Gysi beeindruckt von Bergpredigt

Ein Linker trifft auf den Glauben – so hat Moderator Reinhold Beckmann die Gäste seines NDR-Sommergesprächs, Gregor Gysi und Reinhard Marx, begrüßt. Der Politiker und der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz debattierten in der neuen Sendung „Beckmann trifft…“ darüber, wie sie die Organisation des jeweils anderen verändern könnten und ob der Zölibat noch zeitgemäß ist.
Von PRO
Linker trifft auf Glauben: der Linken-Politiker Gregor Gysi im Gespräch mit dem Vorsitzenden der Deutschen Bischofskonferenz, Reinhard Kardinal Marx

An der Bibel schätzt Gregor Gysi vor allem die Aussagen der Bergpredigt Jesu. Den Gegner zu lieben sei zwar schwierig, er habe aber nie zurückgehasst. Das sagte der Linken-Politiker am Montagabend in der NDR-Sendung „Beckmann trifft …“, wo er mit Reinhard Kardinal Marx diskutierte. Gysi lobte die Katholische Kirche vor allem für ihre konservative Haltung und ihren Beitrag zur gesellschaftlichen Moral. Seine Partei könne auch moralische Ansprüche formulieren, habe aber nicht die Kraft, diese durchzusetzen.

Mit einem Augenzwinkern stellte er fest, dass viele Kirchen ihn wohl wegen ihres eigenen Personalmangels für Auftritte buchen würden. Er glaube zwar nicht an Gott. Für kirchliche Angelegenheiten, Religion und Glaube habe er sich aber schon immer interessiert.

Gysi gestand ein, dass der Staatssozialismus gescheitert ist und die DDR-Bürger staatliches Unrecht erfuhren. Er lobte an der DDR aber, dass sie „sozial sicherer war. Es gab keine Wohnungsräumungen und keine Kündigungen“. Die politische Linke müsse in der Krise des Kapitalismus wieder mehr berechtigte soziale Forderungen stellen: „Der Reichtum wächst in weniger Händen, die Armut verbreitet sich.“

Von der Kirche angezogen und in der Welt verwurzelt

Kardinal Marx sagte, dass die Kirche schon als Kind eine große Anziehungskraft auf ihn gehabt habe. Als Schulsprecher sei er aber auch in der „Welt“ verwurzelt gewesen: „Ich habe alles mitgemacht, was Jungs in dem Alter gemacht haben.“ Beckmann konfrontierte beide Gäste mit der Sichtweise des jeweils anderen. An der Politik der Linken lobte Marx den kritischen Blick auf den Kapitalismus. „Leider haben sie daraus die falschen Schlüsse gezogen.“ In der Gesellschaftskritik von Karl Marx stecke aber auch „etwas Wahres, das man im Blick behalten soll“.

Er selbst nehme innerhalb der Gesellschaft ein Rumoren wahr. Das Spektrum reiche von der Klima-Aktivistin Greta Thunberg bis zur Gelbwesten-Bewegung in Frankreich. Die Aufgabe der Kirche sei es, sich in der freien Gesellschaft zu positionieren. „Die Menschen müssen merken, wer Christ ist, und dass Christsein ein Zugewinn an Lebensqualität ist. Ich möchte keine Kirche, die nur ihr kulturelles Erbe bewahrt.“ Gottes Sohn, Jesus von Nazareth, habe den Menschen neue Optionen eröffnet: „Wir müssen Menschen verdeutlichen, dass der Himmel offen ist.“

Papst spricht drängende ökologische Fragen an

Wenn Gysi in der Katholischen Kirche etwas ändern dürfte, würde er den Zölibat abschaffen und die Gleichstellung der Geschlechter vorantreiben. Der Zölibat dürfe kein Schlupfwinkel für Menschen sein, die den Beruf aus ganz anderen Motiven ergreifen wollen. Das Bedürfnis nach Sexualität sei etwas Natürliches, sagt der Politiker. Für Kardinal Marx hat die Ehelosigkeit auch etwas mit der Lebensform Jesu zu tun. Als Gott ihn in das Priesteramt gerufen habe, „schien es mir so wichtig und groß“, dass alles andere nachrangig gewesen sei. Auch Menschen, die verheiratet seien oder in anderen Lebensverhältnisse lebten, müssten Krisen durchstehen.

Marx lobte den Papst, weil er die drängenden ökologischen Fragen anspreche. Es gehe ihm darum, alle Menschen im Blick zu haben. Die Erde und ihre Güter gehörten allen Menschen. Marx äußerte die Hoffnung, dass es gelinge, Frauen an den wesentlichen Entscheidungen der Kirche teilhaben zu lassen. Beckmann thematisierte auch den sexuellen Missbrauch innerhalb der Kirche. „Nach dem Schockjahr 2010 finden Prävention und Schulungen in allen Bereichen statt“, sagte Marx. Anhand der Aufklärungsstudie habe man als Kirche erfahren wollen, ob es systemische Punkte gebe, die typisch kirchlich oder typisch katholisch sind.

Von: Johannes Blöcher-Weil

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