Der ägyptische Islamgelehrte Ahmad al-Tayyeb kann die Angst der Europäer vor dem Islam nachvollziehen: „Sie haben die Angst ja wegen der Verbrechen, die im Namen des Islams begangen werden und die sie auf den Bildschirmen sehen. Wer aber den Nahen Osten kennt, kann unterscheiden zwischen dem, was er sieht, und dem Islam als der Religion der Barmherzigkeit“, betont der Theologe in einem Interview mit der Frankfurter Allgemeinen Zeitung. Al-Tayyeb ist seit 2010 Scheich al-Azhar, hat damit eines der höchsten Ämter des sunnitischen Islam inne.
Als Großimam ist Al-Tayyeb auch für die Ausrichtung der Al-Azhar-Universität in Kairo mit ihren 35.000 Studenten aus 120 Ländern verantwortlich. Dort lehre man die Botschaft des „richtigen Islams“ von der Vielfalt und der Wasatiyya (Kompromissbereitschaft). Er bedauert es, dass sich jedoch auch radikale Strömungen in der Gesellschaft verbreiteten: „Der Islam der Wasatiyya erreicht die Menschen nicht.“ Al-Tayyebs Ziel sei es, die gemäßigten Stimmen zu unterstützen. Dafür möchte er die modernen Kommunikationsmittel einsetzen, damit „ein junger Mensch den wahren Islam verstehen kann“ – das ist seiner Auffassung nach der Islam der Barmherzigkeit. Gerade deswegen gelte es, Strategien zu entwickeln, wie die Gesellschaft den militanten Gruppierungen begegnen könne.