Grundstückkauf mit Widerstand – Bekenntnisschulen haben’s schwer

Eine christliche Schule in Bielefeld hat wegen regen Zulaufs den Kauf einer leerstehenden ehemaligen Grundschule angestrebt. Was ihr daraufhin entgegenschlug, bezeichneten manche Beobachter nur noch als "Christen-Hetzjagd": Politik und Presse stellten sich dem Vorhaben der Bekenntnis-Schule vehement entgegen. Der vornehmliche Grund: in der Oberstufe wird im Biologieunterricht die Evolutionstheorie hinterfragt.
Von PRO

Die Georg-Müller-Schule ist eine staatlich anerkannte, private Bekenntnisschule mit zwei Grundschulen sowie einer Gesamtschule mit gymnasialem Oberstufenzweig. Die „Besonderheit“ der Schule sei es, evangelikal-christlich zu sein, so steht es im Programm. Neben dem „liebevollen Umgang mit den kleinen Kunden“ sei ihr eine morgendliche Andacht sowie ein Gebet vor dem Heimweg und gemeinsame Singstunden wichtig. Ansonsten richtet sich der Unterricht nach den offiziellen Lehrplänen, und auch die Weltanschauung der Eltern ist egal.

Träger der Bielefelder Schule ist der Verein Evangelikaler Bekenntnisschulen in Bielefeld. Die Georg-Müller-Schule, die es seit 17 Jahren gibt, ist beliebt. „Zuletzt hatten sich 200 Kinder bei uns für die Grundschule angemeldet“, sagte der Vorsitzende des Trägervereins, Günther Schieb, gegenüber medienmagazin-pro.de. „Doch leider hatten wir nur Platz für 80 Kinder. Um den Kindern die Einschulung bei uns zu ermöglichen, musste neuer Platz her.“

Schnell war klar, dass die ehemalige Grundschule im Stadtteil Grundheide im Bezirk Senne ideal wäre. Bis Mitte 2004 wurde das Gebäude genutzt, seitdem steht es leer, und die Stadt bietet das Grundstück zum Verkauf an. Doch als der Kauf vom Stadtrat besprochen wurde, erhoben die SPD-Abgeordneten Einspruch. Gerüchte gingen um, nach denen die Schule „Fundamentalisten aus den USA“ Vorschub leisten wolle. „Die bibelfrommen Lehren der Kreationisten, die in den USA für einen Kulturkampf zwischen Forschern und Evolutionskritikern sorgen, erreichen Deutschland“, schrieb die Lokalzeitung „Neue Westfälische“ am 16. Juni.

„Kreationisten ist Erstes Buch Mose wichtiger als Bildung“

Die Schule behandle das Buch „Evolution. Ein kritisches Lehrbuch“ von Reinhard Junker und Siegfried Scherer, das vor fünf Jahren in Bielefeld mit dem „Deutschen Schulbuchpreis“ ausgezeichnet worden war, fand die Zeitung „nach eigener Recherche“ heraus. Dabei zeigt sich, dass der Reporterin das Herstellen einer Verbindung zwischen amerikanischen Kreationisten und einer Schule in Ostwestfalen-Lippe wichtiger war als das Auseinandersetzen mit den Thesen des Biologiebuches selbst. „Ihr Weltall ist schlappe 6.000 Jahre alt“, schreibt sie. „Denn für Kreationisten erklärt sich die Entstehung der Welt mit dem Ersten Buch Mose – und was da nicht steht, kann auch nicht gewesen sein.“ Mit Wissenschaft habe die Evolutionskritik nichts zu tun, ist die Journalistin ebenfalls überzeugt.

Ralf Seuter, der didaktische Leiter der Georg- Müller-Schule, die zugleich Gymnasium und Gesamtschule ist, erklärte, das Buch werde für die Sekundarstufe I nicht verwendet, „weil es zu komplex geschrieben ist“. In der Sekundarstufe II sei es jedoch von Interesse, weil es viele evolutionskritische Fragen auf den Punkt bringe. „Das Buch wird ausgeteilt und wieder eingesammelt. Es ist nicht als Lehrbuch eingeführt, wird aber als Unterrichtsmittel genutzt.“ Die Evolutionslehre und die Kritik daran würden im Unterricht strikt getrennt, so Seuter: „Die Schöpfungsgeschichte ist Teil des Religionsunterrichts. Im Biologieunterricht behandeln wir dann die Fakten, biochemische wie fossile, und interpretieren sie.“

Widerstand im Stadtrat

Am 14. Juni wollte der Bielefelder Stadtrat über den Verkauf des Grundstücks an die Georg-Müller-Schule entscheiden. Doch die SPD beantragte, das Thema in den Schulausschuss zu verweisen. Das lehnten die CDU und auch die Grünen ab. Am 22. Juni berichtete die „Neue Westfälische“ unter der Überschrift „Viele Fragen zur Georg-Müller-Schule“ jedoch, dass die Bezirksregierung als Schulaufsicht „keinen Grund für eine Beanstandung“ sehe. Der Bielefelder Oberbürgermeister Eberhard David (CDU) wollte die Erlaubnis schließlich in einem Dringlichkeitsentscheid durchbringen. „In Bielefeld gibt es ein breites Angebot von Schulen verschiedener Schulträger“, ließ der Beigeordnete des Bürgermeisters, Albrecht Peter Pohle, letzte Woche verlautbaren. „Damit steht den Schülerinnen und Schülern ein vielfältiges Bildungsangebot zur Verfügung, das ich erhalten möchte.“ Auch die Grünen waren der Meinung: „Es ist ein normales Grundstücksgeschäft.“ In den Schulausschuss gehöre das Thema nicht.

Wenig später stießen die Grünen jedoch auf den Passus im Programm der Schule, dass Homosexuelle nicht eingestellt werden dürften, und erhoben schließlich doch Protest. Grünen-Sprecherin Sigrid Beer erklärte laut einem Artikel der „NW“: „Es ist nicht gesichert, dass die Vermittlung der Evolution fachlich angemessen erfolgt.“ Sie fragte zudem: „Wird der umfassende Bildungsanspruch der Kinder religiös motiviert eingeschränkt? Werden Persönlichkeitsrechte von Lehrern in unzulässiger Weise beschnitten?“ Wieder scheiterte der Entscheid über den Verkauf der ehemaligen Grundschule.

Dann besuchte Gesamtschuldezernent Dieter Spichal persönlich die Georg-Müller-Schule und befand: Tatsächlich verwende die Schule in der Sekundarstufe II das evolutionskritische Buch von Junker und Scherer – „aber nicht als Lehrbuch, sondern nur als Unterrichtsmaterial“. Was die Prinzipien der Schule in Bezug auf die Lehrer angehe, so sei sie frei wie jede andere Schule, darüber zu entscheiden. Die Sprecherin der Bezirksregierung Detmold, Manuela Morath, versicherte: „Das lässt das Schulgesetz zu, Privatschulen können Lehrer nach eigenen Vorgaben einstellen.“

Erst am Mittwochmorgen endete die lange und kontrovers geführte Debatte um die Schule: Wie Günther Schieb vom Trägerverein der Evangelikaler Bekenntnisschulen am Mittwoch gegenüber medienmagazin-pro.de mitteilte, hat der Stadtrat nun doch dem Verkauf des Grundstücks zugestimmt.

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