Eine striktere Trennung von Kirche und Staat führe zu einem Gesellschaftsbild, das nur noch den Staat und den einzelnen Bürger kenne. Dabei bleibe der Zusammenhalt in der Gesellschaft auf der Strecke, heißt es in dem Papier des baden-württembergischen Ministerpräsidenten Kretschmann und des Europa-Abgeordneten Giegold. Der Staat profitiere von Glaubensgemeinschaften, weil sie die Gemeinschaft förderten. „Die Religionsgemeinschaften bilden Werte aus, die die Bürger_innen in das Gemeinwohl einbringen, sie bilden Sozialformen und Organisationen aus, in denen diese gelebt werden können, und sie können dadurch auch zum kritischen Korrektiv für den Staat selbst werden“, formulieren die Grünen-Politiker in dem Papier. Entsprechend solle der Staat religiöse Gruppen, auch muslimische, fördern und sich einem Laizismus entgegenstellen.
Durchaus legitim sei es, wenn die Politik einzelne Positionen religiöser Gemeinschaften kritisiere. Eine grundsätzliche Religionskritik, wie sie immer wieder auch aus den eigenen Reihen laut wird, halten die Politiker aber für unangebracht: „Hier schütten manche das Kind mit dem Bade aus.“ Giegold und Kretschmann sprechen sich in ihrem Papier konkret für einen Schutz religiöser Feiertage sowie arbeitsfreie Sonntage aus. Auch ein Tanzverbot halten sie in bestimmten Fällen für angebracht. Zudem plädieren sie für einen konfessionellen islamischen Religionsunterricht und eine Beibehaltung bestimmter kirchlicher Sonderregelungen in Arbeitsrechtsfragen. Die Kirchensteuer wollen die Grünen-Abgeordneten beibehalten, plädieren aber für eine Ablösung der historischen Staatsleitungen. Unbedingt erforderlich zur Beibehaltung der Pluralität sei es, dass Kirchen und Religionsgemeinschaften weiterhin Sitze in Rundfunkräten hätten. Den sogenannten Blasphemie-Paragrafen im Grundgesetz halten Giegold und Kretschmann hingegen für „entbehrlich“.
Giegold wies gegenüber dem Evangelischen Pressedienst (epd) den Einwand zurück, machtpolitische Fragen wie etwa die Möglichkeit einer schwarz-grünen Koalition seien der Auslöser für das gemeinsame Papier gewesen. „Uns geht es darum, wie die politische Diskussion zwischen Religionsgemeinschaften und dem Staat in Deutschland weitergeführt wird“, sagte er. Kretschmann ergänzte: „Gucken Sie doch zum Beispiel nach Frankreich mit seiner stärkeren Trennung von Staat und Kirche.“ Er könne darin keine Vorteile erkennen. (pro)