Günther Beckstein: „Als Christ mutig, als Protestant selbstbewusst“

"Christsein ist mir im Politischen genauso wichtig wie im Privaten." Über den Wahrheitsanspruch des Christentums, den Papstbesuch, Generationengerechtigkeit und eigene Fehler hat der ehemalige bayerische Ministerpräsident und EKD-Synodale Günther Beckstein in Gießen gesprochen.
Von PRO

"Für Politiker kann Macht durchaus eine Versuchung darstellen", erklärte Beckstein am Freitagabend in der Gießener Johanneskirche. "Denn das, woran du dein Herz hängst, ist dein Gott." Er selbst habe sich das Amt des bayerischen Innenministers, das er von 1993 bis 2007 innehatte, ganz bewusst ausgesucht: "Ich wollte in ein Ministerium, in dem ich wirklich Macht habe", so der CSU-Politiker. In seinem Büro habe er eine Figur des Heiligen Antonius aufgestellt, die ihn jeden Tag daran erinnern sollte, dass er sich vor einer höheren Instanz verantworten muss. "Dieser Gedanke hat mir geholfen", sagte Beckstein. Ihm sei bewusst, dass er sich in seinem Amt auch vor Gott schuldig gemacht habe, etwa mit der Autorisierung sogenannter "finaler Rettungsschüsse" bei einer Geiselnahme, wodurch zwei Verbrecher getötet wurden. "Es nicht zu tun, wäre ein sicheres Todesurteil für die Geisel, eine entführte Frau, gewesen", reflektierte Beckstein. "Darum war es für mich ethisch richtig zu sagen, dass der Schutz eines unschuldigen Opfers wichtiger ist als das Wohlergehen zweier Schwerverbrecher." Ein Politiker müsse manchmal anders entscheiden, als es ein Pfarrer tun würde. "Christen sollten trotzdem den Mut haben, auch schwierige Ämter zu übernehmen."

"Der Papst hat mich enttäuscht"

"Es hat mich traurig gemacht, dass der Papst beispielsweise die Teilnahme Geschiedener an der Kommunion weiterhin ausgeschlossen hat", sagte Beckstein. "Ich hätte mir deutlich mehr erwartet. Der Papst beansprucht die Wahrheit allein für sich. Ich sage allerdings als selbstbewusster Protestant: Das ist mir ziemlich Wurscht, wenn der Papst das so sieht müssen wir warten, bis ein anderer kommt. Oder auch als Protestanten ein Stück selbstbewusster werden."

Günther Beckstein, der auch für ein Jahr bayerischer Ministerpräsident war, ging in dem Vortrag ebenfalls auf die Themen Familie und Generationengerechtigkeit ein. "Das Leitbild der Gesellschaft sollte nicht die wirtschaftsfreundliche Familie, sondern der familienfreundliche Wirtschaftsbetrieb sein", forderte er und wies darauf hin, dass die Zahl der Senioren in den kommenden Jahren drastisch ansteigen wird. "Die Rolle der Großmütter und Großväter wird in der Gesellschaft nicht genug gewürdigt", sie könnten einen wertvollen Beitrag zur Erziehung  ihrer Enkel leisten. Das Phänomen der Altersarmut bedrücke ihn sehr: "Es gibt viel zu viel versteckte Armut in unserem so reichen Land. Gerade ältere Menschen sind oft zu stolz, um zum Sozialamt zu gehen."

Religionen sollen sich mit Respekt begegnen

Der Rote Faden von Becksteins Vortrag, zu dem die Gießener Alpha-Buchhandlung eingeladen hatte, waren die Zehn Gebote. Zum Gebot "Du sollst den Namen des Herrn nicht missbrauchen" sprach der Politiker "Blasphemie im Rahmen der Kunstfreiheit" an. Er nannte das Beispiel eines Künstlers, der auf einem Bild ein gekreuzigtes Schwein zeigte. "Wenn jemand mit dem, was anderen Menschen heilig ist, so umgeht, dann ist das für mich schlimme Gotteslästerei und ein Verstoß gegen die Grundlagen der Toleranz und eines anständigen Zusammenlebens." Er habe dem Künstler damals gesagt, dass er ihn für "niederträchtig" halte.

"Ich bin der Überzeugung, dass die christliche Religion die richtige ist", bekannte der 1943 geborene Beckstein, der auch Vizepräses der Synode der Evangelischen Kirche in Deutschland ist. "Gerade deswegen habe ich Respekt vor anderen Glaubensgemeinschaften, deren Anhänger ihren Glauben ebenso ernst nehmen." Christen und Muslime hätten nicht, wie oft behauptet, den selben Gott. Ein freundliches und respektvolles Miteinander sei aber trotzdem möglich. Über sein persönliches Glaubensleben sagte Beckstein, er bete in der Regel am Morgen und am Abend und lese regelmäßig die Tageslosung und den Lehrtext. Als er noch im Amt gewesen sei, habe er das nicht immer gekonnt – nach den 18-stündigen Arbeitstagen sei er oft zu erschöpft gewesen. Im Anschluss an seinen Vortrag signierte Beckstein Ausgaben seines Buches "Die zehn Gebote – Anspruch und Herausforderung". "Jesus Christus ist für uns gestorben. Dafür bin ich unendlich dankbar, das war für mich der Grund, dieses Buch zu schreiben." (pro)

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