Der Deutsche Bundestag hat in seiner Sitzung am Donnerstag über einen Antrag der AfD-Fraktion zum „Global Compact for Safe, Orderly and Regular Migration“ (GCM) der Vereinten Nationen (UN) beraten. Die AfD-Fraktion fordert, dem sogenannten UN-Migrationspakt nicht beizutreten. Ihrer Ansicht nach stellt der „Globale Pakt zur Migration einen Angriff auf die Verfassungsordnung Deutschlands und das Selbstbestimmungsrecht des deutschen Volkes“ dar. In der Debatte erntete die AfD fraktionsübergreifend heftige Kritik. Eine Abstimmung über den Antrag gab es nicht, die Abgeordenten verwiesen die weitere Debatte an den Auswärtigen Ausschuss.
Seit Österreichs Bundeskanzler Ende Oktober bekanntgab, auch sein Land werde den Pakt nicht unterzeichnen, bekam das Thema auch in der deutschen Öffentlichkeit Aufwind. Rechtsgerichtete Plattformen warnen vor dem Pakt, 19 Petitionen gegen das Abkommen wurden Medienberichten zufolge beim Deutschen Bundestag eingereicht.
Worum geht es?
Der „Globale Vertrag für sichere, geordnete und geregelte Migration“ soll unter der Ägide der Vereinten Nationen die erste globale, zwischen Regierungen ausgehandelte Übereinkunft sein, die alle Aspekte internationaler Migration abdeckt. Das UN-Abkommen basiert auf einer Initiative aus dem Jahr 2017 und soll auf einer Regierungskonferenz im Dezember 2018 in Marokko verabschiedet werden. Als oberstes Ziel soll erreicht werden, dass die Staaten auf dem Gebiet der internationalen Migration stärker kooperieren.
Nach Angaben der Vereinten Nationen (UN) gibt es weltweit rund 258 Millionen Migranten. Migration wird aufgrund demografischer Entwicklungen und den Auswirkungen des Klimawandels weltweit tendenziell zunehmen, prognostiziert die UN. Der Pakt hat zum Ziel, Migration effektiv und zum Nutzen von Herkunfts-, Transit- und Zielländern zu steuern und irreguläre Migration zu vermeiden. Das 32-seitige Abkommen betont in seinen Leitprinzipien unter anderem die nationalstaatliche Souveränität und den völkerrechtlich nicht-bindenden Charakter des Dokuments, die Universalität der Menschenrechte und bereits bestehende völkerrechtliche Instrumente.
In 23 Punkten werden Ziele für eine sichere, geordnete und reguläre Migration beschrieben. So soll eine bessere Datenerhebung dabei helfen, die Politik besser anhand der Faktenlage zu gestalten und zu einem aufgeklärten öffentlichen Diskurs beitragen. Sichere, geordnete und reguläre Zuwanderungswege sollen gestärkt, Menschenschmuggel und -handel bekämpft werden. Eine bessere internationale Zusammenarbeit soll zudem die sichere und würdevolle Rückkehr in Herkunftsländer ermöglichen.
Das Dokument ist umstritten. Neben den USA haben Australien, Ungarn und Österreich erklärt, dem Pakt nicht beizutreten. Andere Staaten haben Vorbehalte angemeldet, darunter Polen und die Schweiz. Der österreichische Bundeskanzler Sebastian Kurz befürchte den Verlust österreichischer Souveränität in der Migrationspolitik, berichtet Die Zeit. Zudem verwische das Abkommen Unterschiede zwischen legaler und illegaler Migration.
Abzugrenzen ist das Dokument vom Globalen Pakt für Flüchtlinge (Entwurf), der sich ausschließlich auf Flüchtlinge bezieht, also Menschen, die nach geltendem Völkerrecht, regionalen rechtlichen Rahmenwerken oder nationalem Recht einen Schutzanspruch haben. Ziel des Globalen Pakts für Flüchtlinge ist es, eine Grundlage für eine gerechtere Verantwortungsteilung in Flüchtlingsfragen zu schaffen. Der Globale Pakt für sichere, geordnete und reguläre Migration bezieht sich ausschließlich auf Migranten, nicht auf Flüchtlinge.
„Wir brauchen gemeinsame Regeln“
Der CDU-Politiker Frank Heinrich erklärt zum UN-Migrationspakt auf Anfrage: „Besonders möchte ich darauf hinweisen, dass wir mit unserer Politik darauf angewiesen sind, dass es weltweit im Bereich der Migration gemeinsame Regeln gibt, und damit auch Anstoßgeber waren, einen solchen Migrationspakt zu entwickeln.“ Der Prozess zur Entstehung des Migrationspaktes sei maßgeblich durch die Ereignisse des Jahres 2015 angeheizt worden, konstatiert das stellvertretende Mitglied im Auswärtigen Ausschuss des Bundestages.
Die ganze Welt habe auf Deutschland und andere Zielländer gesehen. Mit dem Migrationspakt solle die Verantwortung der Herkunfts- und Transitländer wieder stärker in den Fokus gerückt werden. Dazu sollen unter anderem Rücknahmeabkommen geschlossen, zur Fluchtursachenminderung aufgerufen und die „Zusammenarbeit im Grenzmanagement verbessert“ werden. Heinrich betont: „Im Migrationspakt wird das souveräne Recht der Staaten, ihre nationale Migrationspolitik selbst zu regeln, ebenso wie das Recht auf einen effektiven Grenzschutz bekräftigt.“
DEA-Beauftragter begrüßt Ziel des Paktes
Mit dem Pakt werde zugleich die Verpflichtung jedes Staates zur Rückübernahme eigener Staatsangehöriger als wesentliches Element der Staatenzusammenarbeit verankert, erklärte Heinrich. „Zudem wird auch der Minderung von Flucht- und Migrationsursachen im Migrationspakt ein großer Stellenwert zugeschrieben“, erklärt Heinrich, der sich gegen internationalen Menschenhandel und Versklavung von Menschen engagiert.
Der Politikbeauftragte der Deutschen Evangelischen Allianz (DEA), Uwe Heimowski, begrüßt, „dass die Weltgemeinschaft den Versuch startet, Migration zu ordnen.“ Kein Land könne dieses Problem alleine lösen. „Die Stärke des Migrationspaktes liegt darin, abgestimmt zu handeln und Migration langfristig und nachhaltig zu steuern“, erklärte Heimowski auf Anfrage.
Dass der Pakt keine Rechtsverbindlichkeit besitzt, wertet Heimowski als gleichermaßen als Stärke und Schwäche. „Einerseits kann er als Leitlinie verstanden werden, auf deren Grundlage völkerrechtlich bindende Verträge folgen, die sich an die jeweiligen nationalen Situationen anpassen, andererseits droht er gerade dadurch auch zur Makulatur zu werden“, erklärte Heimowski. Willenserklärungen alleine helfen seiner Ansicht nach den Menschen nicht. Erst durch konkrete Ziele entfaltenten sie ihre politische Wirkung.
„Die AfD verbreitet Lügen zum Migrationspakt“
In der Bundestagsdebatte am Donnerstag warf der SPD-Politiker Christoph Matschie der AfD vor, Lügen über den Migrationspakt zu verbreiten. Je größer die Angst, desto größer die politische Möglichkeit der AfD. In Deutschland lebten heute rund 20 Millionen Menschen, „die eine Zuwanderungsgeschichte“ hätten. „Sie hetzen Menschen gegeneinander auf“, erklärte Matschie in Richtung der AfD, die „eine Kampagne“ in den Sozialen Medien gegen den Pakt führe.
AfD-Fraktionschef Alexander Gauland befüchtet mit dem Pakt eine schleichende Rechtsumwandlung. Der Vertrag würde zum Gewohnheitsrecht und befördere die „Einwanderung in die Sozialsysteme“. Gauland bemängelte, dass Migration „ausschließlich als Quelle des Wohlstandes“ dargestellt werde. Die Bundesregierung habe zu wenig über den Pakt informiert, die Regierung halte die Wähler für „dumm“. In dem Abkommen stehe „kein Wort davon“ von den Schattenseiten der Migration und vertrete ausschließlich die Sicht der Zuwanderer. Der Vertrag diene nicht deutschem Interessen und fördere die „Preisgabe der Souveränität unseres Landes“.
„Pakt verringert Migrationsdruck“
Dass das Gegenteil der Fall sei, argumentierte Stephan Harbarth von der CDU/CSU-Fraktion. Er verteidigte den UN-Migrationspakt. Wer dagegen stimme, handle gegen das nationale Interesse Deutschlands. Migration sei nur mit einem internationalen Ansatz zu bewältigen. Der Unionspolitiker warf der AfD „totales Unverständnis internationaler Zusammenhänge“ vor.
Auch Joachim Stamp (FDP), Minister für Kinder, Familie, Flüchtlinge und Integration in Nordrhein-Westfalen warf der AfD falsche Behauptungen vor. Gauland „verunsichere“ die Bevölkerung, in dem sie behaupte, es gäbe ein Menschenrecht auf Migration, der Einwanderung aus Afrika Tür und Tor öffne. Die sei „völlig falsch“. Der Pakt helfe dabei, den Migrationsdruck nach Deutschland zu verringern. „Sie entlarven sich als reine Verschwörungstheoretiker“, sagte Stamp in Richtung AfD.
Sevim Dagdelen (Die Linke) konstatierte, dass „Rechtsaußen eine regelrechte Angstkampagne“ führe. Die AfD-Politiker hätten die Möglichkeit an den Debatten in der UN nicht wahrgenommen. Grünen-Politiker Filiz Polat (B90/Grüne) erkannte Rassimus bei der AfD, die „suggeriere, dass eine Elite unter Führung der USA und Israel“ die weiße Rasse ausrotten wolle.
Von: Norbert Schäfer