Es begab sich zu der Zeit, dass der römische Kaiser Augustus seine Macht in Zahlen fassen wollte.
Es begab sich. Zu der Zeit, als das Römische Reich so richtig erfolgreich war. Machtmänner wie der Kaiser Augustus lassen immer mal wieder durchzählen. Wie viele Menschen sind mir untertan? Wir Männer kennen das Phänomen, dass wir unsere Erfolge nur in Zahlen ausdrücken können. 200 PS, sechs Zylinder, 200 Quadratmeter Zweitwohnsitz am Tegernsee, 150 Patente, 3.000 Mitarbeiter, Wachstumsrate um 22 Prozent. Ohne die Möglichkeit, unseren Wert zu beziffern, würden wir Männer im ziemlich kurzen Hemd da stehen.
Das römische Imperium hatte sich durch aggressive Annexion der Völker, die sich selbst nur unzureichend verteidigen konnten, in Richtung Osten ausgebreitet. Eine finstere Zeit, in der rund 50 Millionen Menschen zwischen Indien und dem Mittelmeerraum unter den römischen Besatzern gelitten haben. Das hieß: Klappe halten, Steuern zahlen und artig gegenüber der römischen Elite buckeln.
Augustus verstand sich nicht nur als Staatsmann, sondern auch als religiöser Vermittler zwischen dem Volk und den Göttern. Er ernannte sich selbst zum Pontifex Maximus, dem größten Brückenbauer überhaupt. Das stinkt heftig nach Größenwahn. Augustus starb 14 Jahre nach Christi Geburt. Der Höhepunkt seiner Karriere war überschritten, die Zeitenwende wurde nicht kalendarisch mit „ XX nach Augustus“ bezeichnet – sondern nach Christi Geburt.
Gurkentruppe statt Elite
Zu dieser Zeit stand der einst gewindelte Juniorchef eines kleinen Bauunternehmens in Nazareth vermutlich noch an der Hobelbank. 15 Jahre später outete er sich als Menschensohn. Er brauchte keinen Tempel und keine Wohnung, keine Sprechstunden, er trug keine Waffen, er war ein Habenichts. Er war der Meister, der Rabbiner, der nicht Menschen einbestellt oder vorlädt, sondern sie einlädt, ihre Sorgen teilt, ihre Nöte versteht und ganz ambulant unspektakulär Menschen heilt, so im Vorbeigehen. Ganz „en passant“ stellte er sich ein Team von Schülern zusammen. Ohne Eignungstest und Rigorosum beruft er eine Mannschaft aus Enthusiasten und Skeptikern zusammen. Eine Gurkentruppe. Sie sollten Zeugen der größten Zeitenwende überhaupt werden.
Irgendwann in der Epoche der Makkabäer, wo die Stimmen der nachexilischen Propheten verstummt waren und der Anbruch der Gottesherrschaft mündlich tradiert wurde, da kommt aus dem Nichts der von den Schriftpropheten angekündigte Messias.
Und heute, nach drei Jahren Pandemie und einem Jahr Krieg, der uns viel Geld und noch mehr an Menschenleben kostet? Kälte, Hunger und teure Zeit. Haben die Politiker den Mund zu voll genommen? Die Kälte ist bisher noch im normalen Rahmen, die Weihnachtsmärkte erstrahlen im gewohnten Glanz und die gebrannten Mandeln, die unser Gebiss verkleben, bescheren den Zahnärzten einen hübschen Zusatzverdienst. Bratwurst wie gehabt, Glühwein bis zum Kontrollverlust. Traumschiffreisen für die „All-inclusive“-Generation läuft wie sonst auch. Ein Massentoast auf Malle ist auch für die Oberschicht der „kleinen Leute“ immer noch drin.
Ist die Welt nach der Pandemie wirklich anders?
Aber die Auswirkungen der enorm gewachsenen Staatsausgaben werden über Jahre unsere Kinder tragen müssen. Alles ist teurer. Und eine Inflationsrate um die zehn Prozent knabbert am mühsam Ersparten der Bürger. Was den Hunger betrifft: In der bürgerlichen Mitte muss keiner hungern noch frieren, aber die Menschen, die bisher unter dem Kürzel „Hartz IV“ gebucht wurden, werden demnächst Bürgergeld beziehen, das zum 1. Januar 2023 eingeführt werden soll. Schauen wir mal, ob’s reicht.
In der Anfangsphase der Corona-Pandemie hieß es: „Nach der Pandemie wird die Welt eine andere sein.“ Entweder ist mir der Glühwein nicht bekommen, oder ich habe es nicht mitbekommen. Sehen Sie Zeichen einer Veränderung nach Abklingen des Corona-Virus? Mir fällt nur das Home-Office ein. In der Umstellung auf online Gottesdienste gibt es Verlierer und Gewinner. Die Umstellung auf Streaming wurde zu einem produktivem Nebeneffekt. Gerätschaften wurden gekauft, Technikteams wurden ausgebildet und ausgerüstet. Die Technik ist auf dem neusten Stand, aber das allein zieht keine Menschen an.
Der Angriff Russlands auf die Ukraine hat alle anderen Ereignisse vernebelt. Wir haben kaum noch Zeit und Kraft, die Meldung über die Reichsbürger und Wutbürger zu verarbeiten, schon erfahren wir Undenkbares über Korruption in der Führungsetage der EU. Uns beschleicht die Sorge, dass unsere Zeit so fragil wie nie zuvor ist, so verwundbar. Ein Cyberkrieg könnt unsere Infrastruktur außer Kraft setzen. Die unterfinanzierten Gesundheitssysteme implodieren, die Arbeit mit und an den schwächsten Gliedern der Gesellschaft, den Kranken, Behinderten und den Alten, müssten besser bezahlt werden.
Und das alles in einer Zeit, in der die Reichen immer reicher werden. Die wirklich Reichen unter uns sind darum glücklich, weil sie wissen, dass das letzte Nachthemd keine Taschen hat und dass Geben immer seliger als Nehmen ist. Wer alles mitnehmen möchte, der muss alles hier lassen. Und dann steht der vermeintliche Hartz-4-Loser völlig mittellos neben dem erfolgreichen Senkrechtstarter vor der letzten Instanz. Gnade wird das letzte Wort sein – nicht Strafe!
Weihnachten ist zu einer frei dosierbaren Mischung aus biblischer Geschichte, Kommerz und Nostalgie geworden. Früher in meinen wilden Jahren wollte ich sogar die zwangschristianisierte Nordmanntanne am Leben lassen. In Plastikfolie verpackte Geschenke wurden rigoros abgelehnt. Weihnachten naturbelassen, ökologisch, nachwachsend, wieder verwendbar und urwüchsig wie damals in Bethlehem. Das Kind im Futtertrog. Mehr nicht.
Übrigens, Robert Habeck treibt die Unabhängigkeit vom Energieriesen Russland voran und sollte dabei wachsam bleiben, dass es nicht zu neuen Abhängigkeiten kommt, zum Beispiel von arabischen Dynastien, die letztlich eine Scharia-Theokratie wollen.
Es gab hier zu viel Habgier
Am Umgang mit Frauen und im Umgang mit Minderheiten wie etwa mit Homosexuellen kann man das Weltbild der bärtigen und in weißen Hemden gewandeten Männer erkennen.
Und wie sieht das bei uns aus, die wir das Kind in der Krippe bestaunen? Es gab hier zu viel Habgier. Immer noch. Alles mitnehmen, was unser politische Selbstbedienungsladen großherzig feil bietet. Und wer jetzt mit der Regierung abrechnet und die DDR-Verhältnisse preist, die freiheitliche Demokratie verachtet und sich mit pseudowissenschaftlicher Attitüde fragen lassen muss, was sie anders gemacht hätten, dann kommt nichts mehr, außer Verschwörungstheorien. Wer in dieser Zeit klagt, der lamentiert übers Lametta.
Gott stellt die Krippe des Welterlöser in eine der ständigen Krisenregionen des vorderen Orients, er bettet ihn nicht auf dem Heizkissen mit Prokatbezug, sondern auf Stroh. Es müffelt und es sticht!
Gelingt es uns, das Entscheidende festzuhalten und Licht und Salz gegenüber einer orientierungslosen Gesellschaft zu sein. Wir leben in einer parlamentarischen Demokratie. Eine Komfortzone, in der wir wegen unseres Glaubens willen nicht verfolgt und bestraft werden, wenn wir mit der Politik nicht zufrieden sind.
Das Unfassbare: Gott wird Mensch. Klein. Gott wird beim Anblick seiner Geschöpfe schwach, geradezu ohn-mächtig. Gott ist Liebe (Und Lieb ist seine Macht). Das macht das alljährliche Fest immer wieder zum Fest des Lebens.
Und noch einen Hinweis auf den „fünften Evangelisten“. Die Kantate zum Weihnachtsfestkreis „Christen ätzet diesen Tag“ BWV 63 von Johann Sebastian Bach rührt mich total: Vergesst nicht die Zeitenwende! Meißelt sie in Stein, ätzt den Tag der Geburt des Friedefürsten in Metall, schnitzt ihn in Holz, dass die Welt es hört: Christus ist geboren.
12 Antworten
Ach was für eine Wohltat, am späten Heiligabend entdeckt: Eine Kolumne mal wieder von Jürgen Mette- auf den Punkt gebracht! Hab mich grad richtig gefreut! Frohe Weihnachten!!!
Lieber Herr Mette,
vielen Dank für die kluge und erbauende Besinnung zum Heiligabend!
Eine gesegnete Weihnacht!
PS Leider gebricht es mir an Ihrer diskreten und dezenten Langmut, aber Ihr Liebermann-Zitat kann ich – seit ich hier im Kommentar-Forum unterwegs bin – sehr gut verstehen.
Gott sei Dank, mein Lieblingskolumnist ist nicht völlig abgetaucht !
Das sind doch kluge, schön formulierte Worte in Reihe gebracht.
Und allein die Tatsache, dass er nicht wie so viele vom Frieden labert, der angeblich durch den Heiland allerorten anbrechen soll lässt mich innerlich jubilieren.
Bei meinem Lukas steht schon auch was vom Frieden, aber für die Menschen seines Wohlgefallens !
Nein da ist der Mette doch differenzierter, wenn auch konsequent beim abwatschen der „Verschwörungsgläubigen“. Die mag er gar nicht ! Da bricht der Obrigkeits-Gefolgsame durch, eben der deutsche Protestant alter Schule. Ansonsten eine gesunde Mischung aus Gesellschaftskritik und frommen Tiefsinn. Und die „German-Angst“ mag er nicht dulden, das erinnert an vergangene Parolen „nicht jammern und picheln, sondern hammern und sicheln“. Mein letztes Wort, ist Gnade (für alle) wirklich Gottes letztes Wort ? Da scheint der fromme Wunsch wohl Vater des Gedankens ?!
Peter Hahne trifft besser als Mette.
Peter Hahnes Auftritte sind immer wieder spektakulär: ein ungebremstes, überbordendes Wohlgefallen an sich selbst bei gleichzeitiger Verächtlichmachung einer politischen Kaste, der Kirchen und einer breiten Öffentlichkeit, die seinen Deutungen nicht folgen will. Und wenn man diese Deutungen dann betrachtet: reaktionäre AfD-Narrative und Verschwörungsgeraune und das im Namen des Herrn! Ich glaube P. Hahne war noch nie ernstzunehmen, als er noch fremde Texte abgelesen hat, war es aber weniger auffällig!
PS Peter Hahne hat wie Daniel von Wachter auch sein IDEA-Abo gekündigt. IDEA-Spektrum war den beiden nicht reaktionär genug! Das sagt alles!
nicht mal Weihnachten stimmt Carvalho milde! “ P. Hahne war noch nie ernstzunehmen“
Und darf man Mitchristen einfach mal so als reaktionär bezeichnen?
Wird der Unterschied zwischen Kritik und vernichtender Kritik wahrgenommen?
„Ich glaube P. Hahne war noch nie ernstzunehmen,…“ Doch, das war er! Er war viele Jahre als Evangelist, schon zu Zeiten eines Dr. Gerhard Bergmann, tätig, als Zeltevangelist. Ich habe ihn einige Male, u.a. dort gehört. Er hatte eine glasklare biblische Botschaft zu verkünden. Zugegeben: Jetzt ist er vor Allem gesellschaftskritisch mit seinen Bestsellern präsent, was mir auch nicht immer so ganz „schmeckt“, trotzdem versteht er es auch da, biblische Botschaft zu platzieren. Aber um noch einmal auf meinen ersten Satz zurückzukommen: Es geht doch nicht an, dass wir auf andere Christen -und das ist Peter Hahne zweifelsohne- die das Wort verkündigen, so drauf losschlagen, wie das hier manchmal der Fall ist! Gerade nicht auf Verkündiger.
Meine verehrten Kritiker:
Wie lautet der letzte Satz der Bibel?
Sonst noch Fragen?
Und dass es Hahne es besser kann, fasse ich gern als Kompliment auf!
Ihr Jürgen Mette
nein natürlich nicht, diese Antwort erschlägt einfach alles !
Interessante Denkanstöße. Möge es uns Gläubigen wirklich gelingen Salz und Licht zu sein und nicht nur davon zu reden.
Ich möchte auch einen kleinen Denkanstoß geben. Wurde Gott wirklich Mensch? Ich glaube das nicht. Warum? Weil Gott per biblischer Definition unsichtbar, unsterblich und kein Mensch ist. Und weil Jesus selbst sagte, dass der Vater der allein wahre Gott ist. Joh 17:3 & 20:17. Grüße
@Daniel F.
Mit Ihrem Glauben kloppen Sie leider den christlichen Glauben in die Tonne, denn die Menschwerdung Gottes ist der Dreh- und Angelpunkt dieser Religion. Dann nützen Ihnen auch wahllos aus dem Kontext geschnittene Bibelverse nichts mehr. Und dann brauchen Sie auch Jesus nicht zitieren, denn der hat ja nach Ihrem Glauben gar nicht als der existiert, als den wir Christen ihn glauben (nämlich als der menschgewordene Gott).
Danke für die rege Debatte. Solange wir darin übereinstimmen, dass „unser Wissen und Verstand mit Finsternis umhüllet“ ist, bestenfalls Stückwerk, solange ist nach oben immer noch viel Luft. für einen respektvollen Disput. Mir wäre lieber, wenn meine Kritiker sich namentlich nennen würden, aber darauf habe ich keinen Einfluss.
Auf persönliche Angriffe reagiere ich grundsätzlich nicht!
Eckhard!
Natürlich ist Gott nicht in medizinischer Hinsicht ohnmächtig, das wäre geradezu eine Gotteslästerei. Vielleicht hast Du den Bindestrich übersehen: Gott tritt eben nicht wie Augustus auf, nicht wie die Royals, sondern er macht sich klein, Ohne Mach! Ohne schwere Waffen, ohne Parolen kommt er als Helfer und Gerechtet in unsere dunkle Welt.
Der Appell Aufruf „das Wort zu predigen und sonst nichts!“ klingt zackig Wann kann ich Dich wo und wann predigen hören?