Ein Bericht weist auf zunehmende Intoleranz gegenüber Christen in Europa hin: Im Jahr 2020 hat es mehr als 7.000 dokumentierte Hassverbrechen gegen Minderheiten sowie Gläubige verschiedener Religionen gegeben. Das hat das Menschenrechtsbüro ODIHR der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) bekanntgegeben.
Dafür haben 42 der insgesamt 57 OSZE-Staaten zuletzt Daten und in vier weiteren Ländern zivilgesellschaftliche Gruppen Informationen gemeldet. Im Beobachtungszeitraum 2020 verzeichnet der Bericht 7.181 gegen Menschen und Einrichtungen gerichtete Vorfälle. 980 Hassverbrechen richteten sich gegen Christen beziehungsweise christliche Gotteshäuser, Symbole und Einrichtungen.
Im Vergleich zum Vorjahr (578) bedeutet dies einen Anstieg um 70 Prozent. Um rund 600 auf 2.316 gestiegen ist auch die Zahl gemeldeter antisemitisch motivierter Hassverbrechen. Gegen Muslime verzeichnet der Report 333 Hassverbrechen, 84 dokumentierte Vorfälle richteten sich gegen die Bevölkerungsgruppe der Roma und Sinti.
„Hass auf Christen wird kaum wahrgenommen“
Wesentlich beteiligt ist an dem Bericht auch das in Wien angesiedelte „Observatory On Intolerance And Discrimination Against Christians In Europa“ (OIDAC). Es stellt jährlich seine gesammelten Daten zur Verfügung. Direktorin Madeleine Enzlberger bemängelt, dass der Hass auf Christen als ein immer offensichtlicheres gesellschaftliches Problem kaum wahrgenommen werde. Das Phänomen der Intoleranz gegen Christen sei in Europa völlig unterbelichtet.
Zudem befürchtet sie, dass die Dunkelziffer der Fälle noch deutlich höher liege. Das Spektrum der Vorfälle reiche vom Vandalismus in Kirchen und christlichen Gebäuden bis zu Hassverbrechen gegen Einzelpersonen. Eine kleine, jedoch besonders gefährdete Gruppe seien darüber hinaus zum Christentum konvertierte ehemalige Muslime, die oftmals Drohungen ausgesetzt seien.
Laut der Wiener Beobachtungsstelle seien in Frankreich, Deutschland, Spanien, Schweden und Großbritannien Christen am meisten mit Einschränkungen konfrontiert. In Frankreich und Deutschland sind laut dem Report Berichte über antichristliche Hassverbrechen besonders häufig, in Großbritannien gebe es die meisten Strafverfahren und -ermittlungen wegen angeblicher Hassrede. Für Deutschland listet der Bericht 255 Fälle auf, von denen die meisten Vandalismus in Kirchen betreffen.
„Politisierung der Debatte vermeiden“
In den Ländern komme es auch immer wieder vor, dass unter dem Vorwand der Bekämpfung der „Hassrede“ die Meinungsfreiheit eingeschränkt werde. Als weitere Problemfelder nennen die Autoren des Berichts Einschränkungen der Elternrechte etwa bei der religiösen Bildung oder der Sexualerziehung, aber auch ungerechte Behandlung von christlichen Konvertiten durch Behörden.
Mehr Aufmerksamkeit für Hassverbrechen gegen Christen fordert auch die Wiener Pastoraltheologin Regina Polak. Sie ist OSZE-Sonderbeauftragte für die Bekämpfung von Rassismus, Fremdenfeindlichkeit und Diskriminierung mit Schwerpunkt auf Intoleranz und Diskriminierung von Christen und Angehörigen anderer Religionen. Der starke Anstieg gehe auch auf die zunehmende Zahl berichterstattender Staaten zurück. Eine verbesserte Erfassung der Vorfälle sei „dringend erforderlich“. Außerdem brauche es eine angemessene Erforschung und öffentliche Diskussion. Schnelle Urteile gelte es dabei ebenso zu vermeiden wie eine „Politisierung“ der Debatte.