Wir sollen uns von Gott weder ein Bild noch eine Interpretation machen, so lautet Paragraph 2 des Dekalogs – der Zehn Freiheiten aus 2. Mose 20. Der Gott Abrahams, Isaaks, Jakobs verbirgt sein Gesicht und seinen Namen. Keins der Zehn Gebote wird wohl mehr verletzt, als dieses. Wir machen uns unentwegt Bilder von ihm.
Was haben wir aus Gott gemacht? Ein Poesiealbum unserer Gottesbilder.
Einen beleidigten Despoten, der im eifernden Zorn die Ungläubigen bestraft?
Einen milden Opa, der alles Böse unter dem Mantel seiner ewigen Liebe verschwinden lässt?
Einen Besitzstandswahrer unseres gutbürgerlichen Lebensstils?
Einen Sittenwächter unserer scheinheiligen Moralvorstellungen?
Einen Schönwettergaranten für unsere Grillfeste und Strandurlaube?
Einen christlich-sozialen Landrat und einen linken Oppositionellen?
Sein Name musste herhalten für Krieg und Terror,
für die Waffenlobby und die Aufrüstung,
für pazifistische Schwärmereien und Bio- und Öko-Ideale.
Wir haben Gottes Wort geprüft und seiner Offenbarung völlige Irrtumslosigkeit attestiert, als hätte er das nötig.
Wir haben Gott zu einem Handwerker gemacht, der mit Erde hantiert und ansonsten von Astrophysik und Humangenetik keine Ahnung hat.
Wir haben Gott für unseren kleinbürgerlichen Lebensstil vereinnahmt und ihn zu einem alten Mann gemacht, der im Gestern steckengeblieben ist und den Anschluss an die Moderne verpasst hat.
Wir haben Gott in unsere Verlautbarungen gesperrt und in seinem Namen Menschen in die Enge getrieben, sie ihrer Freiheit beraubt.
Wir haben bei unseren hochkalorischen Frauen-Verwöhn-Buffets und den zünftigen Männerstammtischen Gott betenderweise zum „Gast“ degradiert, der gefälligst das segnen soll, was wir uns selbst bescheret haben.
Wir haben Gott zur Ikone unserer langweiligen Gottesdienste gemacht.
In seinem Namen haben wir Predigten gehalten, die im Gutmenschentum stecken geblieben sind.
Wir haben Gott zum Guru gemacht, der in allen Religionen zu finden sei, aber nichts zu melden habe.
Was haben wir mit Gott gemacht? Einen, der zu uns passt, der unsere enge Weltsicht bestätigt.
Wer das Wesen Gottes in Wort und Schrift beschreiben möchte, der hat nur eine verlässliche Quelle: „Wer mich sieht, der sieht den Vater.“ Das sagt Jesus und damit ist alles gesagt. (Johannes 12,45).
Von: Jürgen Mette