibungen führe, hätte auch flankiert werden können durch den Hinweis, dass eine Abschaffung des Werbeverbots möglicherweise das Bewusstsein für das Töten von Kindern senken könnte.
Dies macht Ursula Otts Kommentar für einige zu einem großen Skandal. Gleichzeitig hat Jörg Bollmann, Direktor des Gemeinschaftswerks Evangelischer Publizistik, recht, wenn er sagt, dass die Definition darüber, was christlich und was unchristlich sei, nicht durch Bots, Kommentare und Rausschmiss-Forderungen erfolgen sollte.
Aber gerade da liegt der Hase im Pfeffer: Was ist denn sonst der Gradmesser, an dem sich Christliches von Unchristlichem unterscheidet? Das ist Jesus Christus.
Es stimmt, die Erkenntnis der Reformation, die Freiheit des Christenmenschen, ist ihr großer Gewinn. Allerdings darf dieses Verständnis nicht gänzlich ins Private, Individualistische aufgelöst werden. Das ist zwar postmodern, aber nicht das Entscheidende.
Der Dialog muss einen überpersönlichen Bezugspunkt haben. Glaube als Beziehung zu Gott ist eben nur dann reformatorischer Glaube, wenn gewährleistet ist, dass der Glaubende mit Gott und nicht nur mit seinem persönlichen Gottesbild kommuniziert. Denn dann wäre es kein Dialog mit Gott, sondern in Wirklichkeit ein Monolog.
Dabei ist das Orientierung geben durch die Amtskirche hilfreich. Als Angebot, nicht als Zwang. Im Mittelpunkt der Argumentation der Reformatoren steht die Bibel. Diese wird aber nicht zur Abwehr kirchlicher Autoritätsansprüche generell eingebracht, sondern nur solcher, die der Bibel widersprechen. Der chrismon-Kommentar wird sicherlich von vielen Lesern aufgrund seiner Positionierung als akzeptierte Verlautbarung der EKD verstanden, auch wenn das gar nicht zutrifft.
Deswegen ist es gut, dass das Thema beim Christlichen Medienkongress diskutiert wird und dass dafür sensibilisiert wird. Und deswegen sind auch die rauen Töne der Veranstalter untereinander als gute und wertschätzende Diskussionen zu verstehen. Oder wie Bollmann formulierte: „Fest verbunden im Auftrag für Jesus Christus!“
Von: Stefanie Ramsperger