„Gott hat ein Leben in Fülle versprochen – auch für Singles“

Vor dem Tagungshotel im hessischen Kirchheim gibt es ein großes „Hallo“: Menschen umarmen sich und freuen sich über das Wiedersehen. Sie besuchen das dreitägige Netzwerktreffen, zu dem „Solo & Co“ Singles eingeladen hat. Die 210 Teilnehmer in diesem Jahr stellen einen neuen Rekord dar. pro war mit dabei.
Von PRO
Menschen finden, mit denen man sich über sein Singlesein austauschen kann: Das war eines der Ziele des Festivals in Kirchheim.

Als die Moderatorin fragt, wer bisher noch niemanden kennt, schnellen etwa 15 Hände in die Höhe. Bei mehr als 200 Teilnehmern ist das eine überschaubare Zahl. So viele Menschen haben sich für das Netzwerktreffen von „Solo & Co“ angemeldet, eine Mischung zwischen Kongress und Festival, offen für alle Singles, die mit anderen Singles das Leben feiern wollen.

Unter das Thema „Liebe das Leben“ hat der Veranstalter die Tage Anfang Oktober im hessischen Kirchheim gestellt. Zum Begrüßungsabend in der großen Halle kommen die Besucher an Tischen zusammen. Die beiden Moderatorinnen nehmen sie in das Thema hinein. „Menschen verbringen viel Zeit mit Dingen, die sie lieben, egal ob Rotwein oder schnelles Auto.“ Der Kongress solle einladen und ermutigen, das Leben wieder neu zu lieben, trotz aller Sehnsüchte und Enttäuschungen und inmitten aller Herausforderungen des Alltags.

Geliebt, auch wenn mich niemand anruft

Der Zustand, dass jemand niemanden kennt, ändert sich an diesem Abend rasant. Jeder soll auf eine Person zugehen, die er vor dem Kongress noch nicht gekannt hat. Dann hat diese 90 Sekunden Zeit, um dem anderen die wichtigsten Eckdaten seines Lebens mitzuteilen. Die Übung kostet Überwindung, aber auch eher schüchterne Zeitgenossen machen mit und das erste Eis schmilzt.

Die geistliche Botschaft des Abends kommt von Pastorin Astrid Eichler. Sie ist seit 2011 als Bundesreferentin für das Netzwerk „Solo & Co“ tätig. Jeder Besucher ist geliebt und von Gott gesehen, sagt sie, „auch wenn dich das ganze Wochenende niemand anruft“. Eichler empfiehlt mit einem Wort aus dem biblischen Buch der Sprüche, sich Zeit zu nehmen für das eigene Herz und die Seele, damit nicht Enttäuschung, Frust oder Stress den „Garten des Lebens vergiften“.

Der kurze Impuls wird in zusammengewürfelten Tischgruppen vertieft. Sie sind nach Geschlechtern getrennt und auch in den nächsten Tagen regelmäßiger Bestandteil des Kongresses. Es geht darum, sich in einer festen Gruppe aus fünf bis sechs Personen Zeit für Gespräche und Austausch zu nehmen.

Mittlerweile 27 Prozent Männer

Frauen sind auf einer Veranstaltung wie dieser nach wie vor in der Mehrheit, auch wenn der Anteil der Männer auf 27 Prozent angestiegen ist. Die 210 Teilnehmer kommen aus allen 16 Bundesländern. Eine Art Startschuss für die christliche Single-Arbeit war Eichlers Buch „Es muss was anderes geben“. 2006 hatte der SCM-Verlag die ledige Theologin angefragt, ob sie ein Buch für christliche Singles schreiben könnte.

Das hat Eichler gemacht. „Ich habe beobachtet, analysiert und mich auf eine theologische Entdeckungsreise begeben. Ich konnte die Bibelstelle aus Genesis 2,18 („Es ist nicht gut, dass der Mensch allein sei“, Anm. d. Red.) kaum noch hören“, gibt sie ehrlich zu. „Dieses Wort ist wichtig und bedeutsam, aber es ist nicht das einzige Bibelwort zu diesem Thema“, findet sie. Die ehemalige Pfarrerin der Evangelischen Landeskirche ist in der DDR aufgewachsen und hat auf dem Zweiten Bildungsweg Theologie studiert, weil sie kein Abitur machen durfte.

Astrid Eichler ist die Triebfeder der Arbeit Foto: pro/ Johannes Blöcher-Weil
Astrid Eichler ist die Triebfeder der Arbeit

Sie war über 16 Jahre Pfarrerin in der Landgemeinde Buchholz in der Prignitz. Diese Gemeinde wurde zu einem regionalen Versammlungspunkt. „Wo früher nur ganz wenige Menschen in die Gottesdienste kamen, waren es am Ende meiner Amtszeit bis zu 50 Personen“ Eichler strotzt auch in ihrer jetzigen Aufgabe vor Energie, obwohl sie durch eine Fuß-Operation zurzeit auf den Rollstuhl angewiesen ist. Das Festival ist quasi eine Langzeitfolge des Buches, in dem sie sehr offen über praktische und seelische Einsamkeit geschrieben hat.

Singles sind kaum Thema in den Gemeinden

Mit anderen Menschen machte sie sich 2007 auf die Suche, wie das „Andere“ aussehen kann. Daraus ist das Netzwerk für Singles entstanden, das nach Kirchheim eingeladen hat. Zunächst hatte das Netzwerk den Titel des Buches. Seit April 2017 und infolge einer Phase der Neuorientierung ist sie mit dem Namen „Solo & Co“ unterwegs.

Das Netzwerk möchte die Gesellschaft und vor allem Kirche und Gemeinden für die Lebensthemen von Singles sensibilisieren. „Leider kommt es in unseren Gemeinden kaum vor“, sagt Eichler. Darum könne sich doch der Frauen- und Seniorenbeauftragte kümmern, habe ihr ein Theologe einmal entgegnet. Ein Stich ins Herz der rührigen Pastorin. Immerhin komme das Thema langsam in verschiedenen Kirchen und Werken an.

Auch das Festival vermittelt den Eindruck, dass etwas in Bewegung kommt in der christlichen Single-Szene. Die Teilnehmerzahlen steigen. Die Besucher sind hauptsächlich zwischen 45 und 65 Jahre alt, aber es gebe auch „qualifizierte Minderheiten“, die jünger oder älter sind, erklärt Eichler. Neben den klassischen Singles bringen sich auch Witwer und Geschiedene ein.

Das Leben nicht nur mit Warten zubringen

„Das Netzwerk soll keine Single-Subkultur entwickeln“, betont Eichler. „Wir Singles haben oft ein schlechtes Selbstbild. Die Ehe ist eine geniale Idee Gottes. Aber wir legen den Fokus nicht auf die Partnersuche. Gott hat ein Leben in Fülle versprochen. Wir ermutigen dazu, nicht die ganze Zeit mit Warten und Suchen zu bestreiten. Die Gnade ist größer als die Not des Lebens“, sagt sie.

In den Seminaren, die jeweils am Vormittag stattfinden, geht es um viele praktische Fragen. Wo finde ich Unterstützung bei gesundheitlichen Angelegenheiten? Wer ist bei mir, wenn ich ganz alleine am Grab eines Angehörigen stehe? Und mit wem kann ich meine „letzten Dinge“ klären? Aber auch Tauschbörsen oder ähnliches wünschen sich die Singles: „Ich mache dir Bratkartoffeln, wenn du mir die Lampe aufhängst.“ Ganz konkret machen sich die Besucher Gedanken, wie „Solo & Co“ helfen, Menschen motivieren und Ideen ins Land tragen kann.

Keiner musste alleine sein: in den Pausen ergaben sich immer wieder Möglichkeiten für Gespräche Foto: pro/ Johannes Blöcher-Weil
Keiner musste alleine sein: in den Pausen ergaben sich immer wieder Möglichkeiten für Gespräche

In den einzelnen Regionen Deutschlands gibt es ganz unterschiedliche Angebote, die sich speziell an Alleinstehende richten. Claudia Heise zum Beispiel öffnet in der Region Hamburg einmal im Monat ihr Haus. Sie stellt die Räumlichkeiten zur Verfügung. Wie ihre Gäste das Ganze mit Leben füllen, bleibt ihnen überlassen. Ein weiteres wichtiges Standbein sind die Single-Stammtische, die in unterschiedlichen Regionen angeboten werden und dem Austausch dienen: Das ist dann in keinem Gemeindehaus, sondern an einem neutralen Ort, der mit dem Nahverkehr erreichbar und optimalerweise auch barrierefrei ist.

Eichler sagt: „Mein Traum ist, dass kein Single mehr allein ist, weil er das Leben teilen und Zugehörigkeit schenken kann.“ Der Kongress in Kirchheim war eine gute Möglichkeit, das zu erleben und Singles diese Perspektive zu bieten.

Von: Johannes Blöcher-Weil

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