Im Bibelgarten der Evangelischen Kirchengemeinde Dellwig bei Unna wachsen eher heimische Pflanzen. Mit mediterranen Warmwetter-Pflanzen kann er eher weniger protzen. Aber ein Ölbaum-Strauch wächst dort immerhin, auch ein Feigenbaum. Das sind schon mal zwei der sieben Pflanzen, die sogar die Bibel selbst als wichtig für Israel bezeichnet. Die evangelische Pfarrerin Katrin Stückrath kann zu diesen und allen anderen Pflanzen der Bibel viel erzählen. Sie schrieb ihre Doktorarbeit über Bibelgärten, wo und wie sie entstanden, was Menschen darin tun und was sie mit dem Glauben zu tun haben.
Sie sei schon immer passionierte Gärtnerin gewesen, sagt Stückrath im Interview mit PRO. Sie spielte sogar mit dem Gedanken, Gärtnerin zu werden und machte ein Praktikum in einer Gärtnerei. Dann wurde sie doch Pfarrerin. In Berlin lernte sie später einen Garten kennen, der pädagogische Ideen transportiert. „Es hat mich fasziniert, dass Gärten auch Lernräume sein können“, sagt Stückrath, „und auf Bibelgärten trifft das auch zu“. Auf einmal trafen ihre alte Passion und ihr Beruf doch wieder zusammen.
Bibel-Gärten wollen Inhalte der Bibel vermitteln, erklärt Stückrath, als PRO sie im Bibelgarten Billmerich der Kirchengemeinde in Dellwig bei Unna trifft. Anschaulich, ästhetisch und sinnlich erfahrbar werden auf einmal die Geschichten aus der Bibel. „Gärten ziehen sich als Leitmotiv durch die Bibel“, sagt die Theologin. „Das fängt mit dem Garten Eden an und geht bis zum letzten Buch der Bibel (Offenbarung 21), in dem die neue Stadt Jerusalem mit einem Fluss und vielen Bäumen mit zwölf Früchten beschrieben wird.“ Und Jesus selbst habe immer wieder von Pflanzen gesprochen, zuletzt betete er vor seinem Tod in einem Garten.
Englische Garten-Kultur führte zu Bibel-Gärten
Für ihre Doktorarbeit hat sich Stückrath 30 Bibel-Gärten in Deutschland angesehen. In Klöstern, botanischen Gärten sowie in katholischen wie evangelischen Kirchengemeinden. Der offizielle Titel der Arbeit lautete: „Bibelgärten. Gestalt, Funktion, Bedeutung und interdisziplinäre Perspektiven“. Es gebe grundsätzlich drei Typen von Gärten, sagt die Theologin. Eine Kirchengemeinde hat klassischerweise ein Gartengrundstück, das gestaltet werden soll, dann kommt sie auf die Idee, dort einen Bibelgarten anzulegen.
Schilder werden aufgestellt, welche die Pflanzen und die Geschichten in der Bibel dazu erklären. Klöster wiederum knüpften gerne an die Tradition der Kräutergärten an. „Viele mediterrane Kräuter, die auch in der Bibel erwähnt werden, sind Bestandteil unserer medizinischen Klostergärten gewesen“, sagt Stückrath. Schließlich gebe es in Botanischen Gärten manchmal Bibelgarten-Rundgänge. „Dort stehen ohnehin oft schöne Exemplare der Pflanzen, um die es geht: Ölbaum, Feige, Granatapfel und so weiter.“
Aus dieser Tradition komme übrigens die Idee des Bibelgartens, fügt sie hinzu, nämlich aus der alten Gartenkultur Englands. „Christliche Botaniker haben in den dortigen Botanischen Gärten schon sehr früh angefangen, Rundgänge mit Bibel-Pflanzen auszuschildern. Die Idee sprach sich in England und Amerika herum. In Deutschland entstand der erste Bibelgarten 1979 im Botanischen Garten in Hamburg, der eine Partnerschaft mit dem Botanischen Garten in Jerusalem hat.“ Richtig verbreitet habe sich die Idee dann ab 1995, als es eine Bibelpflanzen-Schau auf der Bundesgartenschau in Cottbus gab.
„Die Schöpfung ist in einem Bibelgarten ganz besonders präsent“
Und die berühmte Frucht im Paradies? Eigentlich werde da nur der Feigenbaum erwähnt, sagt die Theologin, aus dessen Blättern machten sich Adam und Eva ihre Schurze. „Die Bibel spezifiziert die Frucht vom Baum der Erkenntnis nicht weiter. Unsere Maler mussten sich dann bei ihren Bildern vom Paradies für irgendeine Frucht entscheiden. Und so wurde es der Apfel.“ Die sieben wichtigsten Pflanzen im damaligen Israel werden im 5. Buch Mose beschrieben, sozusagen die „großen Sieben“: Weizen, Gerste, Wein, Feigenbaum, Granatapfel, Ölbaum und die Dattelpalme.
Bibelgärten seien auch ein Raum, in dem Menschen zusammenkommen, stellte Stückrath fest. Gottesdienste und Gemeindefeste werden hier gefeiert, Kinder können hier spielen. „Der Garten als Treffpunkt“, sagt Stückrath, viele nutzten Bibelgärten auch als Meditationsraum. „Die Schöpfung ist in einem Bibelgarten eben ganz besonders in ihrer Vielfalt und Schönheit präsent.“
Wenn Jesus von einem Senfkorn spricht und von unserem Glauben, der wenigstens so groß sein sollte, kann man sich hier fragen: Wie groß ist denn solch ein Senfkorn genau? Und welchen Senf meinte Jesus damals wohl? Den weißen Senf, Sinapis alba, oder den schwarzen, Brassica nigra? Als Luther die Bibel übersetzte, wollte er vor allem, dass ihn die Leute verstehen. Also kommen bei ihm Eiche und Rosen vor – nicht gerade typisch für die Levante zur Zeit der Bibel. Und ob da nun vom Maulbeerfeigenbaum oder vom Maulbeerbaum die Rede ist, und überhaupt die botanische Korrektheit war Luther weniger wichtig. „Bibel-Gärtner können sich da noch etwas genauer in die Flora Israels einarbeiten“, sagt die Expertin. Wenn man aber nur mit der Luther-Bibel arbeite, kämen immer wieder Missverständnisse auf.
Auf dem kleinen Rundgang durch den Bibelgarten rund um das Kirchengebäude in Dellwig sind wir bei einem Brombeer-Strauch angelangt. „Diese Brombeere ist hier versehen mit einem Vers aus dem Buch der Sprüche: ‚Der Weg des Faulen ist wie eine Dornenhecke; aber der Weg der Aufrechten ist wohlgebahnt‘ (Sprüche 15,19). In manchen Gärten steht die Brombeere aber auch für den brennenden Dornenbusch, aus dem Gott zu Mose sprach.“ Auch ein Feigenstrauch steht vor der Kirche. „In der Bibel wird ein König geheilt mit einem Brei aus Feigen“, sagt Stückrath. „Und Jesus erzählt ein Gleichnis von einem Mann, der einen Feigenbaum eigentlich von seinem Gärtner abhacken lassen wollte, weil er keine Früchte brachte. Doch der Gärtner sagte: ‚Ich bemühe mich noch einmal um den Feigenbaum, grabe ihn um und gebe ihm noch ein Jahr Zeit.‘ Eine Geschichte zum Thema Gnade.“
Die Hausmeisterin, die sich um den Garten in Dellwig kümmert, Heike Kosert-Altmann, berichtet, dass immer wieder fremde Menschen Zeit im Garten verbrächten. Sie kämen zufällig vorbei und sähen die Schilder vom Straßenrand aus. Man könne den Garten aber auch buchen. So wie etwa eine Gruppe von EKD-Mitarbeitern, die am Wochenende kommt. Vor allem nutze die evangelische Gemeinde den Garten regelmäßig für Gottesdienste.
Der erste Bibel-Gärtner steht selbst in der Bibel
Um Bibel-Gärtner zusammenzubringen, hat Stückrath das „Netzwerk Bibelgärten“ gegründet. Auf der Website www.bibelgarten.info gibt es nicht nur Tipps für Gärtner, die ihren Garten thematisch mit der Bibel verbinden wollen; es gibt auch eine große Datenbank mit Bibelgärten in Deutschland, Österreich und in der Schweiz. Auf einer interaktiven Karte kann man Gärten in der Nähe finden. Die Garten-Karte umfasst mittlerweile über 200 Bibelgärten. Alle zwei Jahre gibt es zudem Treffen zum Austausch. Erst diesen Sommer fand eine Tagung in Heidelberg statt, Themen waren da etwa: Pflanzen im Klimawandel, Öffentlichkeitsarbeit und Gewinnung von Ehrenamtlichen.
Zum Schluss erwähnt Stückrath noch einen der ersten Bibel-Gärtner überhaupt, ihn nennt die Bibel sogar selbst. In 1. Könige 5,13 heißt es: König Salomo dichtete Lieder „von den Bäumen“ – von der Zeder bis zum Ysop.
Der Artikel ist erstmals in der Ausgabe 5/2024 des Christlichen Medienmagazins PRO erschienen. Das Heft können Sie hier kostenlos bestellen.