Heftiges Getwitter im Iran

Von einem Spielzeug für Technikbegeisterte zu einem Politikum der höchsten Ebene: Der Nachrichtenservice Twitter ist zu einer der wenigen Kanäle für den Informationsfluss aus dem spannungsgeladenen Iran geworden. Internationale Berichterstatter werden von der Teheraner Regierung zensiert, doch gegen Demonstranten mit Handy und Twitter-Zugang können sie bislang wenig ausrichten.
Von PRO

Es ist ein Charakteristikum von Diktaturen, dass sie den Fluss von Informationen aus dem Land regulieren wollen. Seit den Präsidentschaftswahlen am Freitag vergangener Woche ist der Iran nicht mehr dasselbe. Während sich einen Tag nach der offiziellen Bekanntgabe des Wahlsiegs von Präsident Mahmud Ahmadinedschad zehntausende seiner Anhänger zu einer zentralen Feier in Teheran versammelt, kritisierte das reformorientierte Lager „massiven Wahlbetrug“. Mussawi forderte offiziell die Annullierung der Wahlen.

Seit Samstag demonstrieren Tausende Regimegegner auf den Straßen. Doch die Regierung in Teheran versucht, dies aus der Weltöffentlichkeit herauszuhalten. Die iranische Führung forderte die ausländischen Medien auf, ihre „unsachgemäße Einmischung in iranische Ereignisse“ zu ändern.

Informationen nehmen Abkürzung

Ausländische Medien werden behindert, das Filmen von Demonstrationen gegen die Regierung ist verboten. Umso wichtiger werden das Internet sowie „Jedermann-Medien“ wie Weblogs und elektronische soziale Netzwerke. Allen voran: der Mikro-Blogging-Dienst Twitter. Die Iraner, ein modernes und technikfreundliches Volk, sind internet-begeistert, viele schreiben Weblogs, und Handys sind weit verbreitet.

Oppositionsgruppen nutzen die kostenlose Möglichkeit, Informationen in 140 Zeichen zu packen und binnen Sekunden in die ganze Welt zu senden. Ebenso werden Demonstrationen organisiert und angekündigt. Fotos und Videos von Verletzen, die das staatliche Fernsehen verbietet, finden ihren Weg in die Öffentlichkeit über Twitter und Facebook. Das Web 2.0, ehemals verschrieen als Hasfrauen-Web für Katzenfotos und Rezepttausch, wird zur wichtigen politischen Stütze.

Wie die „Washington Times“ berichtete, wollte das in Kalifornien ansässige Unternehmen Twitter in diesen Tagen eigentlich Wartungsarbeiten durchführen, doch die US-Regierung bat darum, diese zu verschieben. Zu wichtig sei die Rolle des Messaging-Dienstes während der Unruhen im Iran. „Wir haben ihnen klargemacht, dass sie eine wichtige Form der Kommunikation darstellen“, sagte ein Beamter des US- Außenministeriums.

Verlässlichkeit hintan gestellt

Twitterer, die direkt aus dem Iran über die aktuellen Ereignisse berichten, haben inzwischen zehntausende „Follower“ (Abonnenten). Weltweit solidarisieren sich Tausende Twitterer mit den iranischen Kollegen und verbreiten ihre Nachrichten weiter. Für deren Wahrheitsgehalt kann letzten Endes freilich niemand garantieren. Dennoch sind nicht vollständig verlässliche Informationen immer noch besser als gar keine. Zudem sprechen Fotos und Videos eine eigene Sprache.

Viele Experten fragen sich, wie lange Twitter, Facebook, YouTube und ähnliche Dienste noch unzensiert im Iran genutzt werden können. Technisch müsste es der iranischen Regierung eigentlich möglich sein, die Internet-Kanäle zu blockieren. Twitter hingegen ist aufgrund seiner offenen Schnittstellen zu komplex, als dass sich einfach alle Lücken stopfen ließen. Nicht nur der Iran verändert sich. Auch die Medienlandschaft ist um ein bedeutendes Werkzeug der gesellschaftlichen Veränderung reicher. (PRO)

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