Heiliges Jahr in Rom: Pilger haben Vorfahrt

2025 feiert die katholische Kirche ein Heiliges Jahr, in dem Katholiken aus aller Welt nach Rom pilgern. In Gruppen werden sie zum Petersdom geschleust, alles muss zügig gehen.
Pilgerer in einer Kirche

Mannshohe Holzkreuze stehen ordentlich aufgereiht auf einem Gestell – gut sichtbar hinter der Glasfront eines unscheinbaren Containers. Hier, auf der Piazza Pia in Rom, direkt neben der Engelsburg, startet der Weg der katholischen Pilger, die im Heiligen Jahr 2025 nach Rom kommen. Für manche ist es die letzte Etappe eines langen Weges der Einkehr. Die meisten aber dürften wohl per Zug oder Flugzeug angereist sein. Ihre Wallfahrt wird nicht einmal eine halbe Stunde Zeit in Anspruch nehmen. Auch das Pilgern passt sich der Hektik der Moderne an.

Insgesamt werden dieses Jahr rund 30 Millionen Pilger in Rom erwartet – zusätzlich zu den rund 50 Millionen Touristen, die ohnehin jedes Jahr die italienische Hauptstadt und den Vatikan besuchen. Die Karwoche und Ostern sind traditionell Besucher-Höhepunkte.

Das Ziel der Pilger: die Heilige Pforte, das ist die bronzene Tür zum Petersdom. Sie ist normalerweise zugemauert, nur zu einem Heiligen Jahr wird sie geöffnet – in der Regel alle 25 Jahre. Wer dann die Pforte durchschreitet, dem wird die Streichung aller Sündenstrafen im Jenseits versprochen: der vollkommene Ablass.

Im Container auf der Piazza Pia meldet man sich an. „Pilgrim?“, fragt die junge Frau hinter der Theke kurz angebunden. „Yes.“ Schnell den digitalen Pilgerpass gezückt, der QR-Code, der die Reservierung des Zeitfensters bestätigt, wird gescannt, und dann heißt es: „Hurry!“ – Beeilung. Die Gruppe, der man sich anzuschließen hat, stehe schon bereit. In der App „Iubilaeum25“ können über einen Account auch mehrere Personen angemeldet werden, ab zweien gilt man bereits als eigenständige Pilgergruppe.

Sündenvergebung für „wahrhaft reuige“ Gläubige

Was nicht heißt, dass man auch ein eigenes Kreuz bekommt. Hier zählt das weltliche Prinzip: Wer zuerst kommt, mahlt zuerst. Das Dutzend anderer Pilger mit einer 15-Uhr-Reservierung ist an diesem Tag schon wenige Meter vom Container entfernt vor der Absperrung mit Blick auf den Petersdom startbereit. Ein Familienvater aus Portugal steht in der ersten Reihe und hält sichtlich stolz das Holzkreuz vor sich, bereit, die zusammengewürfelte Gruppe durch die Heilige Pforte zu führen.

Im Schreiben der Apostolischen Pönitentiarie – die für den Ablass zuständig ist – wird zwar betont, dass auch während des Heiligen Jahrs alle anderen Voraussetzungen dafür in Kraft bleiben. Konkret heißt das: Nur „wahrhaft reuige“ Gläubige, die „unter Ausschluss jeglicher Neigung zur Sünde und von einem Geist der Nächstenliebe bewegt“ während des Heiligen Jahrs beichten, die Heilige Kommunion empfangen und gemäß den Intentionen des Papstes beten, bekommen diesen Ablass.

Aber ob man nun zu dieser Gruppe gehört, bleibt jedem selbst überlassen. Nichts davon wird überprüft – wie auch. „Pilger der Hoffnung“ ist der Leitspruch des Jahres. Er besitze bewusst universelle Züge, erklärte Erzbischof Rino Fisichella, der Beauftragte für das Jubiläum: „Jeder hofft – niemand ist ausgeschlossen.“

Kaum ist die 15-Uhr-Gruppe vollzählig, öffnet eine junge Frau in der grellgrünen Ehrenamtlichen-Jacke die schwarze Schranke, die den Weg der Pilger freimacht. Für sie wurde eine Art eigene Fahrbahn auf der sonst von Massen an Touristen bevölkerten Via della Conciliazione eingerichtet: Bepflanzte Betonkübel trennen die Pilger vom Rest der Rom-Besucher. Ein gerader Weg führt sie direkt auf den Petersdom und die Heilige Pforte zu.

Weitere Menschen in Grellgrün wachen darüber, dass der Weg auch wirklich frei bleibt. „Respettiamo la croce“, respektieren wir das Kreuz, raunt eine der Ehrenamtlichen einem hektischen Passanten zu, der den Pilgerweg noch schnell überqueren will, bevor die Gruppe auf seiner Höhe ankommt. Aber hier ist kein Durchkommen: Die Pilger haben Vorfahrt.

Zumindest etwas abgeschirmt vom touristischen Treiben folgt die Gruppe dem Kreuzträger. Die Welt lässt sich aber nicht komplett ausblenden. Kurz vor dem Ziel wird der Pilgerweg durch die obligatorische Sicherheitskontrolle jäh unterbrochen: Ohne eine Durchleuchtung der Taschen und einen Gang durch den Metalldetektor kommt niemand in den Petersdom. Auch nicht im Heiligen Jahr. In diesem wurden aber immerhin extra für die Pilger eigene Stationen für die Sicherheitskontrolle eingerichtet. Zumindest das lästige Anstehen fällt damit weg.

Und so ist nach nur 15 Minuten Pilgerzeit die Heilige Pforte erreicht. Das Durchschreiten wird von Kirchengeläut untermalt, das in Dauerschleife aus Lautsprechern neben den Türen klingt. Einmal im Dom geht es noch zum Grab des heiligen Petrus – und das war es dann auch schon: Erneut ist ein Ehrenamtlicher in grüner Jacke zur Stelle, nimmt dem selbsternannten Chef der 15-Uhr-Gruppe das Holzkreuz ab und verschwindet damit zügigen Schrittes in Richtung Ausgang. An einer Säule vor der Basilika warten bereits sechs weitere Kreuze darauf, wieder zum Startpunkt zurückgebracht zu werden.

Etwa so lange wie das Pilger-Erlebnis selbst dauert es an manchen Tagen, das Zertifikat dafür zu ergattern. Ausgestellt wird es im Pilgerzentrum in der Via della Conciliazione 7. Mehr als die Nennung des Namens und die Zahlung von zwei Euro braucht es nicht, und man hält die feste Urkunde in den Händen. Für einen Euro extra gibt es noch eine Pappröhre für den sicheren Transport. Siegel und Unterschrift von Erzbischof Fisichella auf der Urkunde bezeugen, dass man „während des Jubiläums gläubig nach Rom gepilgert“ ist und „unter den Pilgern war“. Selbst wenn es nur 20 Minuten waren.

epd
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