pro: Sie sind Christ. Und Sie sind Filmemacher. Als christlicher Filmemacher möchten Sie aber nicht bezeichnet werden. Wie kommt‘s?
Christoph Silber: Religion ist für mich Privatsache. Ich glaube nicht, dass wir unseren Glauben haben, um ihn als Etikett zu tragen. Ich denke, es ist klüger und heilsamer, den Glauben aus unserem Herzen erwachsen zu lassen und ihn sich in dem zeigen zu lassen, was wir tun.
Wie zeigt sich denn Ihr Glaube im Alltag?
Ich vertraue darauf, dass etwas Höheres mich führt und durch mich wirkt. Zum einen wirkt sich mein Glaube auf die Art und Weise aus, wie ich Geschichten erzähle, wie ich über sie nachdenke und wie ich Fragen in den Geschichten angehe. Zum anderen wirkt es sich auf die Art aus, wie ich mit Menschen umgehe. Ich versuche, aufrichtig zu sein, berechenbar, vertrauenswürdig und verlässlich. Ich versuche, für andere da zu sein, wenn es möglich ist. Das sind keine Dinge, die ich absichtlich tue, um ein guter Christ zu sein, sondern die Gott in mir wirkt.
Einer Ihrer bekanntesten Filme, "Nordwand", ein Bergsteiger-Drama, zeigt viel christliche Symbolik.
Ich versuche nicht bewusst, christliche Werte in meinen Filmen unterzubringen, so nach dem Motto: Jetzt bauen wir mal Vergebung ein. Das ergibt sich eher im Laufe der Geschichte. Bei "Nordwand" habe ich mit dem Regisseur Philipp Stölzl zusammengearbeitet. Wir beide vertreten ein christliches Weltbild. Insofern gibt es einige Gleichnisse, die das zeigen, etwa wenn ein Bergsteiger in seinem Seil hängt und dort stirbt, damit ein anderer leben kann.
Wie viele christliche Werte stecken im Tatort?
Im Tatort geht es immer darum, dass irgendjemand eine Grenze überschreitet und die Schöpfung Gottes bewusst zerstört. Ich finde es sehr herausfordernd, darüber nachzudenken, warum jemand ein Mörder wird. Ob das nun ein Bild für den Glauben ist, weiß ich nicht, aber ich mag es, der Frage nachzugehen und solche Taten nachvollziehbar zu machen, sodass wir etwas daraus lernen können. Die Umstände, in denen wir uns befinden, können uns zu Mördern machen. Ich erzähle mit allem, was ich tue, als ein Mensch, der eine Haltung hat. Dazu gehört mein Glaube. In irgendeiner Form wird sich also etwas davon in meiner Arbeit zeigen. Letztendlich ist und bleibt es aber ein Film und wird dadurch nicht zur Predigt.
Nun gibt es ja auch Menschen, die ganz gezielt mit Filmen Mission machen. Ein Beispiel wäre der Berliner Filmemacher Julius Schindler mit seinem Verein "Mannaplace", den Sie ja auch kennen.
Das ist nicht mein Weg. Andere können ihn gerne gehen, aber ich persönlich glaube, dass der Film kein religiöses Medium ist. Ich will die Religion nicht aus dem Film ausklammern. Aber ich halte es für nahezu unmöglich, gute Geschichten zu erzählen, wenn man sie mit einem missionarischen Ansatz verbindet. Dann werden sie zu Predigten und sind damit keine wirklich guten Geschichten mehr, weil immer klar ist, was der Zuschauer am Ende denken soll.
Schließen Mission und Kunst sich aus?
Ich sage ja. Absichtliche Mission setzt Grenzen und Kunst funktioniert nicht in Grenzen. Das Entscheidende an Kunst ist, dass sie Grenzen sprengt. Das brauchen wir, weil alles um uns herum Grenzen aufzeigt. Es ist wie mit der Kunst am Bau: Wenn alles grau und aus Beton ist, braucht es einen, der diese Grenzen bricht und davor Bambusrohre und Windräder installiert. Wenn die Kunst am Bau aber aussieht wie der graue Beton, dann interessiert sie niemanden mehr.
Sind Sie von Christen schon einmal für Ihre Filme kritisiert worden?
Konkret sagt mir eigentlich niemand etwas Schlechtes. Ich werde total oft gefragt, ob es schwierig ist, als Christ im Filmgeschäft zu arbeiten. Das impliziert immer, dass ich mich in einer Schlangengrube bewege, was ich für großen Unsinn halte. Genauso gut könnte ich ja auch jeden Schritt auf der Straße draußen als Schritt durch eine Schlangengrube betrachten. Das Filmgeschäft besteht schlicht aus Menschen mit Hoffnungen und Sehnsüchten. Das macht es hochinteressant.
Die Frage zielt dann wohl dahin, ob Sie sich als Christ andere Grenzen setzen als andere und es deshalb schwerer haben…
Ich akzeptiere diese automatisch von Christen gesetzten Grenzen ja ohnehin nicht so ohne Weiteres. Ich lebe nun schon seit längerem in den USA und stehe diesem sehr calvinistisch geprägten Schwarz-Weiß-Bild vieler Gemeinden dort sehr kritisch gegenüber. Nehmen wir das Thema Homosexualität: Jemand, der Präsident werden will, kann in den USA ernsthaft sagen, in einer gesunden Gesellschaft sei kein Platz für solche Menschen (gemeint ist der republikanische Präsidentschaftskandidat Rick Santorum, Anm. d. Red.). Sich auf eine solche Position zu begeben ist sehr gefährlich, erst recht für einen gläubigen Menschen, weil er sich in gewisser Weise auf Gottes Stuhl setzt und entscheidet, wer sein darf und wer nicht sein darf. Mir geht es im Glauben darum, wie ich mein Leben mit und durch eine Liebe, die mich führt, bewältigen und wie ich Größeres bewirken und sehen kann.
In Deutschland ist der christliche Buch-, Film- und Musikmarkt völlig vom säkularen abgelöst. Ähnlich ist die Lage in den USA…
Amerika ist eine Marktgesellschaft. Alles, was erfolgreich ist, bekommt da seinen eigenen Markt. Das wirkt sich auch auf die Kirche aus. Es gibt unglaublich viele Denominationen, jede ist eine eigene Marke. Daher ist christliches Entertainment auch erfolgreich, gerade seit Mel Gibsons "Die Passion Christi". Das funktioniert, aber es macht das Filmgeschäft nicht christlicher. Da hat einfach jemand einen Markt entdeckt und der wird nun gemolken. Davon kann man halten, was man will, Fakt ist aber: Es trägt nicht zur Missionierung bei. Die christliche Kultur bleibt in der Szene. Bewerten möchte ich das nicht. Allerdings gibt es christliche Filme, die ich nicht leiden kann, weil ich sie für schnulzig und predigtartig halte.
Zum Beispiel?
"Fireproof" konnte ich kaum ertragen. Wenn ein Nichtchrist einen solchen Film sieht, wird er ihn ganz ganz seltsam und peinlich finden.
Jährlich treffen sich im Rahmen der Berlinale junge christliche Filmemacher in der von Ihnen mitgegründeten "Faith in Film Lounge", um sich zu vernetzen und zu beten. Ist das nicht eine dieser Abschottungsbewegungen, die Sie so kritisch sehen?
Ja. Faith in Film habe ich mit ein paar anderen Leuten initiiert für Menschen, die stärker gemeindegebunden sind. Ich selbst bräuchte das gar nicht so. Aber ich habe erlebt, dass immer wieder Christen zu mir kamen, die sich Fragen zum Glauben und dem Filmemachen gestellt haben, auch darüber, wie man beides zusammen leben kann. Ich dachte: Wenn man die Leute zusammenbringt, hilft ihnen das vielleicht. Dieses Format ist also für Christen gemacht und zu einer Begegnungsstätte geworden. Wir wollen aber kein geschlossener Club sein.
Im März lief Ihr Film "Das Wunder von Kärnten" im deutschen Fernsehen. Darin geht es um die Heilung eines Kindes. Haben Sie selbst schon mal ein Wunder erlebt?
Ja. Der Film dreht sich um die Frage, ob Heilung ein Wunder sein kann. Es ist die Heldengeschichte eines Arztes, der nicht loslässt und die einer Mutter, die nicht aufhört zu beten. Dennoch ist es kein christlicher Film. In meinem eigenen Leben habe ich erlebt, wie Freunde und Bekannte auf unerklärliche Weise gesund wurden, wo Geschwüre verschwunden sind, wenn Menschen für sie gebetet haben. Allerdings habe ich auch erlebt, wie Menschen gestorben sind – trotz Gebet. Die Botschaft für betende Menschen lautet dennoch: Niemals loslassen. Und die höhere Macht höher sein lassen und Gott die Entscheidung über Leben und Tod überlassen.
Jetzt haben Sie doch noch gepredigt…
Ein bisschen schon.
Herr Silber, danke für das Gespräch!
Sehen Sie dazu auch unser Video-Interview mit Christoph Silber: Als Christ im Filmgeschäft
Dieser Artikel wurde entnommen aus der aktuellen Ausgabe des Christlichen Medienmagazins pro 2/2012. Kostenlos und unverbindlich bestellen unter der Telefonnummer 06441/915151, via E-Mail an info@pro-medienmagazin.de oder online.